Schafe auf Texel - eine besondere Begegnung
Seit Jahrhunderten werden auf der nordholländischen Insel Texel Schafe gehalten. Dort leben ca. 14.000 Schafe zuzüglich 24.000 Lämmer im Frühjahr, was Texel auch den Namen „Insel der Schafe“ verlieh. Berühmt auf dieser Insel ist die Rasse Texelaar, auch Texelsheep genannt. Eine Kreuzung zwischen der alten, um 1920 ausgestorbenen Texeler Schafrasse Pielsterrt, die gute Wolle lieferte, aber relativ wenig Fleisch, und den berühmten englischen Schafrassen Leicester und Wenslaydale. Das weiße Texelaar mit seinem markanten Kopf und stark bemuskelten Hals unterscheidet sich von anderen Schafrassen durch seine ausgeprägte schwarze Nase. Es ist ein mittelgroßes, großrahmiges Schaf. Durch eine genetische Mutation, die das Muskelwachstum fördert, ist das Fleisch von Texelschafen äußerst hochwertig. Die Wolle enthält, geprägt von der rauen, salzigen Seeluft, eine außergewöhnliche Struktur mit hohem Gehalt an Lanolin (Wollfett). Die Wolllänge beträgt zwischen 3 und 12 cm. Texelschafe werden einmal im Jahr geschoren und zweimal im Jahr entwurmt.
Das Texelaar besitzt ein großes Anpassungsvermögen, es verbringt das ganze Jahr über draußen. Selbst die Lämmer können Kälte gut vertragen. Auch wenn die Rasse als winterhart gilt, benötigt sie einen windgeschützten Unterstand und einen Stall. Texelschafe werden 5 – 7 Jahre alt. Die Mutterschafe lammen jährlich. Im Oktober wird der Schafbock mit einem Deckblock, den er auf der Brust trägt, auf die Weide gelassen. Dieser wird benötigt, um das Schaf während des Deckaktes anzufärben. Somit weiß der Bauer, welches Schaf bereits gedeckt wurde. Die Deckblöcke haben jede Woche eine andere Farbe, was dazu dient, dass man dadurch den Zeitpunkt der Geburt ziemlich genau einschätzen kann. Die Trächtigkeitsdauer liegt bei 5 Monaten minus 5 Tage.
Abhören der Herztöne
Abhören der Pansengeräusche
ANATOMIE
Schafe besitzen 32 Zähne. 12 Backenzähne im Oberkiefer und 12 Backenzähne im Unterkiefer. Ihre 8 Schneidezähne sind nur im Unterkiefer vorhanden und dienen, wie eine Art Haartrimmer, zum Abschneiden von Gras. Schafe haben, wie andere Wiederkäuer auch, eine Kauplatte im Oberkiefer, dort, wo bei anderen Säugern die Schneidezähne sind. Ihr Viermagensystem, bestehend aus den Vormägen Pansen (Rumen), Netzmagen (Reticulum) und Blättermagen (Omasus), und einem Hauptmagen, dem Labmagen (Abomasus), dient der Aufspaltung diverser Nährstoffe aus Gras und Heu. Ein Schaf wiederkäut 4 – 6 Mal pro 24 Stunden, und das für jeweils 10 – 15 Minuten. Texel besitzt übrigens ein kleines Schafmuseum, in dem man alles Wissenswerte über Schafe, angefangen von der Anatomie bis hin zur Vermarktung von Käse, Fleisch und Wolle, lernen kann.
ARBEIT MIT DEN SCHAFEN
In einem traumhaft schönen, kleinen Örtchen namens De Waal begann der Tag mit einem Treffen auf dem Schafhof von Koos Tjepkema. Ein bekannter und angesehener Schafzüchter, der schon mehrere Preise mit seinen Tieren
gewonnen hat. Meine Anliegen waren die Haltung und Ernährung seiner 450 Texelschafe und das Vorkommen von Schafkrankheiten auf dieser holländischen Insel. Herr Tjepkema berichtete, dass seine Schafe ganzjährig draußen seien und die Lämmer im Frühjahr auf der Weide bis zu 3 Monate bei ihrer Mutter bleiben dürfen. Wir sprachen über eine Erkrankung, die auch vor den holländischen Schafen keinen Halt macht: die Moderhinke, wie wir sie hierzulande nennen. Diese schmerzhafte, ansteckende Krankheit wird durch das Bodenfäulnisbakterium Dichelobacter nodosus verursacht. Meist betrifft es die Klauen der Vorderbeine und zwingt die Schafe beim Fressen buchstäblich in die Knie.
