Fellwechsel beim Kaninchen
Der Klimawandel hat uns alle fest im Griff. Die Winter werden immer milder und die Sommer immer heißer. Insbesondere der vergangene Sommer hat sowohl uns Menschen als auch unseren Tieren schwer zugesetzt, da der biologische Rhythmus, der bei unseren Tieren u. a. auch den Fellwechsel betrifft, völlig durcheinandergerät. Physiologisch wechseln unsere Haustiere zweimal jährlich ihr Fell, einmal im Frühjahr, indem die warme Unterwolle abgestoßen wird, und einmal im Herbst, wenn die Tiere ihr Sommerfell verlieren, um der wärmenden Unterwolle für den Winter Platz zu machen. Aufgrund der ständig sprunghaften Temperaturveränderungen befinden sich unsere Haustiere mittlerweile fast das ganze Jahr im Fellwechsel, um die Temperaturunterschiede auszugleichen.
Bei Kaninchen ist der Fellwechsel leider sehr problematisch und kann im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen, da die Fellpflege während des Fellwechsels mit großer Aufnahme von Haaren verbunden ist, wodurch sich insbesondere auch durch das Putzen der Partnertiere untereinander eine schleichende Katastrophe entwickeln kann, da sich im Magen der Tiere Fellbezoare bilden können, die einen Weitertransport des Nahrungsbreies verzögern oder komplett verhindern. Kleinere Bezoare, die man im vorderen Bereich des Magens als kleine, harte „Knubbel“ ertasten kann, können manchmal durch die Gabe von frisch gepresstem Ananassaft und Bauchmassagen aufgelöst bzw. in den Darm weitertransportiert werden. Das in der Ananas enthaltene Enzym Bromelain ist hier der entscheidende Faktor. Ebenso kann Colosan eingesetzt werden, um das „Problem“ zu lösen. Dieses Öl hilft, den Bezoar von der Stelle zu lösen, wirkt gegen Gasbläschenbildung und beruhigt durch seine Inhaltsstoffe wie Zimt, Kümmel, Fenchel und Anis den Magen.
Alternativ kann Rodicare Hairball verabreicht werden. Diese Paste eignet sich auch gut dazu, um sie den Kaninchen vorbeugend während des Fellwechsels zu geben und wird von diesen sehr gerne angenommen.
Fängt das Kaninchen wieder langsam an Kräuter zu nagen und beginnt wieder der Kotabsatz, stehen die Chancen gut, das Fell auf natürlichem Wege aus dem Tier zu entfernen. Stellt sich jedoch nach drei Stunden keine Besserung ein, ist das Kaninchen umgehend einem Tierarzt vorzustellen.
Handelt es sich um einen großen Bezoar, welcher den Magen- oder Darmausgang verschließt, kann dieser oft nur operativ entfernt werden. Da diese OP mit vielen Risiken behaftet und die Toleranzschwelle bei Kaninchen für chirurgische Eingriffe relativ niedrig ist, haben die Tiere nur eine 50-prozentige Überlebenschance. Verschließt ein Bezoar den Magenausgang, sodass der Nahrungsbrei nicht weitertransportiert werden kann, setzt Gärung ein und es bilden sich Gase. Die Tiere leiden unter starken Schmerzen. Die Bauchdecke ist prall gespannt und die Futteraufnahme wird verweigert. Betroffene Kaninchen wirken apathisch, ziehen sich zurück und sitzen mit aufgekrümmtem Rücken zähneknirschend in einer Ecke.
In Folge treten Kreislaufprobleme, Beeinträchtigung der Atmung und sinkende Körpertemperatur auf. Die Schleimhäute sind blass bis bläulich verfärbt und die Tiere liegen vor Schmerzen in Seitenlage. Es besteht Lebensgefahr!
Die Tiere benötigen schnellstmöglich starke Schmerzmittel und Infusionen, um den Kreislauf wieder zu stabilisieren. Anhand von Röntgenbildern kann das Bezoar genau lokalisiert und seine Lage eingeschätzt werden. Nicht selten muss mittels Kontraströntgen kontrolliert werden, inwieweit eine Magen-Darm-Passage noch möglich ist, um eine Entscheidung bezüglich eines chirurgischen Eingriffes zu treffen. Das Tier sollte auf dem Weg zum Tierarzt warm gehalten werden. Ein Kirschkernkissen oder ein Dinkelkissen, das vorher erwärmt wurde, kann seitlich des Tieres in die Box gelegt werden, um den instabilen Kreislauf und die Untertemperatur etwas aufzufangen. Aber bitte keine Wärme von unten! Dies wäre einerseits extrem unangenehm für das Tier und würde andererseits den Gärungsprozess noch antreiben.
Anzeichen für Bezoarbildung
Ein erstes Anzeichen dafür, dass ein Kaninchen zu viel Fell aufgenommen hat, ist das Auffinden von Köttelketten im Gehege oder im Kaninchenklo. Diese Ketten bestehen aus aneinandergereihten, unverdautem Fell-Köttel, die einer Perlenketten ähneln. Auch vermehrt „Fellmäuse“ im Gehege können ein Hinweis auf Fellwechsel sein, der Anlass zur Achtung geben sollte. Vorteilhaft ist es dann, die Tiere mehrfach am Tag zu bürsten. Mit dem im Handel erhältlichen „Furminator“ (eine Art Striegel am Stiel, an dessen Kopf sich kleine, im Zickzack angereihte Messerchen befinden) lässt sich im Frühjahr die Unterwolle leicht entfernen. Der Striegel sollte ohne Druck angewendet werden, um dem Kaninchen keine Schmerzen zuzufügen. Vorsicht ist auch im Bauchbereich geboten, da Kaninchen hier besonders empfindlich sind.
Auch lassen sich mit einem feuchten Waschhandschuh über die Rückenpartie gestrichen zusätzlich lose Haare leicht entfernen.
Zudem kann eine Zusatzfütterung mit Ölsaaten wie Sonnenblumenkernen, Leinsamen oder Kürbiskernen den Abtransport von Fell im Magen begünstigen. Bedacht werden sollte, dass diese Saaten auch kleine Dickmacher sind und nur in Maßen gefüttert werden sollten. Gute Erfahrungen haben wir bei unseren Tieren mit Leinöl und Kürbiskernöl gemacht. Davon ein paar Tropfen über das Frischfutter geträufelt, und die Häarchen haben ihren Weg nach draußen von alleine gefunden. Ebenso hilfreich ist Kokosöl, das zugleich das Immunsystem stärkt und dem Fell Glanz verleiht. Leinkuchen oder Schwarzkümmelchips (im Handel für Pferdefutter erhältlich) bieten sich zur Unterstützung ebenfalls an.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr über Frischfutter (Salate/Blättriges und Wiese) sowie gut gefüllte Wassernäpfe gehören ebenso zur artgerechten Kaninchenhaltung! Um die Kaninchen zu einer höheren Flüssigkeitsaufnahme zu animieren, kann ungesüßter und verdünnter Kräutertee (z.B. Fenchel, Kamille oder Ringelblume) angeboten werden. Und auch ein Schluck zuckerfreier Karottensaft im Trinkwasser wird gerne angenommen.
So lässt sich der Fellwechsel etwas steuern und die Gefahr einer Bezoarbildung oftmals verhindern.
SYLVIA RECH
TIERHEILPRAKTIKERIN
MOBILE TIERHEILPRAXIS IN FELSBERG/SAARLAND
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