Hoher Blutdruck bei der Katze
Wenn ich mit Patientenbesitzern spreche, weise ich immer darauf hin, dass zu einer guten Vorsorge bei Katzen ab 7 Jahren nicht nur die regelmäßige Allgemeinuntersuchung mit Blutuntersuchung gehört, sondern auch die Kontrolle des Blutdrucks. In der Regel schauen mich die Katzenbesitzer dann erstaunt an, denn Bluthochdruck bei der Katze, das haben sie meist noch nie gehört! Es ist eine traurige Tatsache, dass Bluthochdruck zu den am meisten unterschätzten und ignorierten Erkrankungen der Katze gehört – obwohl er unbehandelt schwerwiegende Konsequenzen hat, die von Organschäden bis zur Erblindung reichen können.
WAS BEDEUTET HOHER BLUTDRUCK?
Das Herz pumpt das Blut mit jedem Schlag durch die Gefäße des Körpers, damit alle Organe und Zellen mit Sauerstoff versorgt werden. Der Blutdruck hängt davon ab, mit wie viel Kraft das Herz pumpt, wie elastisch die Blutgefäße sind und welchen Durchmesser sie haben.
Es gibt zwei Blutdruckwerte: Der systolische Wert gibt den Druck an, der im Moment in den Gefäßen herrscht, wenn sich der Herzmuskel mit größter Kraft anspannt, um das Blut in die Gefäße zu pumpen. Danach entspannt sich das Herz wieder, der Druck in den Gefäßen sinkt. Hat dieser, kurz vor der erneuten Kontraktion des Herzmuskels, seinen Tiefpunkt erreicht, spricht man vom diastolischen Wert. Bei der Katze wird meist nur der systolische Wert zur Diagnostik herangezogen. Gemessen wird der Blutdruck in „mm Quecksilbersäule“ (= mmHg, wobei Hg = Quecksilber).
Hoher Blutdruck besteht, wenn der systolische Wert dauerhaft über 150 mmHg liegt.
WIE KOMMT ES ZU HOHEM BLUTDRUCK?
Zum einen sind Aufregung und Angst Faktoren, die den Blutdruck natürlicherweise ansteigen lassen. Daher haben praktisch alle Katzen in der Praxis einen erhöhten Blutdruck. Umgangssprachlich spricht man vom „Weißkittel-Effekt“. Der Anstieg ist aber nicht extrem und lässt sich durch entsprechendes Vorgehen und Handling der Katze minimieren. Bei einer gewissen Anzahl an Katzen (13 – 20 Prozent) kann keine Ursache für Bluthochdruck gefunden werden. Hier spricht man von einer idiopathischen Hypertension (idiopathisch = ohne erkennbare Ursache entstanden, Hypertension = Bluthochdruck).
Am häufigsten findet sich bei Katzen der sekundäre Bluthochdruck: Dieser hat seine Ursachen in anderen Erkrankungen oder Medikamenten. Wenn es möglich ist, die Grunderkrankung zu heilen/lindern oder die Medikation umzustellen, verbessert sich auch der Blutdruck.
Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und den beiden häufigsten dafür ursächlichen Grunderkrankungen – chronische Niereninsuffizienz und Schilddrüsenüberfunktion – erläutert.
BLUTHOCHDRUCK UND CHRONISCHE NIERENINSUFFIZIENZ
Chronische Niereninsuffizienz (CNI) und Bluthochdruck hängen eng zusammen und beeinflussen einander gegenseitig negativ: Bluthochdruck schädigt die Niere bzw. verschlimmert die CNI, während eine chronische Niereninsuffizienz Bluthochdruck zur Folge hat.
Besteht zunächst nur Bluthochdruck (idiopathische Hypertonie oder Bluthochdruck aufgrund anderer Erkrankungen, z.B. Schilddrüsenüberfunktion), so führt der konstant zu hohe Druck zu Verhärtungen und Verengungen der empfindlichen feinen Blutgefäße innerhalb der Nieren. Dadurch vermindert sich die Durchblutung der Nieren. In der Folge geht Nierengewebe zugrunde, wodurch die Nieren nach und nach ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Ein (dauerhaft) zu hoher Blutdruck kann direkt zur Entstehung einer CNI führen.
Weiterhin sind die Nieren nicht nur für die Entgiftung des Körpers zuständig; sie regulieren über einen komplizierten hormonellen Regelkreis (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) auch maßgeblich den Blutdruck. Je mehr die Nieren im Verlauf einer CNI an Funktion einbüßen, desto mehr blutdrucksteigernde Hormone bilden sie. Dadurch wird immer weniger Wasser aus dem Körper ausgeschieden – beides lässt den Blutdruck ansteigen, treibt damit auch die CNI voran und führt schließlich zum kompletten Nierenversagen und zum Tod.