Wir sprachen über diverse Vorbeugemaßnahmen. Herr Tjepkema zeigte mir eine Schaumstoffmatte, die er mit Kupfersulfat tränkt, worauf die Tiere laufen müssen. Dies verhindere, dass seine Schafe nicht in Versuchung kommen, das chemische Gemisch aufzunehmen, denn Kupfer ist in hohen Dosen giftig für Schafe. Es wird in der Leber gespeichert. Die Speicherkapazität der Leber von Schafen erschöpft schneller als bei anderen Tieren, was zur Folge hat, dass Kupfer nach Überschreiten der Speicherkapazität schlagartig in großen Mengen freigesetzt wird. Es kommt zur Auflösung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) und kann dann durch eine einsetzende hämolytische Krise schnell zum Tod füh-
Fläschchen für die Lämmer
Überprüfung der Gelenke
Wenn ein Schaf auf dem Rücken liegt, besteht akute Gefahr! Es muss sofort gehandelt und dem Schaf Unterstützung zum Umdrehen gegeben werden
ren. Leider gibt es immer noch Länder, wo Schafe durch Kunststoffwannen mit Kupfersulfat laufen und in Gefahr kommen, durch Stehenbleiben davon zu trinken.
Wir diskutierten über das letzte „Outbreak“ vom Blauzungenvirus Serotyp 3, das Anfang September 2023 die Niederlande heimsuchte und im Oktober Texel erreichte. Das Blauzungenvirus wird durch Gnitzen (Culicoides sp.), einer kleinen Fliegenart, übertragen. Es befällt Rinder, Ziegen, Schafe und Kameliden. Von all den genannten Tieren trifft es Schafe besonders hart. Symptome sind hohes Fieber (bis 42 °C), geschwollene Zunge, Appetitlosigkeit, Speicheln und Lethargie. Es wurden auch Läsionen im Maul und an der Zunge beobachtet sowie einige Todesfälle. Tiere mit
Ein herzliches Dankeschön an Koos Tjepkema (r.) für den Einblick in seine Schafzucht und an Henkjan Klok (l.) für die begleitende Hilfe sowie das Fotografieren meiner Arbeit
Mithilfe von Dr. Orthmann gelangte das Schaf wieder in die richtige Lage. Ihm ging es nachher wieder gut, es wurde jedoch noch eine Weile auf Auffälligkeiten beobachtet
Anzeichen von Symptomen müssen vom Bestand getrennt werden. Tierärzte können nur symptomatisch behandeln, da es derzeit noch keine durchschlagende Therapieform hierfür gibt. Eine Impfung gegen Serotyp 3 ist nicht vorhanden. Laut Herrn Tjepkema gibt es immer wieder vereinzelt Schafe, die durch eine sehr gute Immunlage diese Viruserkrankung überstehen.
Ein weiteres Thema war das Vorhandensein von Endo- und Ektoparasiten. Das Endoparsitenspektrum bei Schafen ist allgemein nicht gerade klein. Meist sind es Nematoden (Fadenwürmer), aber auch Lungenwürmer, Leberegel und Kokzidien können vorkommen. Der Bandwurm Moniezia expansa wird auf Texel schon lange nicht mehr beobachtet, was wahrscheinlich daran liegt, dass regelmäßig Kotuntersuchungen vorgenommen werden und die Entwurmung zweimal jährlich stattfindet. Im Moment sind noch keine Resistenzen auf der Insel bekannt. Herr Tjepkema verfüttert zusätzlich ein Spezialfutter in Form von Pellets, das die Pflanze Esparsette enthält. Eine Studie belegte ein Rückgang von 25 Prozent von Endoparasiten speziell von Magen- und Darm-Würmern in Schaf und Ziege. Ektoparasiten wie Haarlinge, Läuse, Zecken, Milben und Schaflausfliegen sind rar auf Texel, was nicht bedeutet, es gibt sie nicht. Keine Beobachtungen derzeit an Tjepkemas Tieren. Und sollte doch einmal ein immungeschwächtes Tier damit befallen sein, dann setze er ein für Nutztiere zugelassenes und erprobtes Ektoparasitikum ein.
