Serie: Traditionelle Indische Medizin - Diabetes bei Hund und Katze aus Sicht der Ayurveda-Medizin
Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Hunden und Katzen eine häufig auftretende chronische Erkrankung. Etwa einer von 100 Hunden und zwei von 100 Katzen erkranken daran.
Liegt eine Zuckerkrankheit bei Hund oder Katze vor, ist der Blutzuckerspiegel zu hoch, da durch fehlendes Insulin die Körperzellen Glukose nicht mehr aufnehmen können, sodass diese um das Blut zirkuliert und später über den Urin ausgeschieden wird. Die im Urin vorhandene Glukose zieht dann wie ein Schwamm Wasser in den Urin, was eine Polyurie mit starken Wasserverlusten und eine Polydipsie nach sich zieht. Im Resultat werden zahlreiche Organe und Gewebe geschädigt. Da die Körperzellen die Glukose nicht verfügbar machen können, entsteht ein Energiemangel, der durch einen Kompensationsmechanismus zum ausgeprägten Hungergefühl sowie zum Abbau der Körpersubstanz führt.
Schulmedizinisch unterscheiden wir zwischen einem relativen (Diabetes Typ 2) und einem absoluten Insulinmangel (Diabetes Typ 1) als Ursache für die Zuckerkrankheit. Die meisten Hunde leiden unter einem Diabetes Typ 1, während bei Katzen etwa 70 Prozent vom Diabetes Typ 2 betroffen sind. Bei alten Hunden kann auch eine dritte Form auftreten, die sekundäre Diabetes. Hierbei werden durch eine chronische Entzündung oder eine Hormonstörung Hormone gebildet, die die Wirkung des Insulins hemmen.
DIE SICHT DES AYURVEDA
Der Ayurveda beschreibt die Pathophysiologie des Diabetes mellitus bei Hunden und Katzen analog zum absoluten und relativen Insulinmangel bereits in seinem ältesten Schriftstück „Charaka Samhita“, das vor ca. 2.000 Jahren geschrieben wurde. Aus dieser Pathophysiologie heraus lassen sich ganzheitliche Begleit-Therapiemodelle ableiten.
ABSOLUTER INSULINMANGEL (DIABETES TYP 1)
Gewichtsverlust, Schädigung der B-Zellen im Pankreas (eine meist angeborene Veranlagung) und der sich daraus resultierende Insulinmangel verursachen eine „Vata-Aggravation“ (die Elemente Luft und Raum vermehren sich), diese führt zu einer zusätzlichen Gewebereduktion. Dadurch wird ein Teufelskreis ausgelöst. Diese Form ist sowohl aus ayurvedischer als auch aus schulmedizinischer Sicht nicht behandelbar, das Tier ist lebenslang insulinpflichtig. Naturheilkundliche Maß- nahmen können die metabolischen Funktionen des Insulins nicht ersetzen. Sie können jedoch dazu beitragen, chronischen Komplikationen vorzubeugen oder diese zu behandeln. Da in diesem Fall die Erhöhung der Bioenergie „Vata“ (Elemente Luft und Raum) mit seinen Eigenschaften „kalt, trocken, leicht und fein“ als ursächliche Faktoren bekannt sind, ist eine Reduktion dieser Eigenschaften durch ihre Gegensätze in der Begleit-Therapie von Diabetes Mellitus Typ 1 bei Hunden und Katzen essenziell. Auch wenn durch die Insulingabe der Mangel behoben wird, bleibt ein Ungleichgewicht als ursächlicher Faktor bestehen. Daher sind lauwarme, feucht-ölige, nahrhafte (schwere) Futtermahlzeiten und energetisch „wärmende“ Kräuter wie Kurkuma und Löwenzahn wichtige Bausteine der ayurvedischen Therapie. Die Eigenschaften warm und „einhüllend“ sollten auch in der Haltung Beachtung finden, denn Wärmflasche und Rotlichtwärme können positive Wirkungen haben. Mit dieser ganzheitlichen Therapie hat Ayurveda sehr gute Erfolge in der Vorbeugung und Behandlung von chronischen Komplikationen durch den Diabetes Typ 1 erreichen können.
RELATIVER INSULINMANGEL (DIABETES TYP 2)
Beim Diabetes Typ 2 wird entweder nicht genug Insulin für die Zellversorgung gebildet oder es besteht eine Insulinresistenz, für deren Entstehung das Prinzip „Kapha“ (Elemente Erde und Wasser) ursächlich ist. In den meisten Fällen wird durch falsche Fütterung, zu wenig Bewegung, auch Veranlagung das Tier übergewichtig. Der Adipositas führt dann zu pathologischen Formen von minderwertigem Fett- und Muskelgewebe. Kapha mit seinen Eigenschaften „schwer, feucht, kalt, schleimig“ steigt an. Die Kombination aus erhöhtem Kapha und pathologischem Geweben führt zu Blockaden, in diesem Fall der Insulinrezeptoren der Körperzellen. Aus ayurvedischer Sicht ist daher beim Diabetes Typ 2 von Hunden und Katzen die Kapha-Erhöhung ein ursächlicher Faktor. Daher ist die Reduktion der Eigenschaften „schwer, feucht, kalt, schleimig“ der Schlüssel für eine ganzheitliche Therapie. Übertragen auf die Fütterung bedeutet dies: leicht zu verstoffwechselnde Futtermahlzeiten aus Futtermitteln mit trockenen, wärmenden, nicht-schleimigen Eigenschaften. Dies sind z.B. Huhn und Ziegenfleisch, Zucchini, Karotte, Chicorée, Spinat, gekochte Gerste und Quinoa. Im Ayurveda sind alle Futtermittel nach ihren Eigenschaften und ihrer Verdaulichkeit klassifiziert und können so gezielt diätetisch zum Ausgleich eingesetzt werden. Aber auch „leicht machende“ und „nicht schleimende“ Phythotherapeutika können eingesetzt werden.