Das bedeutet, dass eine Katze, die an CNI leidet, nicht nur von den Folgen der immer schlechteren Entgiftung betroffen ist. Durch den gleichzeitig entstehenden bzw. sich verstärkenden Bluthochdruck schreitet die CNI immer schneller voran. Dieser Teufelskreis aus sich gegenseitig beeinflussender CNI und Bluthochdruck führt zum schnelleren Tod der Katze.
Insofern ist es von großer Bedeutung, dass bei Katzen, bei denen eine CNI besteht oder aktuell diagnostiziert wurde, unbedingt auch immer der Blutdruck kontrolliert wird – und zwar regelmäßig. Ohne eine Bekämpfung der Hypertonie und einen gut eingestellten Blutdruck ist eine erfolgreiche Therapie der CNI im Sinne einer Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung und eines Erhaltens der Lebensqualität der Katze nicht möglich. Bei bis zu 65 Prozent der Katzen, die an einer chronischen Niereninsuffizienz leiden, besteht gleichzeitig Bluthochdruck.
BLUTHOCHDRUCK UND SCHILDDRÜSENÜBERFUNKTION
Bei der Schilddrüsenüberfunktion (SDÜ – Hyperthyreose) produziert die Schilddrüse (Thyreoidea) zu viel Schilddrüsenhormon (Thyroxin – T4). Dies führt dazu, dass der gesamte Stoffwechsel „angefeuert“ wird und auf Hochtouren läuft. Symptome sind neben Abmagern trotz Heißhunger, Absetzen großer Kotmengen, Aggressivität, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, vermehrtem Trinken und gesteigertem Urinabsatz auch ein erhöhter Blutdruck. 25 Prozent der Katzen, die an einer SDÜ leiden, weisen einen hohen Blutdruck auf. Wird die SDÜ erkannt und medikamentös behandelt, normalisiert sich zumeist auch der Blutdruck. Da die Einstellung der Schilddrüsenwerte jedoch nicht bei jeder Katze optimal gelingt, ist es wichtig, bei Katzen, bei denen eine SDÜ diagnostiziert wurde, regelmäßig den Blutdruck zu kontrollieren und einen ggf. weiterhin bestehenden Bluthochdruck ebenfalls zu therapieren.
FOLGEN VON BLUTHOCHDRUCK
NIEREN
Der Teufelskreis aus CNI und Bluthochdruck, bei dem sich beide Erkrankungen gegenseitig verstärken und beschleunigen, wurde bereits dargestellt.
AUGEN
Eine weitere fatale Folge des unbehandelten Bluthochdrucks ist die Erblindung.
Bluthochdruck schädigt die feinen Blutgefäße in der Netzhaut des Auges. Die Durchblutung verschlechtert sich und die Netzhaut nimmt Schaden durch die verminderte Blutzufuhr. Weiterhin kann durch die geschädigten Blutgefäße Blut in die Netzhaut einsickern. In der Folge verschlechtert sich das Sehvermögen der Katze immer mehr, bis diese schließlich erblindet.
Leider werden in der Praxis immer wieder Katzen vorgestellt, von denen die Besitzer sagen: „Sie ist eben alt – und jetzt ist sie kürzlich auch noch erblindet.“ Bei diesen Tieren wurde nie der Blutdruck kontrolliert, obwohl ein Bluthochdruck in den allermeisten Fällen die Ursache für Netzhauteinblutungen und Erblindung bei Katzen ist – zwischen 68 und 100 Prozent der von hohem Blutdruck betroffenen Katzen erleiden Schäden an den Augen bzw. erblinden. Wenn man bedenkt, welch erheblicher Verlust an Lebensqualität der Verlust des Augenlichts für die Katze bedeutet, ist dies ein sehr trauriger Befund. Er zeigt auch, wie wichtig eine Sensibilisierung der Tierhalter – aber auch vieler Tierärzte und Tierheilpraktiker – für das Thema Bluthochdruck bei der Katze ist.
GEHIRN
Bei einem dauerhaft deutlich zu hohen Blutdruck (mehr als 180 mmHG) oder plötzlichem Blutdruckanstieg kann es zu Blutungen und Schwellungen (Ödemen) im Gehirn kommen. Dies äußert sich in einer Reihe neurologischer Symptome, z.B. vermehrtem Schreien (Vokalisieren), Verwirrtheit und Desorientierung, gestörtem Gleichgewicht und unkoordinierten Bewegungen (Ataxie), Kopfschiefhaltung, Augenzittern (Nystagmus), plötzlichem Erstarren, Krampfanfällen bis hin zum Koma. Gerade bei Verwirrtheit, Desorientierung oder Vokalisieren wird bei älteren Katzen oft vorschnell die Diagnose „Demenz“ bzw. „kognitive Dysfunktion“ gestellt, ohne dass eine Kontrolle des Blutdrucks erfolgt. Auch hier gilt es, Tierhalter und Tiertherapeuten für Bluthochdruck als mögliche Ursache solcher Symptome zu sensibilisieren.