UNTERSUCHUNGSGANG SCHAF
Mir wurde ein Texelaar-Schafbock vorgestellt, der zunächst gesund erschien. Angefangen am Kopf betrachtete ich die
Augen, das Gebiss und die Kauplatte. Das Tier wies einen normalen Zahnbestand und eine stabile Kauplatte auf. Der Rahmen des Tieres war in einem guten Zustand, was bedeutet, es stand gut im Futter. Keine Hautveränderungen, auch die Exkremente schienen normal. Herztöne kräftig und regelmäßig. Am rechten Hinterbein entdeckte ich eine Verdickung. Das Klauengelenk war geschwollen. Es wies äußerlich keine Wunde auf. Wir sprachen über diverse Therapieformen von Heel ad us. vet., antiseptische Umschläge und Klauenpflege. Ich riet ihm, sollte die Schwellung weiter anhalten oder sich verschlimmern, dass es ratsam wäre, ein Antibiotikum, ein entzündungshemmendes Medikament und ein Schmerzmittel vom Tierarzt einzusetzen.
PAT-WERTE SCHAF
Puls erwachsenes Tier 60-80 Schläge/min
Puls Jungtier bis 1 Jahr 80-96 Schläge/min
Puls Lamm 100 – 116 Schläge/min
Atemfrequenz erwachsenes Tier 16 – 30 Atemzüge/min
Atemfrequenz Lamm 20-40 Atemzüge/min
Körpertemperatur
erwachsenes Tier 38,5-39,5 grad Celsius
Körpertemperatur Lamm 38,5-40,0 grad Celsius
FAZIT
Bei einem Schaf, das seinen Appetit verloren hat, lethargisch geworden ist, zu aufgeregt oder übernervös ist, das entzündete Augen hat, wenn Fieber angestiegen ist oder Durchfall begonnen hat, ist es notwendig, es vom Rest des Bestandes zu trennen und den Tierarzt einzuschalten. Denn
hinter all diesen Symptomen kann eine gefährliche Infektionskrankheit stecken.
WISSENSWERTES AUS TEXEL
SCHAFZUCHTTAG
Jedes Jahr am ersten Montag im September findet in Den Burg, der Hauptstadt von Texel, ein Schafzuchttag statt. Es kommen Züchter aus aller Welt.
GRÜNER SCHAFKÄSE
Der grüne Schafkäse war in frühen Jahren ein ganz besonderes Produkt der Käserei auf Texel. Der Grund hierfür war, es wurde ein Extrakt aus frischem Schafmist dazugegeben, der dem Käse einen besonderen Geschmack und seine grüne Farbe verlieh. Die Herstellung dieses Käses ist inzwischen eingestellt.
VERDREHT
Aufgrund ihrer starken Bewollung kann es vorkommen, dass ein Schaf nach einem starken Regenguss auf dem Rücken liegt. Der Grund hierfür ist ein getrocknetes Fell, das zu jucken beginnt. Um den Juckreiz zu stoppen, beginnt das Tier sich zu wälzen, schafft es dann aber nicht, aufgrund der Schwere seines Felles wieder auf die Beine zu kommen. Hier muss sofort gehandelt werden! Denn jede Minute zählt. Sonst kommt der Stoffwechsel des Tieres zum Erliegen und das Schaf ist nicht mehr zu retten. Also: Ran ans Tier! Tief ins Fell greifen und kräftig anschubsen (von dorsal nach ventral). Danach wird der Bauer oder Schäfer informiert, denn ein solches Tier muss weiter beobachtet werden. Sollte das Schaf nach seinem Abenteuer wieder zu pinkeln beginnen, ist das Schlimmste überstanden. Die allgemeine Notfallnummer lautet 144.
Petra Jericke
DAS SCHAF NAMENS DOUBLE DIAMOND
2020 wurde ein 6 Monate altes Texelschaf in Schottland auf einer Auktion zum stolzen Preis von 412.000 Euro verkauft und somit als das teuerste Schaf der Welt bekannt.
HEILPRAKTIKERIN TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE Orthomolekularmedizin, Labordiagnostik, Parasitologie, Mykotherapie, Horvi-Therapie, Phytotherapie, Dozentin an den Paracelsus Gesundheitsakademien
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