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Freiberufler oder Gewerbetreibender? Der THP aus steuerrechtlicher Sicht

DIE EINKUNFTSARTEN IM STEUERRECHT UND IHRE AUSWIRKUNGEN

THP 3 21 Page44 Image1Im Tagesgeschäft von in Heilberufen tätigen Personen ist oft wenig Zeit, sich mit verwaltungs- und steuerrechtlichen Themen auseinanderzusetzen. Soll der Beruf des Tierheilpraktikers störungsfrei und langfristig erfolgreich ausgeübt werden, ist der Blick allerdings nicht nur auf die Heilerfolge zu richten, sondern auch auf den unternehmerischen Erfolg. Eine Schlüsselkompetenz dafür liegt im Verstehen unseres verwaltungs- und steuerrechtlichen Systems. Nur wenn ich weiß, wo im System ich mich bewege, kann ich Entscheidungen von hoher Qualität treffen. Hierzu ein erster Ansatz auf dem Weg des Verstehens der steuerrechtlichen Einkunftsarten. Dieses Thema zeigt, wie schnell man in seinen Einschätzungen verwaltungsrechtlicher Sachverhalte falsch liegen kann und in welchen Bereichen von Anfang an Vorsicht geboten ist. Stellen wir uns folgende Fragen: Was sind Einkunftsarten? Wozu dient die Unterscheidung der Einkunftsarten? Welche Auswirkungen haben die Qualifizierung von Einkünften in die eine oder andere Einkunftsart? Worunter ist der Tierheilpraktiker einzuordnen? Und was ist dadurch zu beachten?

AdobeStock 99563911WAS SIND EINKUNFTSARTEN?

Der Gesetzgeber hat in § 2 EStG einen Katalog an Einkunftsarten festgelegt, deren Einkünfte der Einkommensteuer unterliegen. Sind Einkünfte nicht unter eine dieser Einkunftsarten zu subsumieren, unterliegen sie auch nicht der Einkommensteuer. Schenkungen oder Lotteriegewinne (was aber nicht bedeutet, dass hier gar keine Steuern anfallen können, hierfür gibt es weitere Steuergesetze, z.B. das ErbStG) unterliegen nicht der Einkommensteuer.
Sowohl die Freiberufler als auch die Gewerbetreibenden erzielen Einkünfte, die gemäß § 2 EStG der Einkommensteuer unterliegen.

DER FREIBERUFLER UND DER GEWERBETREIBENDE

Der Freiberufler erzielt Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG. Zur freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbstständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten, die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und weiterer Katalogberufe wie z.B. der Heilpraktiker.
Die Definition des Gewerbetreibenden finden wir in § 15 II EStG. Danach ist Gewerbetreibender, wer eine selbstständige nachhaltige Betätigung ausübt, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist und den Umfang bloßer Vermögensverwaltung übersteigt. Damit ist die Zuordnung zur gewerblichen Tätigkeit im Ausschlussverfahren auch als Auffangtatbestand von Einkünften zu verstehen.

AUSWIRKUNGEN DER UNTERSCHIEDLICHEN EINKUNFTSARTEN

Zwischen den Einkunftsarten bestehen Unterschiede, insbesondere in ihren Auswirkungen auf die Einkünfteermittlung, auf den Erhalt von Freibeträgen und Altersentlastungsbeträgen, Steuerbefreiungen, den Umfang der Einkünfte, Verlustausgleich und Verlustabzug sowie auf die Steuerbelastung an sich.
Die Auswirkungen der Einkünfteermittlung ergeben sich aus der Unterscheidung von zwei Gewinnermittlungsarten: Gewinneinkünften und Überschusseinkünften. Sowohl die Einkünfte der Freiberufler als auch die der Gewerbetreibenden zählen zu den Gewinneinkünften. Sie ermitteln den Gewinn ihrer Einkünfte. Zu den Überschusseinkünften werden u.a. die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gerechnet. Sie ermitteln den Überschuss Ihrer Einkünfte. Eine natürliche Person kann durchaus Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten erzielen. Eine Personengesellschaft und auch juristische Personen können immer nur Einkünfte aus einer Einkunftsart erzielen.

