Zum Hauptinhalt springen

Vegane Ernährung des Hundes

Als Carnivoren (Fleischfresser) werden Hunde normalerweise fleischlastig ernährt. Je höher der Fleischanteil, desto besser für den Hund – heißt es. Schließlich stammten Hunde von Wölfen ab, und diese benötigen viel Fleisch. Aber stimmt das überhaupt? Nein, denn unberücksichtigt blieb bei dieser Aussage, dass eine fleischlastige Fütterung, wie wir sie heute praktizieren, in der Domestikationsgeschichte von Hunden eher unüblich war und ein hoher Fleischanteil in den Rationen erst in den letzten Jahrzehnten populär wurde.

WIE WURDEN HUNDE FRÜHER ERNÄHRT?


Um dieser Frage nachgehen zu können, bedarf es eines kurzen Blickes zurück in die Entwicklungsgeschichte des Hundes, in der durch einen sehr komplexen und bisher noch wenig verstandenen Prozess im Laufe der Zeit aus Wölfen Hunde wurden. Diverse Forschungsergebnisse lassen schlussfolgern, dass der Beginn der Entwicklung vom Wolf zum Hund in der Zeit der Jäger und Sammler lag und die zahlreichen Rassen unserer heutigen Haushunde den Höhepunkt der Domestizierung darstellen. Als einen entscheidenden Schritt in dieser Entwicklung sieht die Wissenschaft das Aufkommen der Landwirtschaft und die damit zusammenhängenden veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen an, und damit entsprechend auch die neue Fütterungsweise von Hunden. In der neolithischen Revolution vor ca. 10.000 Jahren wurden die Menschen sesshaft und begannen mit dem Ackerbau. Sie gingen nicht mehr jagen und ernährten sich zunehmend von stärkehaltigen Getreideerzeugnissen, die sie selbst anbauten. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass ab dieser Zeit die Ernährung in einigen Regionen der Welt aus pflanzlichen Lebensmitteln bestand und Hirse ein Grundnahrungsmittel war. Durch die Domestizierung von Tieren wie Schafen und Rindern war Fleisch zwar regelmäßiger verfügbar, jedoch wurden diese Tiere eher für die Milch- bzw. Wollproduktion oder als Arbeitstiere gehalten, und nicht für den Fleischkonsum. Entsprechend veränderte sich auch die Ernährung der Hunde, da diese nun vorrangig stärkehaltige Essensreste bekamen, die sich deutlich von der fleischlastigen Wolfsnahrung unterschieden.

WIE HAT SICH DIE VERDAUUNG VON HUNDEN VERÄNDERT?


Die beschriebene Entwicklung hatte deutliche Auswirkungen auf die Verdauung von Hunden. So konnte u. a. belegt werden, dass sich bei der gesamten Hundepopulation weltweit die AMY2B-Kopiezahl gesteigert hat. Bei AMY2B handelt es sich um ein Gen, das die genetische Anleitung für die Produktion des Verdauungsenzyms Amylase enthält. Dieses Enzym ist dafür verantwortlich, dass die Stärke, die z. B. in (Pseudo-)Getreide und Knollen vorhanden ist, aufgespaltet und verwertet werden kann. Eine hohe Kopiezahl des

AMY2B-Gens belegt die Fähigkeit von Hunden, Stärke gut verdauen zu können. Diese Fähigkeit besitzen Wölfe nicht. Allerdings scheint sich dieser Anpassungsprozess vor allem auf diejenigen Hundepopulationen ausgewirkt zu haben, die aus Regionen stammen, in denen in prähistorischen Zeiten Landwirtschaft betrieben wurde. Daraus könnte geschlossen werden, dass dieser Unterschied mit der Entwicklung und Verbreitung der landwirtschaftlichen Gesellschaft in den meisten, aber nicht allen Regionen der Welt verbunden ist. Auch wiesen die damaligen Hunde eine geringere Körpergröße auf, was mit einer geringeren Beißkraft einhergeht und ein kleineres Jagdgebiet vermuten lässt. Das wiederrum soll auch Auswirkungen auf die Ernährungsweise der frühen Hunde gehabt haben und lässt die Vermutung zu, dass sich Hunde im Laufe der Zeit immer mehr an die Ernährungsgewohnheiten der Menschen angepasst haben. So sollen sie sich in menschlicher Nähe niedergelassen und aufgrund des Angebots an Nahrung die Jagd im Rudel eingestellt haben. Wenn sie doch jagten, erbeuteten sie kleine Tiere, wie Vögel oder Mäuse, die sie allein töten konnten. Das entspricht jedoch eher dem Jagdverhalten von Füchsen, Kojoten und Schakalen, und nicht dem von Wölfen, die das Jagen großer Tiere im Rudel präferieren.
Archäologische Funde zeigten zudem, dass bereits in der frühen Domestikationsphase eine signifikante Diversifizierung der Ernährung bei den frühen Hunden stattgefunden haben muss, was ihre heutige große Anpassungsfähigkeit an verschiedene Ernährungsformen erklären könnte. So unterschied sich die Ernährung von Hunden je nach Region, in der sie in menschlicher Nähe lebten: In Meeresnähe schienen sie sich, analog zu den dort lebenden Menschen, hauptsächlich von Meerestieren ernährt zu haben, in ländlichen Regionen dagegen eher von Pflanzen und kleinen Landtieren. Unabhängig davon, wo auf der Welt die Hunde lebten, kann die menschliche Umgebung als die natürliche des Hundes angesehen werden..

