Hydrotherapie für den Hund: Therapeutisches Schwimmen
Rehabilitation, Muskelaufbau und Bewegungstraining für Hundesenioren werden ebenso wie Hydrotherapie als Ergänzung zur Physiotherapie oder medizinischen Maßnahmen immer beliebter. Allerdings gibt es dabei einiges zu beachten: Neben den Voraussetzungen des Therapeuten ist dieser Heilansatz nicht für jeden Vierbeiner geeignet.
Der Münsterländer Benni kommt so langsam ins Seniorenalter. Die Gelenke wollen nicht mehr ganz so wie er. Immer schon ein begeisterter Schwimmer, bietet sich die Hydrotherapie – die Behandlung mit Wasser (altgriech. = hýdor), variierend in Temperatur und Druck – als Chance an, seine Beweglichkeit zu fördern und möglichst lange zu erhalten. Dabei wird die Auftriebskraft des Wassers genutzt, die das Eigengewicht des Körpers bis zu 90 Prozent verringert. Diese positive Eigenschaft des nassen Elements ermöglicht einen schonenden Muskelaufbau und eine weitgehend schmerzfreie Bewegung degenerativer Gelenke.
Vor der ersten Runde im Pool oder auf dem Unterwasserlaufband steht allerdings ein gründlicher Check-up für Benni an. Insbesondere Herz und Lunge dürfen nicht geschwächt sein. Schwimmen ist anstrengend. Wer selbst schon einmal nach längerer aktiver Pause eine halbe Stunde lang Bahnen im örtlichen Bad geschwommen ist oder in Kneippscher Manier Wassertreten war, erinnert sich sicher daran, wie ausgepowert er danach aus dem Becken stieg. Sind Herz und Lunge in Ordnung, liegen keine offenen Wunden vor oder chronische Endzündungen der Ohren (hier vor allem bei Rassen mit Schlappohren), lohnt sich ein Besuch bei Physiotherapeuten, die Anwendungen im Wasser anbieten.
Therapeutisches Schwimmen im Pool
Die Entscheidung, ob das therapeutische Schwimmen im Pool stattfinden kann oder für die Hydrotherapie das Unterwasserlaufband besser geeignet ist, hängt nicht zuletzt von den örtlichen Gegebenheiten ab. Nicht jeder Physiotherapeut verfügt über den notwendigen Platz und – sind wir ehrlich – die finanziellen Mittel, einen Pool zu betreiben. So muss das Becken mindestens 2 x 3 Meter groß sein, um ausreichend Platz für effektives Arbeiten zu bieten. Liegen die Maße hingegen über 5 x 6 Meter, wird es schwierig, den Hund im Wasser zu kontrollieren, vor allem, wenn es sich um kleine Exemplare handelt. Die Filteranlage darf sich nicht im gleichen Raum befinden, und dieser muss gut zu belüften sein, um Schimmelbildung durch Feuchtigkeit zu vermeiden. Die Wassertiefe sollte zwischen 130 und 150 Zentimeter liegen, um auch mit großen Rassen arbeiten zu können. Ein rutschfester Untergrund ist ein Muss, ebenso die Auswahl an Schwimmwesten in unterschiedlichen Größen. Für Benni stimmen alle Voraussetzungen, und so steht seiner Therapie nichts mehr im Wege.
Das Unterwasserlaufband
Die Therapie mit einem Unterwasserlaufband bietet die Möglichkeit einer gezielten Einwirkung (abhängig von den Einstellungsmöglichkeiten des Geräts), da die Höhe des Wasserstandes variiert werden kann. Damit verändert sich nicht nur der Widerstand, gegen den der Hund anlaufen muss, sondern auch das Gewicht, das auf seine Knochen und Muskulatur einwirkt. Reicht das Wasser z.B. nur bis zum Sprunggelenk, bedeutet dies eine Gelenkbelastung unter Wasser von 90 Prozent. Reicht es hingegen bis zum Ellenbogengelenk, verringert sie sich auf 80 Prozent, bei Hüfthöhe auf 40 Prozent. Reicht das Wasser bis zum Hals, sind es nur noch 30 Prozent. Je größer der Widerstand, desto effektiver der Trainingseffekt, z.B. zur Reduzierung des Körperfetts bei Übergewicht oder zur Steigerung der Kondition. Zudem wird die tiefe Rumpfmuskulatur durch das Laufen oder Traben auf dem Band gekräftigt. Während die meisten Hunde leicht zu motivieren sind, in einem Pool zu schwimmen, braucht es für die Arbeit mit dem Unterwasserlaufband eine Eingewöhnungsphase. Je mehr Zeit sich Therapeut und Hundehalter dafür nehmen, desto entspannter wird der Vierbeiner.
Hydrotherapie als Reha-Maßnahme
In der Veterinärmedizin wird die aktive Bewegung als Rehabilitationsmaßnahme nach Operationen oder Sportverletzungen so bald wie möglich angestrebt. Die Hydrotherapie bietet dafür einen muskel- und gelenkschonenden Ansatz mit einem großen Maß an Effektivität. Denn durch die Auftriebskraft des Wassers wird der Muskelaufbau ohne eine zu große Gewichtsbelastung gefördert. So können Hunde, die (noch) nicht stehfähig sind, im Wasser bereits erste Stehversuche machen und die Muskulatur langsam wieder aufbauen. Zur Unterstützung des Auftriebs und um ein Abtauchen bei schwindenden Kräften zu vermeiden, bekommen die Tiere eine Schwimmweste. Diese ermöglicht es dem Therapeuten, jederzeit korrigierend und stabilisierend einzugreifen, insbesondere bei Anwendungen im Pool.