EINKÜNFTEERMITTLUNG

Die Einkunftsart bestimmt die Gewinnermittlungsart und damit auch auf welche Weise die für die Besteuerung heranzuziehenden Einkünfte zu ermitteln sind. Hieraus ergibt sich konkret für jeden einzelnen Steuerpflichtigen, wie er seine Buchhaltung einzurichten und auszuführen hat.
Bei den Überschusseinkünften ist der Überschuss von Einkünften unter Anwendung des Zu- und Abflussprinzips, § 11 EStG, zu ermitteln. Dazu werden die Einnahmen innerhalb eines Veranlagungszeitraums, der regelmäßig das Kalenderjahr ist, den Werbungskosten, also den der Einkunftsart zuordenbaren Ausgaben, gegenübergestellt. Die positive Differenz ist der Überschuss. Eine negative Differenz wird als vorweggenommene Werbungskosten bezeichnet.
Als übergeordnete Normensammlung für steuerrechtliche Belange ist die Abgabenordnung (AO) zu verstehen. Für den Bereich der Einkünfteermittlung der Gewinneinkünfte ist an dieser Stelle auf die originäre und derivative Buchführungspflicht der §§ 140, 141 AO zur Gewinnermittlung einzugehen. Hier wird entsprechend dem EStG bestimmt, dass derjenige, der nach anderen Gesetzen zur Buchführung verpflichtet ist, diese Verpflichtung auch für die Besteuerung zu erfüllen hat. Der Kaufmann hat sich also auch zur Ermittlung des steuerlichen Gewinns an die GoB (Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, §§ 238 ff. HGB) zu halten. Seine steuerlichen Verpflicrungspflicht nicht von anderen Gesetzen ableiten lässt. An dieser Stelle ist auf die Einkunftsart zu achten, die hier nicht genannt wird, nämlich die freien Berufe bzw. die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Sie sind durch ihre Nichtnennung von der Buchführungspflicht auch bei Überschreiten der Höchstgrenzen von 600.000 Euro Umsatz bzw. 60.000 Euro Gewinn befreit und nur zur Aufzeichnung ihrer Geschäftsvorgänge verpflichtet.

GEWINNERMITTLUNGSMETHODEN

Die Ermittlung des steuerlichen Gewinns unter Anwendung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Vorschriften des Handelsgesetzbuches, §§ 4 und 5 EStG in Verbindung mit §§ 238 ff. HGB, hat durch Bilanzierung des Betriebsvermögens jeweils am Ende im Vergleich zum Anfang eines Veranlagungszeitraums zu erfolgen.
Einzelkaufleute sowie alle anderen Gewerbetreibenden, die weder nach originärer noch nach derivativer Buchführungspflicht zur Gewinnermittlung durch Bilanzierung verpflichtet sind, können ihren Gewinn, entsprechend der Vereinfachungsvorschriften der § 241 a HGB und § 4 III EStG, im Rahmen einer Einnahmenüberschussrechnung ermitteln. Gewinn ist hier der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben unter Beachtung des Zu- und Abflussprinzips innerhalb eines Veranlagungszeitraumes, also des Kalenderjahres.
Der Vorteil der vereinfachten Gewinnermittlung mittels Einnahmenüberschussrechnung liegt in der Nichtanwendung der strengen GoB, die durch eine bloße Aufzeichnungspflicht der tatsächlich erfolgten Zahlungsein- und Zahlungsausgänge ersetzt wird, ohne die Erfassung von Forderungen und Verbindlichkeiten.