SIND DIE FANGZÄHNE VON HUNDEN EIN INDIZ FÜR FLEISCHLASTIGE ERNÄHRUNG?


Obwohl Hunde Fangzähne haben, die denen von Wölfen ähneln, stellen sie kein Indiz für die Notwendigkeit einer fleischlastigen Ernährung dar. Das lässt sich am besten anhand von freilaufenden Hunden erklären, die aktuell

geschätzt über 75 Prozent der weltweiten Hundepopulation ausmachen. Obwohl diese Hunde jagen könnten, halten sie sich lieber in der Nähe menschlicher Siedlungen auf und sind in erster Linie einsame Aasfresser, die sich überwiegend und wahllos von menschlichen Abfällen ernähren. Analysen der Ernährungsweise freilaufender Hunde haben gezeigt, dass sie größtenteils Getreide und menschlichen Kot fressen. Wölfe hingegen sind spezialisierte Jäger, die ihre Fangzähne zum Erbeuten großer pflanzenfressender Huftiere zwingend benötigen.

WANN WURDE VIEL FLEISCH FÜR HUNDE POPULÄR?

Bis vor ungefähr 60 Jahren war es noch völlig normal, Hunden die Tischabfälle vom Vortag zu verfüttern. Erst in der Zeit danach galt diese Fütterungsform zunehmend als unangemessen, da Hunde nimmer mehr zu gleichberechtigten Familienmitgliedern avancierten, die nur das beste Futter bekommen sollten. Kommerzielles Fertigfutter erfreute sich immer größerer Beliebtheit, und Marketingmaßnahmen ließen die Fütterung von Hunden kompliziert und gefährlich erscheinen. Zu groß sei die Gefahr einer Mangelversorgung. Selbst für den Hund zu kochen erschien mehr und mehr abwegig, und die einfache Handhabung des Fertigfutters machte es zur präferierten Fütterungsart. Zusätzlich brachte die Industrialisierung der Landwirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe an Innovationen, wie etwa Düngemittel und landwirtschaftliche Maschinen, hervor. Die Massentierhaltung entstand und Rohstoffe wie Fleisch und Getreide konnten günstig hergestellt werden, was in einer vermehrten Verfügbarkeit resultierte. Ab diesem Zeitpunkt war Fleisch kein wertvolles Gut mehr und wurde nicht nur von Menschen in immer größeren Mengen verzehrt, sondern zunehmend auch an Hunde verfüttert. Während früher die Tischabfälle aus Kostengründen kaum Fleisch enthielten und in Zeiten von Kriegen das Fleischangebot enorm begrenzt war, wird heutzutage ein hoher Fleischanteil für Hunde als Notwendigkeit und Kriterium einer vollwertigen Fütterungsweise angesehen. Inzwischen enthält Hundefutter hochwertige Fleischteile, z. B. Muskelfleisch, das auch für den menschliche Verzehr geeignet wäre. Ganz nach dem Motto: Nur das Beste für den Hund. Auch eine BARF-Fütterung wird heutzutage als optimal angesehen, da sie der Ernährung des Wolfes am nächsten kommen soll. Unter BARF ist „Biologisch artgerechtes rohes Futter“ zu verstehen, bei dem rohes Fleisch, Innereien, Knochen, Obst und Gemüse verfüttert werden, um so ein Beutetier, das Wölfe in freier Wildbahn erlegen, bestmöglich nachzubilden. Der Anteil an tierischen Lebensmitteln ist dabei mit bis zu 80 Prozent enorm hoch. Diese fleischbetonte Fütterungsform entspricht unter Berücksichtigung der Domestikationsgeschichte des Hundes jedoch nicht ihrer natürlichen Ernährungsweise.

