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Ataxie beim Pferd: Tellington-Körperbänder können helfen

Behandeln mit den „äußeren Übungen“ der TCM

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bietet längst auch für Tiere ein breites Behandlungsspektrum. Im Rahmen  der fünf Säulen der TCM wird nicht nur mit „spitzen Nadeln“ behandelt. Die Umsetzung der einzelnen Methoden aufs Tier  erfordert zwar etwas Kreativität, führt aber – wie im Falle des Pferdes mit Ataxie – zu erstaunlichen Ergebnissen.

Grundsätzliches

THP 5 18 final Page20 Image1Aus Sicht der TCM gehört die Bewegung unbedingt zum Heilungsprozess dazu. Die Übungen „der äußeren Teile“, also gezielte Bewegungseinheiten, sind demnach für ein Zusammenspiel von physischer, mentaler und emotionaler Balance eines Lebewesens notwendig, um wieder gesund zu werden. Ohne äußere Bewegung bewegt sich auch „innen“ nichts. Unter „Übung der äußeren Teile“ wird die Bewegung von Armen und Beinen, von Rumpf und Kopf verstanden.
Wir nennen es heute eher Kräftigungsübungen oder Heilgymnastik. Sanfte Bewegungsübungen wie das Qigong in der Humanmedizin werden deshalb oft in den Therapieplan mit einbezogen. Hier gilt es, auch für unsere tierischen Patienten Umsetzungsmöglichkeiten zu finden. Für ein Pferd mit spinaler Ataxie habe ich diesbezüglich nach einer Form der Heilgymnastik gesucht, die mit den chinesischen Grundsätzen des körperlichen Übens konform geht und leicht erlernbar ist. Ich wollte Übungen ohne Kraftanstrengung und mit einer sanften Wirkungsweise, für die Koordinierung aller Gliedmaßen allein durch Aufmerksamkeit, für die Wahrung und Wahrnehmung des Gleichgewichts in allen Bewegungsphasen, für das Fließen der Bewegungen ohne Stocken. Alle Bewegungsabläufe sollten reflektorisch gesteuert werden. Das Ganze sollte sich im Freien und mit ruhigem Atem abspielen können und für alle umsetzbar sein, so die TCM-Kriterien. Gefunden habe ich eine Bewegungstherapie mit den Tellington-Körperbändern, die ich hier an einem Fall beschreibe.

Patientengeschichte

THP 5 18 final Page20 Image2Es handelt sich um einen mittlerweile fast 20-jährigen Wallach, der bereits im Alter von 18 Monaten einen Weideunfall mit schweren Folgen erlitt. Der genaue Unfallhergang war nicht nachvollziehbar, aber das Pferd wurde auf der Koppel mit massiver Schwellung im Halswirbelbereich vorgefunden, mit schweren Bewegungsstörungen und dem Erscheinungsbild einer spinalen Ataxie. Diese beinhaltete unkoordinierte Bewegungen, ein Taumeln bei Wendungen, unmögliches Rückwärtsrichten, verbunden mit allgemeinem Stabilitäts- und Gleichgewichtsverlust.
Da es sich um ein für den Rennsport gezogenes englisches Vollblut handelte, bekam es durch eine engagierte Tierärztin noch im Aufzuchtbetrieb eine Akutbehandlung und anschließend, mit ca. 2 Jahren, auch alle weiteren Behandlungen im damaligen Rennstall. Nur aufgrund dieser intensiven Behandlung hatte der Galopper eine Chance auf Genesung.
So hat es der Wallach tatsächlich dreijährig auf die Rennbahn geschafft und galt als sehr chancenreich. Jedoch hielt das Pferd dem mentalen Druck nicht stand und wurde früh aus dem Rennsport genommen. Es kam in beste private Hände und wurde viele Jahre als verlässliches Freizeitpferd geritten und intensiv – orientiert an seinen „Besonderheiten“ und Einschränkungen – trainiert. Erst 2015, da war das Pferd bereits 17 Jahre alt, wurde das Reiten wegen zunehmender neurologischer Störungen eingestellt. Es wurde aber ansonsten vom Boden aus bis heute gearbeitet.
Im Laufe der Jahre haben sich durch Stürze und Abnützungserscheinungen vielerlei Beschwerden dazugesellt, z.B. Spat, Kissing Spines und Headshaking. Durch konsequentes Training und spätere TCM-Behandlungen blieben die Lebensqualität und die Lebensfreude dieses Pferdes bis heute erhalten. Gerade die Körperbandarbeit hat sehr dazu beigetragen. Um die Beweglichkeit zu erhalten, steht das Pferd in Offenstallhaltung mit Sommer-Weidegang. Vielfältige Trainingsmöglichkeiten auf dem Platz, im Round-Pen oder im Gelände ermöglichen das tägliche „Ganzkörpertraining“, zu dem regelmäßig das Körperband angelegt wird.
Hier wird der Effekt der Bänderarbeit bezogen auf die Ataxie beschrieben.

