Wachtel Bernd: Artgerechte Haltung
Die Wachtel mag es anders als das Huhn
Es gab schon viele exotische Tiere, die wir bei uns in der Praxis hatten, und immer wieder kommen neue dazu. Auf dem Terminplan stand eine Wachtel namens Bernd. Der Besitzer hatte große Sorge, dass mit ihm etwas nicht stimmt, da er sich seit einigen Tagen „komisch verhielt“. In der Anamnese stellte sich heraus, dass Bernds Besitzer, dem ein großer Stall gehört, bis jetzt nur Hühner und Vögel mit viel Auslauf gehalten hatte. Das Verhalten seiner Wachtel Bernd und auch seiner anderen Wachteln beschrieb er wie folgt: „Sie sitzen aufgeplustert da und zucken bei jedem Geräusch zusammen, selbst dann, wenn nur Laub leise auf das Dach rieselt.“ Was war hier die Ursache?
Das Problem ist, dass viele Leute, die im Vorfeld Hühner gehalten haben, meinen, man könne der Niedlichkeit halber auf Wachtelhaltung umstellen. Das ist allerdings keine gute Idee, denn Wachteln haben ein ganz anderes Grundbedürfnis als Hühner. Dieses fängt schon mit der Gestaltung des Habitats an. Ein Huhn braucht großflächige Ausläufe, damit es Scharren und weitläufig Nahrung suchen kann, einen erhöhten Sitzplatz, einen Ast und einen Rückzugsort im Stall, wo es schließlich auch seine Eier ablegen kann. Wachteln wiederum benötigen einen Rückzugsort unter Buschwerk, da sie etwa 95 Prozent ihres Lebens auf dem Boden verbringen und hier auch ihren Fluchtort bevorzugen. Die Gestaltung des Zufluchtsortes ist simpel: Man nimmt sich Tannenzweige, die man zu dieser Jahreszeit sehr günstig findet, oder abgeschnittene Hecken und platziert diese in einer Ecke, sodass sich eine Art Höhle ergibt. Im Zoo und Fachhandel gibt es auch Zufluchtsstätten zum Selbermachen; diese sind meist aus Birkenholz oder anderen unbehandelten biologischen Materialien, sodass die Wachtel keine Schadstoffe aufnimmt, die zu Irritationen der Haut und des Gefieders führen können.
Wichtig für die Pflege des Gefieders der Wachtel ist es, dass sie ein Sandbad nutzen kann. Dies kann man ganz einfach gestalten, indem man sich eine (ca. 50 cm) große Untersetzer-Schale besorgt und diese mit Vogelsang ausfüllt. Wichtig ist eine tägliche Reinigung, da die Wachtel in die Schale Kot absetzen wird. Die Gefahr hierbei ist, dass durch das Schlagen der Flügel Kotbestandteile in die Luft geraten und durch die Atmung aufgenommen werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Tageslicht: Wachteln reagieren sehr stark auf Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangsszenarien. Diese fördern das Wohlbefinden und den Geschlechtszyklus. Wenn die Wachteln brüten, sollten man ihnen in der Zeit des Nestbaus ausschließlich natürliche Materialien zur Verfügung stellen, die wie durch Zufall immer wieder im Gehege auftauchen, z.B. Gräser, weiche dünne Äste oder Laub. Im Grunde alles, was man am Boden in der Wildnis finden würde.
Wachteln sind wahre Nestbaukünstler. Sie bauen überall, wo es möglich ist, ein Nest. Das Gelege soll sich am Boden befinden. Im Nest selber sind meist zwischen 5 und 8 Eier, hier rechnet Mutter Natur einen Verschleiß durch Feinde wie Marder oder Katzen mit ein.
Das Problem von Bernd und seinen Wachtelkollegen war schnell gelöst: Mit einer Umstellung zu Bodenhaltung, der Fütterung und dem Herstellen des natürlichen Lichtschauspiels. So haben die Wachteln ein schönes und vor allem langes Leben!
DIRK RÖSE
TIERHEILPRAKTIKER
LEITER DER VDT-LEHRPRAXIS GUT ROSENBRAKEN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Physiotherapie, Chiropraktik, Ernährungsberatung, Dozent an den Paracelsus Schulen
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