Der Stoffwechsel entgleist - wo geht die Fahrt wohl hin? Fütterungsfehler beim Pferd
Meine bisherigen Pferde haben mich alle mehr als 15 Jahre begleitet. Sämi, mein Haflinger Wallach, ist mit 6 Monaten in mein Leben getreten. Im April diesen Jahres wurde er 7 Jahre alt. Haflinger gehören zu den leichtfuttrigen Rassen, ich muss mir der Fütterung meines Pferdes sehr bewusst sein. Das Futtermanagement stellt manche Besitzer vor Herausforderungen. Diesen sind wir gewachsen, wenn wir uns mit dem Verdauungstrakt des Pferdes und dessen Gesundheit beschäftigen.
ALLGEMEINE FRESSGEWOHNHEITEN
Das Pferd kommt ursprünglich aus der Steppe und legt dort im Schnitt 16 Kilometer am Tag zurück, um Futter zu suchen. Es knabbert hier und da und sucht sich Rinden, Wurzeln, Blätter, Gras und getrocknete Kräuter. Nicht selten frisst ein Pferd dann 15 Kilo Raufutter am Tag, was kein Problem ist, da es so viele Kilometer zurückgelegt hat. Domestizierte Pferde werden gefüttert und müssen nicht mehr auf Futtersuche gehen. Der Stallknecht bringt im zeitlich gut vertretbaren Abstand das Heu oder Saftfutter mit der Karre an und die Pferde sammeln sich um ihre Futterstellen. Hier zählt die Rangordnung, sodass rangniedrigere Tiere oft zu kurz kommen. Steht ein Pferd in Boxenhaltung, ist eine Rangordnung nicht gegeben, sodass die gesamte Portion dem Pferd zufällt.
Bei vielen Fällen, zu denen ich gerufen werde, sind die Pferdebesitzer erst irritiert, wenn ich ihnen sage, dass ihr Pferd an einem Stoffwechselproblem leidet. Doch das gut gemeinte Mash oder die fünfte Karotte am Tag kann auf Dauer Stoffwechsel-Imbalancen hervorrufen.
PROBLEME DURCH FALSCHE FÜTTERUNG
ÜBERGEWICHT
Meist bekommen Pferde zu wenig Kraft- und Raufutter und zu viel Weidegras. Hinzu kommt, dass viele Pferde zu wenig Bewegung haben. Wenn ich ein leichtfuttriges Pferd zu behandeln habe, muss ich diese Faktoren anpassen. Auch bei meinem Sämi muss ich immer wieder die Futterrationen und das Training anpassen. In der Anreitphase bekommt er an Trainingstagen eine Portion mehr an Minera
lien und Proteinen. Auch wenn er frisches Gras frisst, achte ich auf die Menge, und selbst wenn Sämi gerne mehr fressen würde, bin ich streng.
UNTERGEWICHT
Hier muss immer nach der Ursache geforscht werden. Bekommt das Pferd zu wenig Futter und muss zu viel leisten? Ist die Futtermenge an das Training angepasst oder hat das Pferd eventuell Stress im Rahmen der Fütterung? Könnte das Pferd Würmer haben oder sind die Zähne nicht in Ordnung? All diese Fragen müssen beantwortet werden, um richtig behandeln zu können.
DURCHFALL/KOTWASSER
Bei Stress kann Durchfall oder Kotwasser auftreten, wenn zu viel Saftfutter, angefrorenes Futter, zu wenig Raufutter oder verdorbenes Futter (mit z. B. Pilzbefall) aufgenommen wurde oder falsches Anweiden stattfand.
KOLIK
Koliken sind häufig und problematisch. Eine Kolik kann entstehen, wenn zu lange Fresspausen stattgefunden haben. Wir wissen, dass Pferde eine ständige Magensaftproduktion haben, deshalb müssen sie ständig etwas zum Knabbern haben. Die Aufnahme von zu großen Futtermengen stellt den Stoffwechsel vor eine große Herausforderung. Ebenso sollte bei einem Futtermittelwechsel langsam vorgegangen werden, damit der Darm nicht zu sehr belastet wird und die Darmflora gute Arbeit leisten kann. Eine Kolik kann auch durch verdorbenes Futter, zu viel Stärke, Eiweiß oder Zucker ausgelöst werden.
GASTRITIS
Eine Magenschleimhautentzündung ist immer das Ergebnis mehrerer Faktoren. Zu lange Fresspausen und eine Dauerproduktion an Magensäure begünstigen einen Angriff auf die Schleimhaut. Zu viel Kraftfutter und zu wenig Raufutter können ebenfalls Auslöser für eine Gastritis sein sowie verdorbenes oder angefrorenes Futter. Hierbei liegt der Verdacht nahe, dass das Pferd beim Fressen toxische Substanzen aufgenommen haben könnte.
KREUZVERSCHLAG
Ein Zuviel an Kohlehydraten muss nicht nur am Futter liegen, sondern kann auch auf zu lange Trainingspausen zurückgeführt werden, die das Pferd durch einen langen Wanderritt nicht mehr kompensieren kann. Deshalb müssen Fütterungsmanagement und Training angepasst werden.
EQUINES METABOLISCHES SYNDROM (EMS), EQUINES CUSHING SYNDROM (ECS), HUFREHE
Bei Pferden mit Stoffwechselproblemen ist einerseits eine gute Diagnostik wichtig, andererseits ein kundiger Therapeut, der den Besitzer begleitet. Eine Futterumstellung von zu viel Stärke und Zucker auf energiearmes Futter ist ratsam. Ebenso sollte der Mineralstoffhaushalt überprüft wer-
den. Zu wenig Bewegung muss ausgeglichen werden. Bei Hufrehe steht eine Vergiftung mit Medikamenten oder die Aufnahme von Giftpflanzen im Raum.
HAUTERKRANKUNGEN
Zu viel Eiweiß, die Aufnahme von Giftpflanzen oder Mineralstoffmangel können Auslöser für Hauterkrankungen sein. Hierbei könnte z. B. eine Ausleitkur ratsam sein, da diese das System wieder in Balance bringt und dem Pferd neue Energie gibt, da die Haut das größte Entgiftungsorgan ist, über das Tiere und auch wir verfügen.
Ein gutes Futter- und Trainingsmanagement ist unerlässlich, um unsere Pferde lange gesund an unserer Seite zu halten. Mittlerweile gibt es viele Futterexperten, die in puncto artgerechte Ernährung Futterpläne erstellen und Pferdebesitzer in diesen Fragen unterstützen. Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, unsere Pferde so zu ernähren, wie sie sich in der freien Wildbahn oder auf der Alm ernähren würden – hier stehen weder Müsli noch Mash zur Verfügung.
FAZIT
Ein Mehr an Natürlichkeit gibt unseren Pferden ein Mehr an artgerechter Gesundheit zurück. Fütterung von Kräutern, Wurzeln, Rinden und getrockneten Früchten, z. B. Hagebutte, sowie reichlich Raufutter sollte gerade jetzt in der Sommersaison für uns eine Selbstverständlichkeit sein. Ebenso kann man mit einer energiearmen Ernährung ein Pferd lange fit und gesund halten. Daher meine Devise: Für alles ist ein Kraut gewachsen, du musst es nur bewusst deinem Pferd füttern.
Marina Sailer
TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE Pferdetraining, Jungpferde-Ausbildung, Artgerechte Pferdehaltung, Stresspunktmassage für Pferde und Hunde, Laboruntersuchungen, Ernährungsberatung
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