DIE EINKUNFTSART DES TIERHEILPRAKTIKERS

Anhand der oben aufgeführten Definition des Freiberuflers und des Gewerbetreibenden, wo würden Sie den Tierheilpraktiker einordnen?
Bei den Katalogberufen des § 18 EStG ist ja sogar der Heilpraktiker als freier Beruf aufgeführt. Und die Tierärzte ebenso. Warum also nicht auch der Tierheilpraktiker? Schließlich sollen laut Gesetz auch den Katalogberufen ähnliche Berufe als freie Berufe eingestuft werden.
Diese Frage wurde auch dem Finanzministerium Schleswig-Holstein im Jahr 2011 gestellt, und dieses antwortete wie folgt: „Der Beruf des Tierheilpraktikers ist weder geschützt noch gibt es eine gesetzlich normierte Ausbildung. Die Aus- übung des Berufs kann ohne Prüfung erfolgen, bedarf keiner Zulassung durch die Tierärztekammer oder ähnlicher Einrichtungen und unterliegt auch keiner behördlichen Aufsicht. Die Tätigkeit des Tierheilpraktikers ist kein Katalogberuf des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Insofern kann eine freiberufliche Tätigkeit nur angenommen werden, wenn eine einem Katalogberuf ähnliche Tätigkeit vorliegt. Hier kommt nur die Tätigkeit des Heilpraktikers in Betracht. Für eine freiberufliche Tätigkeit als Heilpraktiker ist es zwingende Voraussetzung, dass eine Zulassungsprüfung abgelegt wird. Nach der Zulassung unterliegt ein Heilpraktiker der ständigen Aufsicht der Gesundheitsbehörde. Zur Erlangung der Zulassung ist es aber nicht erforderlich, eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren. Wenn für den vergleichbaren Katalogberuf eine bestimmte Ausbildung nicht vorgeschrieben ist, ist allein auf die vergleichbare Berufstätigkeit abzustellen (BFH vom 19.10.1965, BStBl 1965 III, S. 692). Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist (BFH vom 29.11.2001, BStBl 2002 II, S. 149). Die Tätigkeit eines Tierheilpraktikers ist demnach keine einem Heilpraktiker ähnliche Tätigkeit. Die Einkünfte eines Tierheilpraktikers sind demzufolge als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG zu qualifizieren.“ (FinMin Schleswig-Holstein, 11.8.2011, VI 302)
Der Tierheilpraktiker ist nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Gewerbetreibender und kein Freiberufler. Daraus ergibt sich u.a., dass der Tierheilpraktiker seine Gewinnermittlung nur bis zu den Umsatz- und Gewinngrenzen des § 141 AO durch eine vereinfachte Einnahmenüberschussrechnung ermitteln kann.

DER TIERHEILPRAKTIKER IST GEWERBESTEUERPFLICHTIG

Neben Beachtung der Umsatz- und Gewinngrenzen, deren Überschreiten zur Buchführungspflicht, Bilanzierung und Einhaltung der strengen GoB führen, bedeutet diese Qualifizierung des Berufsstandes einen weiteren wesentlichen Unterschied in der Betrachtung aus steuerlicher Sicht. Der Tierheilpraktiker ist auch Gewerbebetrieb im Sinne des GewStG und dadurch gewerbesteuerpflichtig. Bei Aufnahme der Tätigkeit als Tierheilpraktiker ist nicht nur eine Anmeldung beim zuständigen Finanzamt vorzunehmen, sondern auch die Tätigkeit beim zuständigen Gewerbeamt, das meist im Gemeindeamt der Wohnsitzgemeinde zu finden sein wird, anzuzeigen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Gewerbesteuer zwar eine eigene Steuer ist, diese aber weitestgehend auf die zu zahlende Einkommensteuer gemäß § 35 EStG angerechnet wird und es dadurch für Gewerbetreibende zumeist nicht zu einer höheren Steuerlast als bei Landwirten oder Freiberuflern kommt.

DER TIERHEILPRAKTIKER UND DIE UMSATZSTEUER

Kommen wir zu einer Steuerart, mit der wir alle tagtäglich und offensichtlich zu tun haben: die Umsatzsteuer. Eine Unterscheidung der Einkunftsarten wie im Einkommensteuergesetz kennt das Umsatzsteuergesetz nicht. Das Umsatzsteuergesetz knüpft die Steuerbarkeit von Leistungen an einen eigenen Unternehmerbegriff. Der umsatzsteuerliche Unternehmer differenziert nicht zwischen Gewerbetreibenden, Freiberuflern oder Landwirten als Unternehmer. Lediglich wird die ausgeführte Leistung unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen steuerfrei gestellt oder unterliegt anderen Steuersätzen. Leistungen des Tierheilpraktikers unterliegen durch das Fehlen einer entsprechenden Befreiungsvorschrift dem Regelsteuersatz von 19 Prozent.

