Zahnerkrankungen beim Hund: Ursachen und Vorsorgemöglichkeiten
Ein vollständiges Gebiss ohne Beläge und ein gesundes Zahnfleisch bis ins hohe Alter, das wünscht sich jeder für seinen Vierbeiner. Nur leider zeigt beim Nachfahren des Wolfs ein Blick ins Maul oft ein ganz anderes Bild: Entzündungen, Zahnstein, Karies und übler Atemgeruch. Die Ursache dafür kann in einer falschen Ernährung oder einer Organerkrankung zu finden sein.
Im Tierfachhandel nehmen die Regale mit Pflegeprodukten für befellte Hausgenossen seit Jahren wachsenden Raum ein. Besonders zum Thema Zahngesundheit bleibt kein Verbraucherwunsch unberücksichtigt. Von der Zahnpasta und entsprechenden Zahnbürsten über Maulsprays für frischen Atem bis hin zum Zahnaufheller reicht die Produktpalette. Im Snackregal werben Kauartikel damit, Belägen und Zahnstein vorzubeugen. Gerade letztere gehen nahezu ebenso häufig über die Ladentheke wie herkömmliche Leckerli. Eine nicht repräsentative Umfrage auf den Rheinwiesen bei Düsseldorf ergab, dass es für 11 von 23 befragten Hundehaltern zur Gewohnheit geworden ist, Sticks gegen Zahnbeläge zu verfüttern. Die Zähne ihrer Vierbeiner putzen hingegen nur 3 der Befragten selbst. 7 weitere gaben an, einmal im Jahr oder spätestens alle zwei Jahre ihrem Hund beim Tierarzt unter Vollnarkose Zahnstein entfernen zu lassen. Auf die Frage, ob sie sich einmal Gedanken darüber gemacht hätten, dass es auch Alternativen gäbe und eine regelmäßige Vollnarkose eine erhebliche Belastung für den Organismus ihres Hundes darstellen würde, zuckten sie mehrheitlich die Schultern. Das müsse eben sein und der Tierarzt habe ihnen versichert, dass Zahnstein völlig normal sei.
GESUNDHEIT BEGINNT IM MAUL
Ist es wirklich so normal, dass Hunde und auch Katzen Zahnstein bilden? Die Antwort darauf ist leider ernüchternd. Vierbeiner, die Trocken- und Dosenfutter im Napf finden, neigen weit häufiger zu Belägen und Zahnsteinbildung als diejenigen, die gebarft werden, also Frischfleisch, Knochen und Knorpel fressen.
Ein kritischer Blick auf die Inhaltsstoffe der Fertigfutter zeigt, dass darin immer wieder versteckte Zucker enthalten sind. Diese werden mit Begriffen wie Aspartam, Dicksaft, Fructose oder den Abkürzungen FOS (Fructo-Oligosaccharide) und MOS (Mannan-Oligosaccharide) gekennzeichnet. Enthält die Auflistung L-Carnitin, ist dies ein Hinweis darauf, dass ein übermäßig hoher Anteil an Kohlenhydraten und Zucker enthalten ist. Wie beim Menschen kann regelmäßiger Konsum von Zucker auch beim Hund zu Karies führen. Hunde können süß schmecken, und so überrascht es auch nicht, dass viele Vierbeiner besonders die Leckerli und Futtermischungen mögen, die einen hohen Anteil an Süßem aufweisen.
