Tierwissen für Kids: Fledermäuse
Autorin: Sophie Ferstl
„Huch, was ist das?“, rief Pauline erschrocken. Irgendein Tier war an ihrem Kopf nur ganz knapp vorbeigeflogen. Ihr Bruder Ferdinand lachte sie aus: „Du immer mit deiner Angst! Wahrscheinlich war es ein Vampir!“ „Papa, sag was, immer muss Ferdi mich ärgern!“ Papa lachte und zeigte auf den dunklen Abendhimmel.: „Hier im Tessin gibt es eine Menge Fledermäuse. Sogar in Omas Speisekammer wohnen welche. Vermutlich hat sich eine von ihnen auf Futtersuche begeben, denn Fledermäuse sind nachtaktiv.“ „Sind Fledermäuse gefährlich?“, wollte Pauline wissen. „Nein“, antwortete Papa, „Sie haben nur den Ruf, gefährlich zu sein. Die alten Christen glaubten, dass Fledermäuse das Gegenteil von Engeln wären und das Böse brächten. Deswegen wurden diese einzigartigen Tiere gejagt und vernichtet.“
„Aber wie leben Fledermäuse eigentlich?“, fragte Ferdinand. „Können wir morgen früh mal in Omas Speisekammer nachschauen, ob wir da eine entdecken?“ „Ja, das machen wir“, rief Pauline aufgeregt. „Lasst uns zuerst nach genaueren Informationen über diese Tiere suchen, dann wissen wir morgen früh auch, worauf wir achten müssen, um sie nicht zu erschrecken“, meinte Papa. „Jeder nimmt sein Handy und sucht mal, was er findet. Dafür sind die Geräte ja wirklich gut, auch wenn ich es sonst echt nervig finde, dass ihr jede freie Minute daddeln wollt.“
„Stell dir vor, Fledermäuse schlafen kopfüber! Sie hängen sich an einen Ast oder Balken und machen so auch ihren Winterschlaf. Das ist ja verrückt!“, rief Ferdinand. „Dann können sie bei Gefahr oder wenn sie abends auf die Jagd gehen, schneller starten, weil sie nur ihre Flughäute, die sich an den Händen zwischen den Fingern befinden, ausbreiten müssen und sich dann fallen lassen und so direkt abheben.“ Er sah dabei fasziniert auf seine eigenen Hände.
„Ich wüsste gerne, wie die Fledermaus es gerade geschafft hat, so knapp an meinem Kopf vorbeizufliegen, ohne mich zu treffen.“ Pauline wischte über ihr Smartphone und schwieg eine Weile. „Krass“, meinte sie schließlich, „Fledermäuse haben sensiblere Ohren als alle anderen Tiere. Damit orientieren sie sich selbst in tiefster Dunkelheit mit ihrer Fähigkeit zur Echoortung. So können sie erkennen, wie groß ein Hindernis oder ein Beutetier ist, und dann punktgenau zuschnappen oder ein Hindernis umfliegen. Dafür stoßen sie über die Nase oder das Maul Töne aus, die wir Menschen gar nicht hören, da sie so hoch sind. Die ausgesandten Schallwellen treffen auf den Körper der Beute, verändern beim Aufprall ihre Tonhöhe und wandern zurück ins Fledermausohr. Zwischen 5- und 20-mal pro Sekunde stoßen Fledermäuse ihre Beutefangrufe aus. Sehen können Fledermäuse nicht mal halb so gut wie sie hören! Außerdem fressen sie jede Nacht bis zur Hälfte ihres Körpergewichtes an Insekten.“
Dann müsste ich ja jeden Tag 45 kg Mücken futtern“, murmelte Papa fasziniert.
