Anatomie und Physiologie: Die Basis medizinischens Wissens
Ohne ein fundiertes Wissen über die Anatomie und Physiologie des Körpers wäre es Ärzten, Tierärzten, Heilpraktikern und Tierheilpraktikern nicht möglich, Diagnosen zu stellen und Krankheiten richtig zu behandeln. Übersetzt bedeutet Anatomie Lehre vom Bau der Körperteile und Kunst des Zergliederns, was verdeutlicht, dass eine Einschätzung über Art, Auswirkung und Lage einer Erkrankung ohne anatomische Grundlagen ebenso unmöglich ist wie die Durchführung chirurgischer Eingriffe. Unter Physiologie wird die Lehre von den normalen Lebensvorgängen, insbesondere von den physikalischen Funktionen des Organismus, verstanden, was verdeutlicht, dass die Frage, wie und warum eine Erkrankung überhaupt entsteht und wie sie sich entwickelt, ohne die Grundlagen der Physiologie nicht beantwortet werden kann. Anatomie und Physiologie bilden die Basis medizinischen Wissens.
Anatomie Knochen
VERKNÖCHERUNG
Beschränken wir uns in diesem Artikel auf den Bewegungsapparat, so ist es v. a. die Anatomie der Knochen und Gelenke, die ein fundiertes Wissen für die Diagnostik und Therapie von Verletzungen und Erkrankungen an unserem Skelett- und Muskelsystem voraussetzt. Die Osteologie stellt die Knochenlehre dar, wobei man zwischen makroskopischer und mikroskopischer Anatomie unterscheiden muss. Makroskopisch lässt sich erkennen, dass sich die Mehrzahl der rein knöchernen Skelettanteile ursprünglich aus Knorpel bzw. einzelnen Knochenkernen zusammensetzen, die erst im Laufe der Entwicklung verknöchern bzw. zu den knöchernen Skelettbestandteilen umgebildet werden. Es gibt aber auch Teile des embryonalen Knorpelskeletts, die nie oder nur teilweise verknöchern. So z. B. die vorderen Enden der Rippen, Teile des Schwertfortsatzes am Brustbein und die Nasenknorpel.
KNOCHENGESTALT
Zur Beschreibung der Knochen legt man die Gestalt des Knochens nach Tod und Abschluss der Fäulnisvorgänge zugrunde. In diesem Zustand fehlen die beim Lebenden am und im Knochen vorhandenen Anteile, wie z.B. Knorpel, Knochenhaut, Blutgefäße und Nerven. Generell lässt sich im Körper eine Unterscheidung von langen und kurzen Röhrenknochen, platten und lufthaltigen Knochen treffen. Die Hauptmasse des Knochens bildet die Knochensubstanz, die einen hohen Anteil an Kalk enthält. Dieser Kalkgehalt macht etwa 70 Prozent des Knochengewichtes aus. Entkalkt der Knochen, gehen 50 bis 70 Prozent des Knochengewichtes verloren, während die Knochengestalt vollständig erhalten bleibt. Bei näherer Betrachtung der Knochensubstanz kann zwischen dem Knochenmantel (Kompakta) und der davon umhüllten Markhöhle (Spongiosa) unterschieden werden. Die Spongiosa ist eine schwammartige Substanz, die aus feinen Bälkchen und Plättchen besteht, die sich in mannigfacher, aber regelmäßiger Weise durchkreuzen. Kurze und platte Knochen bestehen überwiegend aus Spongiosa mit nur einer dünnen umgebenden Knochenrinde (Cortikalis), während die langen Röhrenknochen eine massive und relativ dick wirkende Cortikalis aufweisen. Eine scharfe Grenze zwischen Kompakta und Spongiosa gibt es nicht, sie gehen an den Grenzen fließend ineinander über.
KNOCHENWACHSTUM
Der Knochen ist von einem ständigen Auf- und Abbau geprägt, gesteuert durch Knochenzellen, die sich mikroskopisch unterscheiden lassen (mikroskopische Anatomie). Sogenannte Osteoblasten sind dabei für den Knochenaufbau, Osteozyten für den Knochenabbau verantwortlich und steuern das Knochenwachstum. Embyonal sind lange Röhrenknochen als Knochenkerne angelegt, die über Knorpel miteinander verbunden sind. Zwischen diesen Einzelteilen des Knochens befindet sich die Wachstumsfuge (Epiphysenfuge), sodass der Knochen in die Länge wachsen kann. Die Wachstumsfuge verknöchert, wenn das Längenwachstum abgeschlossen ist. Beim Hund ist das etwa mit 2 Jahren, beim Pferd etwa mit 5 Jahren und beim Menschen mit ca. 20 Jahren der Fall.