KÖNNEN HUNDE VEGAN ERNÄHRT WERDEN?


Es wäre durchaus möglich, denn umgekehrt wirft sich die Frage auf, ob Hunde Fleisch überhaupt benötigen, wenn der Großteil von ihnen nachgewiesenermaßen stärkereiche Lebensmittel wie (Pseudo-)Getreide oder Knollen gut verdauen kann. Zunächst gilt der gleiche Grundsatz für Hunde wie für Menschen: Der Körper benötigt bestimmte Nährstoffe, nicht Lebensmittel. Fleisch und andere tierische Produkte enthalten zwar bestimme Nährstoffe wie Proteine, aber keines dieser Lebensmittel hat das Monopol auf einen bestimmten Nährstoff, da es immer pflanzliche Alternativen gibt.

Wenn wir z. B. das Verhältnis des Proteingehalts eines Lebensmittels bezogen auf seinen Kaloriengehalt betrachten,

dann fällt auf, dass Linsen sogar mehr Proteine bezogen auf ihren Kaloriengehalt liefern als Muskelfleisch. Den Proteinbedarf eines Hundes mit veganen Lebensmitteln zu decken, ist daher kein Problem. Auch für das viel umworbene Fischöl gibt es eine sehr gute vegane Alternative. Fischöl, das aus fettreichen Kaltwasserfischen, z. B. Lachsen, gewonnen wird, gilt als besonders gesund, da es die wertvollen Omega-3 Fettsäuren EPA sowie DHA (Eicosapentaensäure, Docosahexaensäure) enthält. Diesen Fettsäuren sollen u. a. antientzündlich und antioxidativ wirken und die Gesundheit des Hundes fördern. Allerdings können Hunde zum einen EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure selbst herstellen, die z. B. in Leinöl reichlich vorhanden ist, zum anderen kann statt Fischöl auch Mikroalgenöl verwendet werden, das eine natürliche Quelle von EPA und DHA ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Nahrungskette, die letztlich dazu führt, dass sich in Kaltwasserfischen so viel EPA und DHA anreichert. Die eigentlichen Produzenten dieser Fettsäuren sind nämlich nicht die Fische selbst, sondern Mikroalgen, die zunächst von Mikroplankton im Meer aufgenommen werden. Mikroplankton wird von kleineren Fischen konsumiert, die dann von den Kaltwasserfischen gefressen werden. Das bedeutet, dass sich das EPA und DHA in diesen Fischen aufgrund ihrer Nahrung anreichert, wobei die eigentliche Quelle Mikroalgen sind. Anstatt den „Umweg“ über Fische zu gehen, kann entsprechend auf Mikroalgenöl gesetzt werden, um den Hund von den gesundheitlichen Vorteilen profitieren zu lassen.
Auch die Studienlage lässt Vermutungen zu, dass die vegane Hundeernährung eine geeignete Alternative sein kann, da bislang keine gravierenden negativen Gesundheitsfolgen bei dieser Fütterungsform festgestellt werden konnten. Einige Studien weisen sogar auf gesundheitliche Vorteile hin, wobei aktuell eine Wirksamkeit dieser Ernährungsform zur Erhaltung der Hundegesundheit noch nicht belegt ist.

DIE FÜNF KOMPONENTEN EINES VEGANEN RATIONSPLANS


UM HUNDE BEDARFSDECKEND UND VOLLWERTIG VEGAN ZU ERNÄHREN, SOLLTE EIN VEGANER RATIONSPLAN AUS FÜNF KOMPONENTEN BESTEHEN: Proteinquelle (z. B. Linsen oder Bohnen) Kohlenhydratquelle (z. B. Haferflocken oder Hirse) Gemüse/Obst (z. B. Karotten oder Äpfel) Öl (z. B. Hanföl oder Walnussöl) Veganes Ergänzungsmittel

Durch eine Kombination aus diesen Lebensmitteln wird erreicht, dass Hunde optimal mit allen Nährstoffen, die sie benötigen, versorgt werden, wobei auf das richtige Verhältnis der Komponenten zueinander geachtet werden muss. Alternativ kann ein veganes Fertigfutter eingesetzt werden, das jedoch keiner abwechslungsreichen, vollwertigen Fütterungsweise auf Dauer entspricht, sodass es sicher gesünder ist, für den Hund selbst zu kochen.