„Aber meistens fressen ja die Mücken lieber dich“, warf Ferdinand lachend ein. „Im Winter können Fledermäuse ihre Flügel wie eine Decke benutzen. In die wickeln sie sich ein und überwintern dann in Höhlen, Spalten oder Mauerritzen.“ „Oder in Omas Speisekammer“, fiel Pauline ihrem Bruder ins Wort. Nun war Papa wieder an der Reihe: „Wusstet ihr, dass Fledermäuse vom Aussterben bedroht sind? Weil in der Landwirtschaft und in unseren Gärten so viele Insektenvernichtungsmittel zum Einsatz kommen, gibt es zu wenig Nahrung und diese ungewöhnlichen Zeitgenossen verhungern.“
„Dann könnten wir ja mal schauen, dass Omas Garten wenigstens genug Nahrung für Fledermäuse bietet, oder?“, schlug Ferdi vor. „Wir könnten ein Beet anlegen, in dem Pflanzen wachsen, die von Insekten besonders gerne besucht werden. Hier steht, dass Leimkraut, Seifenkraut und Wegwarte dafür geeignet sind und andere Pflanzen, die nachts blühen und viel Nektar enthalten.“
„Wenigstens wissen wir, dass Vampirella hier einen gemütlichen Schlafplatz hat“, unterbrach ihn Pauline.
„Vampirella? Du hast echt einen Knall, dass du immer jedem einen Namen geben musst“, lachte Ferdinand.
„Aber irgendwie gehört sie doch jetzt zur Familie“, meinte Papa, „Da ist es gut, wenn sie einen Namen hat.
„In anderen Gegenden finden Fledermäuse nicht mehr ausreichend Schlafplätze, weil alles zugebaut wird und daher keine Höhlen und Nischen mehr existieren“, fuhr Pauline fort. „Hier steht, dass es im Baumarkt Fledermauskästen zu kaufen gibt oder man diese auch selbst bauen kann. Papa, können wir das nicht machen, wenn wir wieder daheim sind?“ „Ja, das ist eine schöne Idee!“ Papa gefiel der Vorschlag, und er ergänzte: „Und wir können einen Gartenteich anlegen, denn auch am Wasser tummeln sich die Insekten gerne, und dann könnten die Fledermäuse auch hier genug zu Fressen finden. Jetzt aber ab in die Falle, ihr Räuber“, meinte er dann nach einem Blick auf die Uhr, „es ist schon spät! Morgen sehen wir dann nach, ob wir Vampirella in der Vorratskammer entdecken.“
Ganz anders als sonst, wo sie um jede Minute, die sie länger aufbleiben durften, verhandelten, sausten Ferdinand und Pauline ins Bett. In dieser Nacht träumten beide davon, wie sie mit ausgebreiteten Flügeln durch die Nacht segeln und die Welt dabei von oben betrachten durften. Als es gerade dämmerte, sprang Pauline aus dem Bett, zog ihrem Bruder Ferdi die Bettdecke weg und rief: „Auf geht´s! Vampirella wartet sicher schon!“
Papa war überhaupt nicht erbaut, als die beiden aufgeregten Kinder vor seinem Bett auf- und abhüpften und laut sangen: „Liebes Papilein, darfst nicht müde sein, Vampirella wartet schon.“ Da die beiden keine Ruhe gaben, kämpfte er sich schließlich aus dem Bett, rieb sich die Augen und räkelte sich. „Lasst mich wenigstens schnell meine Zähne putzen, dann bin ich da.“
Alle trafen sich in der Küche wieder, von wo eine Tür nach draußen in den Garten ging. Omas Vorratskammer war ein kleines, gemauertes Zimmer außerhalb des Hauses, das mit einer Holztür verschlossen war. Überall sah man kleine Öffnungen zwischen den Mauern und dem aufgesetzten Dach. Vermutlich hatte hier Vampirella irgendwo den Eingang in ihr Schlafzimmer.
„Papa, schließ endlich die Tür auf!“, rief Pauline aufgeregt. „Seid ganz leise und bewegt euch langsam, wir wollen unsere Freundin ja nicht erschrecken“, flüsterte Papa.
Vorsichtig betraten die drei den Raum und blickten gebannt nach oben.
„Sie sehen ein bisschen aus wie die goldenen Zapfen, die Mama immer so gerne in unseren Christbaum hängt“, kicherte Pauline. „Ich glaube, die fühlen sich hier richtig wohl. Es ist geschützt, nicht zu warm, nicht zu kalt, und wir kommen ja nur hierher, wenn wir etwas zum Kochen oder Backen brauchen. Das ist gar nicht so oft. Auf jeden Fall habe ich jetzt, wo ich so vieles über Vampirella und ihre Freunde erfahren habe, keine Angst mehr, wenn sie sich nachts auf die Jagd begeben.“
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