Anatomie Gelenke
Die Verbindung der Skelettanteile kann auf verschiedene Arten erfolgen, je nachdem, ob die Skelettanteile gegeneinander beweglich sein müssen, oder ob zwischen ihnen nur eine Haftung erforderlich ist. Die einfachste Form der Haftung ist die Sutur. Dabei verwachsen zwei ursprünglich getrennte Knochen knöchern miteinander. Dieses Phänomen findet sich z.B. am Schädel, wenn die einzelnen, ursprüglich getrennten Schädelknochen miteinander verknöchern. Von einer Syndesmose hingegen spricht man, wenn die beiden angrenzenden Skelettanteile durch straffe Bänder miteinander verbunden sind. Diese Verbindung findet man z.B. zwischen Schien- und Wadenbein. Bei der Symphyse sind die beiden Skelettanteile durch eine Knorpel-Bindegewebsschicht miteinander verbunden. Ein derartiges Gelenk findet sich am Becken, dort, wo rechtes und linkes Becken aufeinandertreffen. Diese Art Gelenke sind sehr straff und kaum beweglich. Ein richtiges Gelenk (lat.: Articulatio) hingegen ermöglicht eine geregelte Bewegung zwischen den aneinandergrenzenden Knochen. Sind dabei nur zwei Knochenanteile beteiligt, spricht man von einem einfachen Gelenk, sind zwei oder mehrere Knochenanteile am Gelenk beteiligt, spricht man von einem zusammengesetzten Gelenk. Gelenkflächen und Gelenkhöhle werden von der Gelenkkapsel umgeben. Dabei handelt es sich um eine blutgefäß- und nervenführende Bindegewebsstruktur, die entweder straff und eng oder schlaff und weit ist. Die Gelenkkapsel besteht aus zwei Schichten – innen aus der Membrana synovialis und außen aus der Membrana fibrosa – wobei die innere Schicht für die Bildung der Gelenkschmiere (Synovia) sorgt. Weitere Bestandteile von Gelenken sind Bänder, Sehnen, Menisken und Schleimbeutel.
Anatomie Muskulatur
Natürlich gehört auch die Muskulatur zum Bewegungsapparat, denn nur über die Muskulatur lassen sich Gelenke bewegen und Kraft aufbringen. Generell lässt sich Muskelgewebe in glatte Muskulatur, quergestreifte Muskulatur und Herzmuskulatur einteilen, wobei wir es am Bewegungsapparat ausschließlich mit quergestreifter Muskulatur (Skelettmuskulatur) zu tun haben. Gemeinsam ist allen Muskeln die Fähigkeit zur Kontraktion, aber nur die Skelettmuskulatur ist willkürlich innerviert, d.h. kann willkürlich angesteuert werden. Die meisten Skelettmuskeln entspringen mit einer Ursprungssehne und setzen dann mit einer Ansatzsehne am Knochen an. Zwischen Ursprungs- und Ansatzsehne befindet sich der Muskelbauch, der sich aus vielen einzelnen Muskelfaserbündeln zusammensetzt und von einer Muskelhülle umgeben ist.
Eingeteilt werden Muskeln nach ihrer Wirkung. Dienen sie dem Beugen, spricht man von Flexoren, dienen sie dem Strecken, von Extensoren. Drehen sie z.B. den Arm oder das Bein einwärts, heißen sie Adduktoren, erfolgt die Drehung nach außen, heißen sie Abduktoren. Entsprechend lassen sich dann auch Verletzungen den einzelnen Muskelgruppen zuordnen.
Physiologie
Wie eingangs erwähnt beschäftigt sich die Physiologie mit den normalen Lebensvorgängen, also damit, was Normales im Körper passiert, und warum. Essenziell ist dabei die Zelle, denn jeder Körper besteht aus einer ganzen Menge an Zellen. So sind es z. B. beim Menschen etwa 100 Billionen. Würde man diese zu einer Kette zusammenfassen, könnte man damit 60-mal die Erde umwickeln. Körperzellen sind spezifisch angelegt, d. h., jede einzelne Zelle nimmt nur wenige hundert unterschiedliche Aufgaben wahr. So kann eine Zelle z. B. für den Knochenaufbau zuständig sein, oder auch dafür, dass im Blut Sauerstoff transportiert wird. Damit diese wichtigen Funktionen aufrecht erhalten werden, unterliegt der Körper (egal ob Mensch oder Tier) einer ständigen Zellerneuerung. So sterben bei einem erwachsenen Menschen in jeder Sekunde 50 Millionen Zellen ab und werden in gleicher Anzahl wieder neu gebildet. Die Bilanz zwischen absterbenden und neugebildeten Zellen ist also ausgeglichen. Im Grundaufbau sind alle Zellen gleich, aber ihre Funktionen unterscheiden sich ebenso wie die Funktionen der einzelnen Zellbestandteile.
Ohne Zellen wäre ein Leben nicht möglich, aber genau diese Zellen sind auch dafür verantwortlich, dass wir altern und irgendwann sterben. Denn die Zellerneuerung „altert“ auch, sodass sich die Bilanz zwischen alternden bzw. absterbenden und neugebildeten Zellen irgendwann in Richtung Zellalterung verlagert. Die Zellteilung nimmt ab und der Alterungsprozess des gesamten Körpers lässt sich nicht mehr aufhalten. Zellen sorgen für Körperfunktionen, für die Kommunikation von Organen und Strukturen untereinander, und sie bekämpfen Krankheiten. Im Gesamten betrachtet sorgen die Zellen für das Leben, doch Zellen können auch entarten und sich zu bösartigen Krebsgeschwülsten entwickeln, sodass das Wissen um die Zelle, ihre Aufgaben und ihre Wirkungen die Basis der Physiologie bildet.
DR. ISA FOLTIN
TIERÄRZTIN, RADIOLOGIN, DIPLOM-JOURNALISTIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
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- Spezialgebiet Kernspintomographie
- Dozentin an den Paracelsus Schulen
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