Dies sind die klassischen antidiabetischen (blutzuckersenkenden) Naturheilmittel des Ayurveda wie z.B getrocknete Früchte (als Pulver) der Karela-Bittergurke (lat. Momordica charantia), Wurzel der Kurkuma (lat. Curcuma longa), Schwarzkümmelöl (lat. Nigella sativa – Cave: nicht für Katzen geeignet!) und die Indische Schwalbenwurz (lat. Gymnema sylvestre).
Durch die Reduktion der Eigenschaften von Kapha und des Fettgewebes (durch Ernährung und Bewegung) kann nach den Erfahrungen des Ayurveda der pathologische Zustand der B-Zellen-Funktion des Pankreas und der Insulinbedarf gesenkt werden, was sich positiv auf die Prävention der Behandlung von Komplikationen und die Ursachen von Diabetes Typ 2 auswirkt.
PRAXISBEISPIEL DER AYURVEDISCHEN BEHANDLUNG EINER KATZE MIT DIABETES
Die Besitzerin des 6-jährigen Katers Max (Wohnungskatze) erhielt vor einem Jahr für ihren Kater die Diagnose Diabetes Typ 2. Das starke Übergewicht, der ständige Durst, die hohen Urinmengen und die Trägheit ihrer Katze hatten die Besitzerin damals alarmiert und eine Untersuchung machen lassen. Urin- und Bluttest haben schnell zur Diagnose geführt. Seit diesem Tag bekommt Max seine Insulinspritzen, zusätzlich wurde er auf ein „Diabetes-Trockenfutter“ umgestellt, das er leider nur mäßig akzeptierte. Nach Aufklärung durch den Tierarzt erfuhr die Besitzerin, dass ca. 50 Prozent der Katzen bei frühzeitiger Therapie und ganzheitlicher Unterstützung ihren Diabetes wieder verlieren können, und das oft innerhalb eines Jahres. In Absprache mit ihrem Tierarzt suchte die Besitzerin nun nach einer ganzheitlichen Begleittherapie für Max. Da sie selbst gute Erfahrung mit der ayurvedischen Therapie gemacht hatte und ihre eigene rheumatoide Arthritis mit dieser Methode therapiert wurde, kam sie mit ihm zu mir in die Praxis. Zunächst stellten wir Maxs Ernährung ein: Er bekam nun im wöchentlichen Wechsel gewolftes Wildfleisch (88 Prozent) mit gekochten Zucchini, Karotte und Chicorée (10 Prozent) sowie Quinoa (2 Prozent) und gewolftes Hühnerfleisch (85 Prozent) mit gekochter Zucchini, etwas Brokkoli, Spinat (10 Prozent) und Gerste (5 Prozent). Er erhielt drei dieser selbst zubereiteten Mahlzeiten täglich. Mit den frischen Mahlzeiten wurden zusätzlich 1 MS (jeweils 2 mg) Gymnema-sylvestre-Pulver, 1 MS Curcuma Longa und 1 MS Karela-Bittergurken-Pulver gemeinsam mit etwas Hanföl unter das Futter gerührt. Zusätzlich öffneten wir manualtherapeutisch Energiepunkte für den Gewebestoffwechsel und zur Kapha-Senkung. Ich zeigte seiner Besitzerin die Technik, um (ähnlich der Akupressur) diese Punkte zweimal wöchentlich auch zuhause öffnen zu können und um ihn so energetisch zu unterstützen. Als Trinkwasser erhielt Max Gerstenwasser: Hier wird 1 TL Gerste mit 300 ml Wasser eine halbe Stunde lang kochen gelassen, der „Sud“ dann abgesiebt und als Trinkwasser angeboten. Gerstenwasser senkt Kapha, reinigt das Fettgewebe und unterstützt die Gewichtsreduktion. Da Freigang in der Wohnsituation für Max nicht möglich war und er keinen Spieldrang hatte, zeigte ich seiner Besitzerin, wie sie ihn an Geschirr und Leine gewöhnen kann, um mit ihm zunächst in der Wohnung, später dann auch draußen im Garten spazieren zu gehen, um seinem Körper Bewegung zu gönnen. Wir vereinbarten, dass sie wöchentliche Blutzuckertagesprofile und Insulin-Anpassungen in Absprache mit ihrem Tierarzt durchführt und ihn wöchentlich zuhause wiegt. Bereits nach drei Monaten konnte die Insulingabe halbiert, nach acht Monaten ausgeschlichen werden. Max hat in vier Monaten Gewicht verloren (von 8,9 auf 6,3 kg), später nochmal 400 g (von 6,3 auf 5,9 kg), und ist nun knapp über seinem Idealgewicht. Die derzeitigen monatlichen Nachuntersuchungen (Blutzuckertagesprofile) zeigten nahezu optimale Glukosewerte in Blut. Durch die frühzeitige Erkennung und Therapie kann hier glücklicherweise ein sehr positiver Verlauf verzeichnet werden. Das Tier bleibt aber natürlich unter schulmedizinischer Beobachtung. Die individuelle ayurvedische Therapie und Ernährung wird stetig angepasst.
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Ayurveda und Ernährungsberatung für Mensch und Tier, Manualtherapie, Phytotherapie, Autorin
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