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Ach du dicke Katze! Teil 2 - Fallbericht Sammy

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page18 Image1Gewichtsreduktion durch Ernährungsberatung

In Ausgabe 3/20 wurden die Grundlagen der Rationserstellung für eine Reduktionsdiät bei Katzen vorgestellt. Jetzt geht es um ein Fallbeispiel aus meiner Praxis: Kater Sammy konnte mit Hilfe einer individuell angepassten Diät und des Engagements seiner Besitzer sein Gewicht von über 8kg auf 5kg reduzieren.

Einleitung

Sammy ist ein 3-jähriger, kastrierter Europäisch-Kurzhaar-Kater. Er wurde im Sommer 2019 von seiner Familie aus dem Tierschutz übernommen. Zum damaligen Zeitpunkt war Sammy mit einem Gewicht von 8,2kg stark adipös. Versuche der Pflegestelle, sein Gewicht zu reduzieren, waren ohne Erfolg geblieben. Durch das starke Übergewicht war Sammy erheblich in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Obwohl er noch ein sehr junger Kater war, fiel ihm das Spielen und Springen schwer, auch das Ersteigen der Treppe in seinem neuen Zuhause machte ihm Mühe. Aufgrund der Leibesfülle konnte er sich nicht mehr optimal putzen, wie an einem teils schuppigen, fettigen Fell, insbesondere im Bereich des hinteren Rückens, zu erkennen war. Insgesamt bedeutete das starke Übergewicht nicht nur eine Gesundheitsgefährdung für Sammy, sondern führte auch zu einer erheblichen Einschränkung seiner Lebensqualität.
Dies wurde von Sammys neuer Familie direkt erkannt. Ebenso die Notwendigkeit, durch eine entsprechende Fütterung auf einen Gewichtsverlust hinzuwirken. So wurde ich mit der Erstellung einer individuell angepassten Futterration für Sammy beauftragt.

Zum Glück war Sammy trotz seines Übergewichtes organisch gesund; dies hatte eine noch durch den Tierschutz vor Abgabe veranlasste tierärztliche Untersuchung inkl. Blutbild ergeben. Somit konnte für ihn eine Ration basierend auf den Prinzipien hoher Proteingehalt, hoher Anteil an unverdaulichen Fasern und niedriger Fettgehalt erstellt werden.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page18 Image2Auf zum Idealgewicht!

Zunächst musste Sammys Idealgewicht ermittelt werden (siehe Teil 1 des Artikels).
Bei Sammy wurde ein Body Condition Score von 4,5/5 festgestellt, d.h. Rippen und Wirbelsäule waren kaum mehr palpierbar, die Taille war verschwunden, es gab deutliche Fettablagerungen über dem Brustkorb, an Wirbelsäule und Bauch. Er hatte ein Übergewicht von 30 – 45 Prozent (= 130 – 145 Prozent des Idealgewichtes).
Sammys Idealgewicht wurde unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des BCS wie folgt festgelegt:

Idealgewicht = 100 ÷ (Prozentsatz des Idealgewichtes) x aktuelles Körpergewicht

Sammys Idealgewicht liegt damit zwischen 6,3kg (100 ÷ 130 x 8,2) und 5,6kg (100 ÷ 145 x 8,2).
Da Sammy mit Blick auf Kopfform und Knochenbau recht feingliedrig wirkte, wurde als Idealgewicht 5,6kg festgelegt. Dies entspricht eher dem Standard einer Europäisch Kurzhaar.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page19 Image2Berechnung der Ration