DIE URSACHEN KÖNNEN VIELFÄLTIG SEIN
Zahnstein entsteht durch Einlagerung von Mineralien wie z.B. Kalzium, Magnesium oder Phosphor, die sich verhärten und zu bakteriellen Belägen führen. Er bildet sich, wenn das Gebiss zu wenig zu tun bekommt und damit die natürliche Reinigung ausbleibt, eine Organerkrankung die Ursache ist oder eine Rassedisposition vorliegt, z.B. bei kurzschnäuzigen Tieren, die aufgrund der platten Nase oft mit offenem Maul atmen. Durch das übermäßige Hecheln trocknen die Schleimhäute schneller aus und der Speichel kann sich nicht ausreichend in der Maulhöhle verteilen, um die Zähne zu schützen. So bilden diese eine ideale Angriffsfläche für Bakterien. Kurze Schnauzen führen häufig auch zu Fehlstellungen, Zahnlücken, Über- oder Unterbiss. Folge können chronische Entzündungen sein, die zu einem Rückgang des Zahnfleisches führen und die Zahnwurzel angreifen. Daraufhin lockern sich die betroffenen Zähne und fallen aus. Ähnliche Verläufe können zu übermäßigem Zahnstein, Parodontose (ein nicht entzündlicher Rückgang des Zahnfleisches), Diabetes und Nierenerkrankungen führen. Bleibt dieses Krankheitsgeschehen zu lange unerkannt, kann das Gebiss nachhaltig Schaden nehmen und weitere Beschwerden nach sich ziehen. So z.B., wenn der Vierbeiner nicht mehr in der Lage ist, die Nahrung ausreichend zu zerkleinern und sie in zu großen Brocken verschluckt.
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ordnet den Zähnen bestimme Organe zu und kann auf diese Weise Bezüge zwischen Erkrankungen des Organismus, die ihren Ursprung im Gebiss haben, herstellen. „Eine schwache Niere zeigt sich auch in einem schlechten Gebiss“, sagt Dr. Cheryl Schwartz, eine Pionierin beim Einsatz der TCM in der Veterinärmedizin. „Entzündungen des Magens bewirken Veränderungen der Magensäure und damit in der Zusammensetzung des Speichels“, führt die amerikanische Ärztin weiter aus. Folge können Zahnfleischerkrankungen, Bildung von Zahnstein und schlechter Atem sein. Cheryl Schwartz sieht jedoch auch einen umgekehrten Zusammenhang. Abgebrochene oder kariöse Zähne können ein Einfallstor für Bakterien sein, die ins Blut gelangen und das Herz schädigen.
WIE ERKENNT MAN ZAHNPROBLEME?
Ziehen sich Hund und Katze zurück, verweigern ihr Futter, wollen sich im Bereich der Schnauze und des Mauls nicht mehr anfassen lassen, können dies Anzeichen für Zahnschmerzen sein. Schmerzlaute äußern Tiere weit häufiger, wenn es sich um einen stechenden Schmerz handelt. Stumpfen oder pochenden Schmerz nehmen viele ohne Schmerzäußerungen hin, was nicht heißt, dass sie ihn nicht weniger intensiv als ein akutes Stechen erleben.
Geruch aus dem Maul kann neben Hinweisen auf Nierenund Lebererkrankungen oder Verdauungsprobleme die Folge schlechter Zähne, von Zahnstein, Zahnfleischentzündungen, aber auch Tumoren im Fang und einer Entzündung der Mandeln sein.
Zahnwurzelentzündungen werden oft erst bemerkt, wenn sich – sofern der Oberkiefer betroffen ist – eitrige Schwellungen unterhalb des Auges bilden oder eitriges Sekret aus der Nase fließt. Ist eine Zahnwurzel im Unterkiefer betroffen, bildet sich Eiter in Fistelgängen und die Lymphknoten sind angeschwollen.
BEHANDLUNG UND PROPHYLAXE
Karies, Wurzelentzündungen sowie abgebrochene Zähne müssen von einem Experten behandelt werden, idealerweise von einem Tierarzt, der sich darauf spezialisiert hat.
Haben sich braune Belege gebildet, die schmierig, aber noch nicht fest sind, können diese mit einer weichen Bürste entfernt werden. Wichtig ist dabei, dass Hund oder Katze vorher mit dem Prozedere vertraut gemacht wurden. Hat sich der Zahnstein bereits festgesetzt, sollte ein Veterinär die Entfernung mit einem Spezialgerät übernehmen. Inzwischen gibt es Möglichkeiten, dies auch ohne eine belastende Vollnarkose durchzuführen.
Therapiebegleitend und vorbeugend bietet die Naturheilkunde verschiedene Möglichkeiten, z.B. können beginnende Zahnfleischentzündungen mit Ringelblumenessenz oder Kräutertee betupft werden.