HERZ
Bluthochdruck schädigt auch die Gefäße, die das Herz versorgen. Je größer dieser Schaden durch unbehandelten Bluthochdruck wird, desto kleiner wird das Schlagvolumen des Herzens. Dadurch muss es immer schwerer arbeiten, um das Blut durch den Kreislauf zu pumpen. Auf Dauer führt dies zum Herzversagen.
Auf eine Schädigung des Herzens deuten z.B. Lethargie und Atemlosigkeit der Katze hin; beim Abhören zeigen sich oft ein Galopprhythmus, unregelmäßiger Herzschlag oder Herzgeräusche.
DIAGNOSE
Die Blutdruckmessung ist eine einfache, schnelle, nicht-invasive und preiswerte Untersuchung, die von den meisten Katzen sehr gut toleriert wird. Meist erfolgt eine oszillometrische Messung, wie wir Menschen sie aus der Hausarztpraxis kennen: Eine Manschette, die über einen Schlauch mit dem Messgerät verbunden ist, wird um den Schwanzansatz oder eine Vordergliedmaße gelegt, bläst sich auf, und bei der folgenden langsamen Druckminderung werden der systolische und der diastolische Blutdruck ermittelt. Um aussagekräftige Werte zu bekommen, sollte die Messung in einem sehr ruhigen Raum erfolgen, nachdem die Katze Gelegenheit hatte, sich etwas vom Transportstress zu erholen. Manche Tiertherapeuten bieten dafür auch Hausbesuche an, denn erfolgt die Messung im vertrauten Umfeld, ergeben sich oftmals verlässlichere Werte.
BEHANDLUNG
Die Behandlung von Bluthochdruck gehört in die Hände eines Tierarztes. Hier stehen gut wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen sich – abgestimmt auf ggf. bestehende Begleiterkrankungen wie CNI etc. – der Blutdruck gut einstellen lässt. Auch gegen eine notwendige lebenslange Einnahme spricht nichts, z.B. bei idiopathischer Hypertonie oder wenn sich die auslösende Erkrankung nicht heilen lässt (CNI). Angesichts der gravierenden gesundheitlichen Folgen, die ein unbehandelter Bluthochdruck hat (Erblindung, sonstige Organschäden), sollten Katzenbesitzer nicht aus Sorge vor Nebenwirkungen vor einer Behandlung zurückschrecken. Eine alleinige naturheilkundliche Behandlung von Bluthochdruck ist nicht anzuraten. Hier ist nicht mit einer effektiven und ausreichenden Senkung des Blutdrucks zu rechnen, die Gefahr von Endorganschäden kann nicht hinreichend gebannt werden. Bei der Katze ist darüber hinaus zu beachten, dass die Phytotherapie als Therapieform nicht infrage kommt. Praktisch alle Phytotherapeutika sind für die Katze nicht oder nur sehr eingeschränkt geeignet, da sie Bestandteile enthalten, die von ihr nicht hinreichend verstoffwechselt werden können, sodass sie sich im Organismus ansammeln und schlimmstenfalls zu Vergiftungen und Leberschädigungen führen.
Gut geeignet als begleitende Therapie ist z.B. die Organotherapie. Nach dem Prinzip „Herz heilt Herz, Niere heilt Niere“ (Paracelsus) lassen sich hier die Organe, die durch den Bluthochdruck besonders gefährdet sind (Auge, Niere, Gehirn, Herz), gezielt stärken und die jeweiligen Regenerationskräfte anregen.
FAZIT
Bluthochdruck ist eine tückische Erkrankung, ein „stiller Killer“, da er für lange Zeit keinerlei Symptome verursacht. Im Geheimen werden jedoch zahlreiche lebenswichtige Organe wie Nieren, Augen, Herz und Gehirn durch unbehandelten Bluthochdruck nachhaltig und zum Teil irreversibel geschädigt. Dies führt zur deutlichen Verminderung der Lebensqualität der Katze (z.B. durch Erblindung), auch zu einem früheren Tod (wenn sich etwa eine bestehende CNI durch Bluthochdruck verschlimmert oder der Bluthochdruck die Nieren so schädigt, dass es zu einer Niereninsuffizienz kommt).
Derartige Folgen sind jedoch unnötig, da Blutdruck bei der Katze durch eine einfache, kostengünstige Untersuchung leicht zu kontrollieren ist und sich durch wirksame, langfristig gut verträgliche Medikamente in den allermeisten Fällen effektiv einstellen lässt. Es kommt also darauf an, die Tierhalter (und die Tierärzte) dafür zu sensibilisieren, dass bei jeder Katze über 7 Jahren die Blutdruckmessung unbedingt Bestandteil der jährlichen (besser halbjährlichen) Vorsorgeuntersuchung sein muss. Auf diese Weise lassen sich gesundheitliche Schäden vermeiden und bestehende Erkrankungen wie CNI besser behandeln.
NICOLE SCHULTE-KULKMANN
TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Haltungsberatung, Ernährungsberatung, Vorsorge, Geriatrie, Biomolekulare Therapie, spezialisiert auf Katzen
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