WORAUF IST BEI EINER VEGANEN FÜTTERUNG ZU ACHTEN?


Es gibt einige Dinge, die bei einer veganen Fütterung von Hunden beachtet werden sollten. Auch wenn der Proteinbedarf von Hunden mit veganen Lebensmitteln mengenmäßig gedeckt werden kann, muss zusätzlich auf die Abdeckung mit allen essenziellen Aminosäuren geachtet werden. Proteine bestehen aus Aminosäuren, wobei acht von ihnen für Hunde als grundlegend gelten und über die Nahrung zugeführt werden müssen. Während tierische Produkte, z. B. Muskelfleisch, Eier und Milchprodukte, alle essenziellen Aminosäuren im ausreichenden Maß enthalten, haben vegane Lebensmittel ein unausgewogenes Aminosäurenprofil. So ist z. B. Methionin nur in unzureichendem 

Maß in veganen Lebensmitteln vorhanden, was eine Supplementierung zwingend notwendig macht. Allerdings ist die Bedarfsdeckung problemlos möglich, da es inzwischen sehr gute Ergänzungsfuttermittel auf dem Markt gibt, die speziell für die vegane Hundeernährung konzipiert wurden und alle benötigten Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Es ist also unkompliziert, eine bedarfsdeckende vegane Ration zusammenzustellen. Unabhängig davon ist das Supplementieren bestimmter Vitamine und Mineralstoffe bei jeder Fütterungsform notwendig, unabhängig davon, ob der Hund fleischlastiges, vegetarisches oder veganes Futter erhält. Fertigfutter ist durch den hohen Verarbeitungsprozess auf sehr viele Ergänzungen angewiesen, auch wenn der Fleischanteil sehr hoch ist.

IST DIE VEGANE HUNDEERNÄHRUNG AUS GESUNDHEITLICHER SICHT ZU EMPFEHLEN?


Eine vegane Fütterung ist nicht nur aus ethischer Sicht sinnvoll, sondern auch aus gesundheitlicher. Viele Hunde leiden an Allergien oder Unverträglichkeiten gegen bestimmte Lebensmittel, und nicht selten sind die Besitzer völlig ratlos und probieren eine Futtersorte nach der anderen aus – meist ohne dauerhaften Erfolg. Eine Reaktion auf tierisches Protein kommt öfter vor als angenommen wird, und häufig weisen betroffene Hunde auch eine gestörte Darmflora auf, die u. a. die Folge einer falschen bzw. einseitigen Fütterung sein kann. Das führt nicht nur zu viel Leidensdruck bei Hund und Besitzer, sondern könnte langfristig auch die Entstehung verschiedener weiterer Krankheiten begünstigen. Eine frisch gekochte vegane Ration wirkt antioxidativ und entzündungshemmend, sodass die Gesundheit des Hundes präventiv gestärkt wird. Sie kann auch im Rahmen einer Ausschlussdiät Anwendung finden, wenn der Hund unter ungeklärten Symptomen, z. B. Juckreiz, Entzündungen oder Verdauungsproblemen, leidet und der Verdacht einer Allergie im Raum steht. Wenn die vegane Ration richtig zusammengestellt ist und ein paar Besonderheiten bei der Zubereitung der veganen Lebensmittel berücksichtigt wurden, kann die vegane Fütterung eine gute Alternative zu herkömmlichen Fütterungsformen sein. Wie beim Barfen erfordert dies jedoch eine gewisse Auseinandersetzung mit der Thematik. Wenn man dazu bereit ist, ist diese Fütterungsform nicht sonderlich kompliziert und lässt sich mit ein wenig Übung gut in den Alltag integrieren. Um sicherzugehen, dass der Hund mit allen Nährstoffen versorgt wird, ist es empfehlenswert, einen individuellen Rationsplan von einem veganen Ernährungsberater für Hunde berechnen zu lassen. Dadurch erhält man nicht nur einen vollwertigen und gesunden Rationsplan, sondern auch die Gewissheit, dass die Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt sind und seine Gesundheit bestmöglich unterstützt wird.

BUCH-TIPP

Andrea Kleist Vegan vs. BARF Kynos Verlag

Andrea Kleist

ERNÄHRUNGSBERATERIN FÜR HUNDE

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE Ernährungsberatung für gesunde und kranke Hunde in allen Lebensstadien, Autorin

KONTAKT
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!