Nun musste eine Ration berechnet werden, mit deren Hilfe Sammy sein Idealgewicht erreichen konnte. In der Praxis hat es sich bewährt, mit einer Ration zu beginnen, die 30 – 35 kcal umsetzbare Energie pro kg idealem Körpergewicht (KG) pro Tag enthält und dann, je nach Gewichtsentwicklung, hinsichtlich des Energiegehaltes angepasst wird. Da Sammys Idealgewicht mit 5,6kg festgelegt wurde, sollte der Energiegehalt seiner Ration 168 – 196 kcal pro Tag betragen.
Basierend auf diesen Vorgaben wurde unter Rückgriff auf kommerziell erhältliche Diät-Fertigfutter (Nass- und Trockenfutter kombiniert) eine Ration berechnet, die hinsichtlich der Versorgung mit Proteinen, Fetten, Vitaminen und Mineralstoffen bedarfsdeckend war. Mit einem Energiegehalt von 172 kcal/Tag lag diese eher am unteren Ende der Berechnungen. Der Ration wurden lediglich etwa 10g/ Tag Zellulose und 500 mg/Tag L-Carnitin hinzugefügt. Zellulose ist ein unverdaulicher Faserstoff. Mit Wasser angerührt unter das Nassfutter gemischt, erhöht es das Futtervolumen deutlich und trägt zur Sättigung der Katze bei. Des Weiteren sorgt ein hoher Faserstoffanteil dafür, dass das Futter länger im Magen verweilt; auch dies führt zu einer länger anhaltenden Sättigung. Das ist für den Erfolg der Reduktionsdiät sehr wichtig, denn wenn die Katze schnell wieder Hunger hat und ständig bettelt, werden die Besitzer in aller Regel kleine Extraportionen füttern, was den Erfolg der Diät gefährdet und völlig zunichtemachen kann. Auch wirkt sich die Zellulose auf eine geregelte Darmtätigkeit aus: Da übergewichtige/adipöse Katzen häufig aufgrund ihrer Bewegungsunlust bzw. -unfähigkeit zu Darmträgheit und Verstopfung neigen, ist dies von Vorteil.
THP 4 20 aktualisiert 24820 Page19 Image1L-Carnitin ist eine nichtessenzielle Aminosäure, die die Umwandlung von Fett in Energie unterstützt und somit einen positiven Einfluss auf den Gewichtsverlust hat.
Bei der Zusammenstellung der Ration ist es sehr wichtig, dass der Katze das Futter schmeckt. Auf keinen Fall darf eine übergewichtige Katze dazu gezwungen werden, ein bestimmtes Futter zu fressen, indem ihr nichts anderes angeboten wird, und man so in Kauf nimmt, dass das Tier hungert. Schon nach wenigen Tagen ohne bzw. mit nur unzureichender Nahrungsaufnahme kann sich eine hepatische Lipidose (Fettlebersyndrom) entwickeln, die – selbst wenn sie frühzeitig erkannt und behandelt wird – oft zum Tod führt.
Des Weiteren muss die Ration in ihrer Zusammensetzung auch den Vorlieben bzw. Möglichkeiten der Besitzer entsprechen, nur dann kann die nötige Konsequenz, nur genau diese Ration zu füttern, erzielt werden, was von größter Bedeutung für den Erfolg des Diätprogrammes ist. So ergibt es keinen Sinn, einem überzeugten BARFer eine Ration vorzuschlagen, die rein auf kommerziellem Trockenfutter basiert. Auf der anderen Seite wird eine alleinerziehende, berufstätige Mutter keine Ration befolgen können, die sie täglich frisch zubereiten muss und die aus vielen verschiedenen, einzeln abzuwiegenden Komponenten besteht. Unterm Strich ist es lediglich wichtig, dass die Ration bedarfsdeckend hinsichtlich aller benötigten Nährstoffe ist.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page20 Image1Praktische Umsetzung

Damit die Reduktionsdiät Erfolg hat, ist es von enormer Bedeutung, dass die Besitzer konsequent alle Futterbestandteile abwiegen (eine Portionierung „nach Augenmaß“ oder mit Hilfe von Messbechern o.ä. führt in der Regel dazu, dass zu viel Futter gegeben wird) und ausschließlich die berechnete Ration füttern. Die Katze darf keinerlei Leckerli erhalten, die nicht in die Ration eingerechnet sind. Dem Besitzer ist deutlich zu machen, dass die Diät ansonsten keinen Erfolg haben kann und dass die beste Rationsberechnung nichts nützt, wenn er sie nicht konsequent umsetzt.
Weiterhin gilt, vor allem zu Beginn der Diät, dass die Katze regelmäßig und engmaschig, d.h. 1 x pro Woche, gewogen wird. Die Katze kann nur gesund abnehmen, wenn sie wöchentlich zwischen 0,5 und 2 Prozent ihres jeweiligen Körpergewichtes verliert. Die „rote Linie“ liegt bei maximal 3 Prozent des Körpergewichtes. Ein stärkerer Gewichtsverlust birgt die Gefahr, dass die Katze eine hepatische Lipidose entwickelt.
Sammys Besitzer haben sich von Anfang an konsequent an die berechnete Ration gehalten. Sammys Gewichtsentwicklung wurde in vorbildlicher Weise sogar täglich dokumentiert. Auf diese Weise konnte seine Gewichtsentwicklung sehr genau verfolgt werden.
Sammys Diätprogramm lief über insgesamt 40 Wochen. Nach 24 Wochen war das ursprünglich als Idealgewicht festgelegte Gewicht von 5,6kg erreicht. Da Sammy aber immer noch etwas „rundlich“ wirkte und restliche Fettablagerungen an Wirbelsäule und Bauch erkennbar waren, wurde zusammen mit den Besitzern ein neues Idealgewicht von 5,0kg festgelegt. Dieses wurde nach 40 Wochen erreicht. Die durchschnittliche Gewichtsabnahme pro Woche betrug 0,8 Prozent und schwankte zwischen den Extremen +0,9 und -3,2 Prozent. Sammy hat in dieser Zeit 39 Prozent seines ursprünglichen Körpergewichtes abgenommen. Um die Relationen zu verdeutlichen: Bei einem 80kg schweren Menschen bedeutet ein Übergewicht von 39 Prozent, wie Sammy es mit sich herumtrug, ein zusätzliches Gewicht von 31,2kg, also insgesamt 111,2kg!