Durch das Schwimmen hat der Hund einen größeren Bewegungsradius als auf dem Unterwasserlaufband. Der hydrostatische Wasserdruck trainiert nicht nur Herz und Kreislauf, er massiert alle Bereiche des Hundekörpers und kräftigt die gesamte Muskulatur. Ältere Semester wie Benni bleiben länger beweglich, wenn sie im Becken motiviert werden. ihren Körper durch Richtungswechsel zu biegen.
Check-up, Warm-up und Cool-down
Es gibt Vierbeiner, die wie für das nasse Element gemacht sind und begeistert jede Gelegenheit nutzen, sich ins Wasser zu stürzen. Retriever und Labradore gehören z.B. dazu, ebenso die Rassen mit vergleichbaren körperlichen Voraussetzungen. Plattnasen wie Möpse, Bulldoggen oder Boxer sowie kurzbeinige Rassen wie Basset oder Corgi haben es nicht ganz so leicht, doch können auch sie in den Genuss des therapeutischen Schwimmens mit Hilfe einer Schwimmweste und Unterstützung durch den Therapeuten kommen.
Neben ausführlicher Anamnese zur Erstellung des Therapieplans (u.a. mit Gangbildanalyse und Erfassung der Vitalwerte) gehört vor jeder Schwimmstunde unbedingt ein Check-up dazu, bei dem Augen, Ohren, Mundschleimhaut, Puls, Atmung und Temperatur kontrolliert werden.
Ebenso wichtig sind die Aufwärm- und die Abkühlphase. Für sport- und fitnessbegeisterte Zweibeiner sind sie selbstverständlich, um Verletzungen und einer Überlastung vorzubeugen, in der Physiotherapie werden sie oft unverständlicherweise leider vernachlässigt. Vor dem Schwimmen kann die Muskulatur des Hundes mit lockeren Laufbewegungen, sanften Dehnungen und Massagen aufgewärmt werden. Dabei ist zu beachten, dass Hunde die Energie nicht so lange speichern können wie der Mensch. Deshalb muss das Warm-up unmittelbar vor dem Schwimmen durchgeführt werden. Im Anschluss an die Anstrengung ist ein Cool-down mit langsamem Gehen und abschließender Ruhephase ebenso wichtig, um Herz- und Atemfrequenz, Körpertemperatur, Nervensystem und Muskulatur wieder auf ein normales Niveau zu bringen.
Wärme und Kälte
Zur Hydrotherapie zählen auch Wärme- und Kälteanwendungen. Bei thermischen Therapien können gezielt Wärmeoder Kältereize gesetzt werden. So wirkt die Kryotherapie mit kalten Wickeln entzündungshemmend und schmerzlindernd. Zur Förderung der Durchblutung, Anregung des Stoffwechsels und Dehnung des Bindegewebes eignet sich die Heiße Rolle mit einem Handtuch. Bei Anwendungen im Wasser muss die Wirkung der Temperatur immer mit berücksichtigt werden. Ist sie zu hoch, werden Herz und Kreislauf zu sehr beansprucht. Ideal für therapeutisches Schwimmen sind 29 bis 32°C. Kälteanwendungen empfehlen sich z.B. bei akuten Entzündungen in den Gelenken und akuten Arthrosen, allerdings nicht bei chronischen Entzündungen oder offenen Wunden. Hat der Hund Herz-KreislaufBeschwerden, ist davon ebenso abzusehen, da Kälte die Herzfrequenz steigert. Hunde mit Blasen- oder Nierenentzündungen sollten auch nicht ins Wasser.
Unterschiede im Service
Wie bei allen Heilangeboten trennt sich auch bei der Hydrotherapie die Spreu vom Weizen. Fällt die Anamnese zu kurz aus oder wird trotz einer gegebenen Kontraindikation therapiert, ist Vorsicht geboten. Je detaillierter der Therapeut die jeweiligen Maßnahmen erläutert, desto besser.
Neben der Hygiene, die selbstverständliche Voraussetzung für alle Therapien mit Wasser ist, gibt es erhebliche Unterschiede im Service drumherum. Warm-up- und Cool-downPhasen gehören unbedingt dazu! Für beides sollten Therapeut und Kunde entsprechend Zeit einplanen. Natürlich muss auch der Tierbesitzer selbst dafür Sorge tragen, dass sein Vierbeiner nicht klatschnass nach Hause fährt, z.B. spezielle Bademäntel für Hunde, die besonders lange brauchen, bis ihr Fell getrocknet ist, bereithalten. Trotzdem kann von einer guten Tierphysiotherapiepraxis erwartet werden, dass nicht nur ausreichend Handtücher vorhanden sind, sondern auch ein Bereich, in dem Hunde nach der Anwendung z.B. unter einer Rotlichtlampe entspannt trocken werden können, ohne dass der nächste Vierbeiner schon unruhig mit den Pfoten scharrt.
CLAUDIA HÖTZENDORFER
DIPLOM-JOURNALISTIN
Redakteurin, Autorin und Lektorin. Seit 2006 gibt sie das Online-Magazin Duesseldogs.de heraus und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen Ernährung, Gesundheit und Forschung. Lebt derzeit in einer WG mit zwei Border Collies und einem Münsterländer.
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