Die Bach-Blüten White Chesnut und Impatiens haben sich therapiebegleitend bei Zahnbeschwerden, Cerato und Larch bei Zahnfleischentzündungen, Crap Apple und Red Chesnut bei Zahnstein bewährt.
Bei gelblichen Verfärbungen empfiehlt der Tierarzt Hans Günter Wolff eine homöopathische Behandlung mit Silicea D6 über mehrere Wochen hinweg dreimal täglich als Tablette. Treten Schmelzdefekte durch eine Staupe auf, sieht er ebenfalls Silicea als Mittel der Wahl, das in wechselnden Potenzen (D4, D6, D10 und D12) über einen Zeitraum von zwei Wochen jeweils zweimal täglich verabreicht wird.
Wie bei Kleinkindern kann der Gebisswechsel beim Welpen eine schmerzhafte Angelegenheit sein. Die Milchzähne bilden sich zwischen der dritten und vierten Lebenswoche und fallen zwischen dem vierten und sechsten Monat aus, um dem bleibenden Gebiss Platz zu machen. Falsche Ernährung und Zergelspiele können in diesen frühen Phasen zu Komplikationen, gerötetem Zahnfleisch und erhöhtem Speichelfluss führen. Dr. Wolff rät dazu, Belladonna D4 alle zwei Stunden zu geben, bis eine Besserung eintritt. Die Gabe des Schüßer-Salzes Nr. 1 Calcium fluoratum ist eine gute Prophylaxe. Es unterstützt beim Welpen und Junghund den Aufbau und beim erwachsenen Hund die Erhaltung von Zähnen und Zahnschmelz. Ein starkes Gebiss kann zudem mit einer homöopathischen Kur gefördert werden.
Das Komplexmittel ISO Bicomplex Nr. 30 eignet sich ebenfalls für Welpen, die zahnen. Bei kleinen Rassen, die Probleme beim Gebisswechsel haben und die Milchzähne nur langsam verlieren, kann das Schüßler-Salz Nr. 11 Silicea eingesetzt werden. Für Welpen, die sich mit dem Zahnen schwertun und die keine Salze annehmen, bietet sich eine Kräutertinktur an, die sanft ins Zahnfleisch eingerieben wird. Das kann zudem eine gute Grundübung für die spätere Zahnreinigung mit einer Bürste sein.
Zahnstein lässt sich vermeiden, indem zu kohlhydratreiches Fertigfutter nicht in den Napf kommt und im Handel erhältliche Zahnpflegesticks nicht verwendet werden. Denn viele Sorten enthalten versteckte Zucker und führen bei empfindlichen Tieren zu Durchfall. Besser geeignet für die Zahnreinigung sind getrockneter Pansen, Rinderkopfhaut, Dörrfleisch und ganze Fleischstücke. Darauf können die Vierbeiner genüsslich herumkauen. Damit trainieren sie nicht nur die Muskulatur, sie reinigen gleichzeitig die Zähne, ganz so, wie es ihre wilden Verwandten, die Wölfe, tun. Damit können Hunde und Katzen ihren ursprünglichen Bedürfnissen nachkommen, die ihnen durch die Haltung als Haustier und die Ernährung mit Fertigfutter weitgehend abhandengekommen sind. Barfen für Hunde oder artgerechte Rohfütterung von Katzen mit größeren Fleischstücken sorgt für die nötige Reibung auf den Zahnoberflächen. So kann sich Zahnbelag erst gar nicht oder bei Tieren mit Rassedisposition nur sehr langsam bilden. Wichtig ist, dass die Zusammenstellung nicht zu kohlenhydratreich ist, denn dadurch verändert sich der pHWert im Speichel, was eine Zahnsteinbildung begünstigt.
CLAUDIA HÖTZENDORFER
DIPL.-JOURNALISTIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Redakteurin, Autorin und Lektorin. Seit 2006 gibt sie das Online-Magazin Duesseldogs.de heraus und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen Ernährung, Gesundheit und Forschung. Sie lebt in einer WG mit zwei Border Collies und einem Münsterländer.
KONTAKT
Fotos: ©с K. Csanadl – Adobe, ©с E. Alexandr – Adobe, 214598562