Anamnese

THP 5 18 final Page21 Image2Leider sind die Patientenunterlagen nebst Röntgenbildern aus der damaligen Zeit nicht mehr vorhanden. Es wird aber als Ursache der spinalen Ataxie von einer Verletzung im Bereich des ersten oder zweiten Halswirbels ausgegangen. Wahrscheinlich gab es feine Haarrisse in der Knochensubstanz, an denen sich arthritische Veränderungen an den Wirbeln bildeten, die das Rückenmark über die Jahre mehr und mehr verletzt bzw. eingeengt haben. Die Reizübertragung „nach hinten“ ist daher eingeschränkt, was u.a. das Aufheben der Hinterbeine zur Hufbearbeitung inzwischen ziemlich erschwert. Hier gibt es immer wieder Standunsicherheiten, das Anstellen an die Putzwand erleichtert die Prozedur. Die Vorhand ist überbelastet, es kommt zu „Schlenkerbewegungen“ aus der Schulter heraus, vorne zum Kürzertreten und zum Stolpern. Die Koordination ist immer wieder gestört. Touchieren der Beine hilft an schwierigen Tagen dabei, dennoch gut unterwegs zu sein. Rückwärtsrichten und Bergabgehen fällt dem Wallach schwer. Ein Hänger-Transport ist wegen mangelnder Balance und den Gefahren beim Ein- und Aussteigen nicht möglich. Sedierungen zur Zahnbehandlung sind machbar, ein Ablegen in Vollnarkose nicht. Der Wallach legt sich bislang jedoch noch zum Schlafen und Wälzen hin und kann gut aufstehen. Stürze, Festliegen, sich ins Halfter hängen etc. sind für ihn jedoch massiv gefährlich. Die Muskulatur muss gezielt trainiert werden, damit dieses Manko aufgefangen werden kann. Das Körperband dient dabei ganz besonders dem Training der Hinterhand.

Therapie

Dazu wird der Wallach bereits seit gut 10 Jahren sehr erfolgreich mit dem Tellington-Körperband an der Hand bearbeitet. Die Bänder können auch beim Longieren gut angelegt werden. Ich lasse jedoch kein Pferd „frei“ und unkontrolliert damit laufen. Zum einen beeinträchtigt dies meinen Erfahrungen nach die gezielte Wahrnehmung und mir ist es schlichtweg auch zu gefährlich.

THP 5 18 final Page22 Image1Mit dem Anlegen der Körperbänder gelingt es auf geniale, einfache Weise, die Bewusstheit über den Körper zu unterstützen. Das sanfte Einrahmen des Körpers mit den elastischen Bandagen ermöglicht den Tieren die optimale Selbstwahrnehmung ihrer Körperabmessungen, die Wahrnehmung über ihre Körperlage, der rechten und linken Körperhälfte und dem Gefühl von „oben und unten“ ihres Körpers, der Körperbewegungen sowie die Organisation der einzelnen Körperteile zueinander. Sie lernen sich damit selbst kennen, werden damit auch selbstbewusster. Spannend ist dabei zu beobachten, wie achtsam der Wallach bei den Bewegungsübungen mit den Körperbändern „in sich hineinhört“ und dabei ganz zu sich kommt. Störungen und Reize von außen werden in der Trainingszeit häufig ignoriert. Körper und Geist sind durch die taktilen Reize der Körperbänder anderweitig beschäftigt. Aufgrund dieser starken Intensität und Konzentration ist darauf zu achten, wann es der Reize genug ist und eine Pause oder das Aufhören angesagt ist. Oft reichen 15 Minuten intensives Arbeiten aus.
An dieser starken Eigenwahrnehmung (Propriozeption) sind in erster Linie die Tiefensensibilität und das Vestibularorgan/Gleichgewicht beteiligt. Bestimmte Rezeptoren reagieren dabei sensibel auf den Zustand oder auf Zustandsänderungen des Bewegungsund Halteapparats. Durch die Reizung der Körperregionen mittels der Berührung oder des leichten Drucks durch die Körperbänder werden die entsprechenden motorischen Regionen in Bereitschaft gehalten. Der Körper wird so leichter in die Lage versetzt, mit zweckmäßigen Bewegungen zu reagieren. Es ist also ein Arbeiten mit dem Körperfeedback, welches die Integration der äußeren Informationen bis auf Zellebene möglich macht. So bewegt sich auch „innen“ etwas, ganz so, wie es die „äußeren Übungen“ der TCM vorsehen.
Die Veränderungen in Haltung, Körperspannung und Bewegungsmustern haben bei diesem Pferd zu erstaunlichen Verbesserungen des Gleichgewichts und der Koordination geführt. Die Bewegungen wurden ausdrucksstärker, es gibt weniger Taktstörungen, der Rü- cken ist mehr am Schwingen, die Hinterhand wird aktiver im Untertreten, das Zehenschleifen wird deutlich weniger. Und das alles nur durch das regelmäßige Anlegen und Arbeiten mit den elastischen Bändern 2 – 3 Mal pro Woche. Oft arbeite ich auch mit dem Körperband in Verbindung mit der Dualaktivierung, im Stangenlabyrinth, bei Gelassenheitsübungen, möglichst abwechslungsreich, damit viele Sinne angesprochen werden.

Fazit

THP 5 18 final Page22 Image2Dieses Ergebnis soll dazu motivieren, bei allerlei Störungsmustern im Bewegungsapparat die Arbeit mit den Tellington-Körperbändern in den Trainingsplan einzubeziehen. Die Bänder sind leicht und günstig erhältlich (elastische Pferdebandagen) und mit etwas Übung leicht anzulegen.
Man kann sie immer dabeihaben und an Tagen, an denen Pferden die Bewegung schwer fällt, einsetzen. Selbst das „einfache Spazierengehen“ wird so zu einer kleinen Trainingseinheit. Gerade im Winter mit weniger Möglichkeiten ist die Körperbandarbeit sehr effektiv und hält fit.
Es ist es allemal wert, sich diese Technik einmal zeigen zu lassen, sie ist im Übrigen auch eine tolle Sache für beeinträchtigte Hunde.

UTE CORNELIUSUTE CORNELIUS
TIERAKUPUNKTEURIN
PHYTOTHERAPEUTIN
MOBILE PRAXIS AKUMOBIL

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE

  • Diagnose und Behandlung nach TCM
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Fotos: Cornelius, Skizze: © Fotolia

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