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Erhaltungsration

Nachdem Sammy sein Idealgewicht von 5,0kg erreicht hatte, ging es darum, die Ration so anzupassen, dass dieses Gewicht auch gehalten werden kann. Der Energiegehalt der Ration muss vorsichtig angehoben werden, damit das Gewicht nicht wieder ansteigt. Als Orientierung kann eine Steigerung des Energiegehaltes um zunächst nicht mehr als 10 Prozent gelten. In Sammys Fall enthielt die Erhaltungsration 186 kcal/Tag. Damit ist sein Gewicht aktuell stabil. Eine engmaschige Kontrolle durch Wiegen ist nach wie vor wichtig, um die langfristige Entwicklung nachzuvollziehen und den Energiegehalt der Ration je nach Bedarf anzupassen.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page22 Image3Flankierende Maßnahmen

Neben einer exakten Einhaltung des Fütterungsplanes haben Sammys Besitzer von Beginn an wichtige flankierende Maßnahmen umgesetzt. So musste sich Sammy den Trockenfutteranteil seiner täglichen Ration „erarbeiten“: Die Besitzer haben die Trockenfutterkroketten einzeln geworfen, und Sammy musste viel laufen, um die Kroketten zu erreichen. Außerdem führten die Besitzer regelmäßig interaktive Spieleinheiten mit Sammy durch. Auf diese Weise wurde der Aufbau von Muskelmasse gefördert.
Sie setzten Futterspiele und Foodpuzzles wie den „Pipolino“® ein. So wird die Katze auch geistig gefordert, da sie sich die richtige „Bedienung“ dieser Foodpuzzles erst erarbeiten muss. Diese Art der Fütterung hat den Vorteil, dass die Katze ihre Eigenschaft als Jäger deutlich besser ausleben kann, als wenn Futter ausschließlich im Napf serviert wird. So wird Langeweile vorgebeugt und für ein abwechslungsreicheres, den artspezifischen Bedürfnissen der Katze entsprechendes Leben gesorgt. Dies ist insbesondere für Wohnungskatzen von großer Bedeutung, da diese kaum Gelegenheit dazu haben, ihr gesamtes Verhaltensrepertoire auszuleben.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page22 Image1Fazit

Das Fallbeispiel zeigt, dass die erfolgreiche Durchführung eines Programmes zur Gewichtsreduktion entscheidend auch von der Mithilfe der Besitzer abhängt. Diese zu gewährleisten, ist in der Praxis nicht immer einfach:

1. Übergewicht wird vielfach verharmlost und nicht als eigenständige Krankheit gesehen – die Katze ist einfach nur „untergroß“ (wie Kater Garfield sagt).

2. Die Notwendigkeit, eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen und einen individuell angepassten „Fahrplan“ zur Gewichtsreduktion erstellen zu lassen, wird nicht erkannt. Stattdessen wird oft das normale Futter der Katze lediglich etwas reduziert. Dies bewirkt in der Regel keinen Gewichtsverlust. Im schlimmsten Fall, bei starker Reduzierung, kann dies eine Mangelernährung der Katze zur Folge haben (siehe Teil 1).

3. Wurde eine Ernährungsberatung in Anspruch genommen, wird die errechnete Ration oft nicht genau umgesetzt. Also: Das Futter wird nicht abgewogen, sondern nach Augenmaß („eine Handvoll“) gegeben, es werden Leckerchen verfüttert, die nicht in die Ration eingerechnet sind. Dies führt dazu, dass die Katze nicht abnimmt bzw. sogar zunimmt, was Frustration auf Seiten der Besitzer und meist einen Abbruch des Diätprogrammes zur Folge hat.

4. Den Besitzern mangelt es an Geduld. Ein Diätprogramm läuft, je nach Ausmaß des Übergewichtes, über viele Wochen (meist ca. 1 Jahr). Während dieser langen Zeit müssen alle Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, was häufig nach einer gewissen Zeit unterbleibt.

THP 4 20 aktualisiert 24820 Page22 Image4Sammys Beispiel belegt, wie gut einer schwer adipösen Katze geholfen werden kann, wenn neben der akkuraten Berechnung und Zusammenstellung einer geeigneten Futterration die Besitzer bereit sind, die notwendigen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Das Diätprogramm verlangt den Tierhaltern einiges ab, ohne deren Engagement geht es nicht. Eine gut berechnete Ration ist nur ein Puzzleteil, das alleine nichts ausrichten kann, wenn nicht alle anderen Maßnahmen gewissenhaft umgesetzt werden.
Die Aufgabe des Therapeuten/Tierernährungsberaters beschränkt sich also nicht darauf, eine für die Gewichtsreduktion geeignete Ration zu entwerfen. Das Gewichtsreduktionsprogramm der Katze muss darüber hinaus engmaschig im persönlichen Kontakt zu den Besitzern begleitet werden, um deren Motivation aufrechtzuerhalten und für die genaue Umsetzung aller Maßnahmen zu sorgen. Nur so kann ein optimales Ergebnis für die Katze erreicht werden!

NICOLE SCHULTE-KULKMANNNICOLE SCHULTE-KULKMANN

TIERHEILPRAKTIKERIN


TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE

Haltungsberatung, Ernährungsberatung (Rationsprüfung und -erstellung), Vorsorge, Geriatrie, Biomolekulare Therapie, spezialisiert auf Katzen

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