THP 3 21 Page44 Image2TIERHEILPRAKTISCHE TÄTIGKEIT UND LIEBHABEREI

Weiter sei noch auf eine Sache im Zusammenhang mit der Einkunftsart des Tierheilpraktikers eingegangen: die Abgrenzung zur Liebhaberei.
Entstehen bei der Ausübung des Tierheilpraktikerberufs Verluste, die bei Ermittlung der Summe der Einkünfte berücksichtigt oder als Verlustrücktrag bzw. Verlustvortrag Eingang in die steuerliche Einkünfteermittlung finden sollen, ist bei der Würdigung der Einkünfteerzielung neben der Gewinnerzielungsabsicht auf den Totalgewinn abzustellen. Der Totalgewinn geht davon aus, dass bei Betrachtung des gesamten Zeitraums der Einkunftserzielung als Tierheilpraktiker am Ende die Erzielung eines Gewinns als möglich erscheint. Die Beurteilung des Finanzamtes der Tätigkeit als Liebhaberei ist nur dann gerechtfertigt, wenn neben langjährigen hohen Verlusten auch weitere Anzeichen dafür sprechen, dass die Tätigkeit ausschließlich aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt wird und dadurch die Verluste in Kauf genommen werden.

DER TIERHEILPRAKTIKER UND DIE ABFÄRBEWIRKUNG

Nun gibt es bei den Tierheilpraktikern nicht nur Tierheilpraktiker. Häufig dient die Ausbildung auch zur Weiterbildung von Tierärzten oder Heilpraktikern. Auch ist eine Kooperation von Tierheilpraktikern, Tierärzten und Heilpraktikern denkbar, die in einer Gesellschaftsform als Gemeinschaftspraxis zusammenarbeiten. Wenn ein Tierarzt oder Heilpraktiker, die beide zu den Katalogberufen der freien Berufe zählen, auch als Tierheilpraktiker Einkünfte erzielt, übt er neben der freiberuflichen Tätigkeit auch eine gewerbliche Tätigkeit aus. Diese gemischte Tätigkeit führt, sofern sie einheitlich behandelt wird, zur Abfärbewirkung der gewerblichen Tätigkeit, bei Überschreiten der Bagatellgrenze von 3 Prozent der Gesamtumsatzerlöse aus der gewerblichen Tätigkeit, also der als Tierheilpraktiker, zudem darf der Betrag von 24.500 Euro Nettoumsatzerlöse aus dieser Tätigkeit nicht überschritten werden, ansonsten ist die gesamte Tätigkeit gewerblich.
Der Umqualifizierung der Einkünfte kann man entgehen, indem die Einkunftsarten getrennt voneinander behandelt werden. Es muss in einer entsprechenden Konstellation auf die konsequente Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu der jeweiligen Einkunftsart geachtet werden. Bei rein natürlichen Personen sind also zwei voneinander getrennte Buchhaltungen zu führen und in der Steuererklärung zwei Einkunftsarten zu erklären. Bei Gesellschaften sind durch den Umstand, dass hier nur eine Einkunftsart erklärt werden kann, zwei getrennte Gesellschaften zu führen.

FAZIT

Der Tierheilpraktiker übt eine gewerbliche Tätigkeit aus und ist daher verpflichtet, sich beim zuständigen Gewerbeamt anzumelden und Gewerbesteuer abzuführen. Gerade bei gemischten Praxen, in denen sowohl tierärztliche, heilpraktische und tierheilpraktische Tätigkeiten ausgeführt werden, ist auf eine Trennung der Einkünfte zu achten, um eine Abfärbung der gewerblichen Tätigkeit auf die freiberufliche Tätigkeit zu vermeiden.

ANTOINETTE WINDBERG
DIPL.-WIRTSCHAFTSJURISTIN (FH)
STEUERBERATERIN
TIERHEILPRAKTIKERIN

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