Miasmen in der Homöopathie: Serie – Teil 2
In der letzten Ausgabe von „Mein Tierheilpraktiker“ (Nr. 3/17) haben wir eine neue Homöopathie-Serie gestartet, die sich mit dem Thema Miasmatik befasst. Beim Wort „Miasma“ horchen sowohl Homöopathie-Schüler als auch fertige Therapeuten auf; das Thema hat eine unwahrscheinliche Anziehungskraft und wird in der Fachwelt sehr kontrovers diskutiert. Die Bandbreite reicht von Meinungen wie „Es ist unnötig, sich mit Miasmen zu befassen“ bis zu „Echte Heilung gibt es nur dann, wenn miasmatisch therapiert wird“. Wir möchten uns nicht in diesen Streitigkeiten verstricken, sondern Sie informieren, damit Sie Ihre eigene Meinung entwickeln können. Der folgende Textbeitrag hilft Ihnen beim Verständnis der Psora, nach Hahnemann das Grundlegendste aller Miasmen.
Die Psora …
… ist das am schwierigsten zu verstehende Miasma, weil ihre Symptome so vielfältig sind. Für Hahnemann war sie die „Mutter aller Krankheiten“. Er hat sie auch als „tausendköpfiges Ungeheuer“ bezeichnet. Das Wort „Psora“ kommt wie der Begriff „Miasma“ aus dem Griechischen und bedeutet „Juckreiz“. Unter dem Begriff „Psora“ wurden in medizinischen Kreisen zu Hahnemanns Zeiten verschiedene dermatologische Erkrankungen zusammengefasst. Die Pathologie bzw. Symptome der Psora nach Hahnemanns Verständnis sind jedoch viel weiter gefächert und beschränken sich keineswegs nur auf die Haut.
Die Psora ist eine chronische Erkrankung des Organismus. Werden chronische Erkrankungen nicht (oder falsch) behandelt, breiten sie sich immer weiter im Organismus aus, auf körperlicher Ebene ebenso wie auf der psychischen. Chronische Erkrankungen heilen niemals von alleine aus, außer sie werden richtig – homöopathisch – therapiert.
Schon im Organon beschreibt Hahnemann die drei grundlegenden Miasmen, die für die Entstehung chronischer Erkrankungen ausschlaggebend sind: Syphilis, Sykose und eben Psora, als das am weitesten verbreitete Miasma.
„Unermesslich ausgebreiteter, folglich weit bedeutender als genannte beide (Sykose, Syphilis), ist das chronische Miasma der Psora, bei welcher sich das innre, ungeheure, chronische Miasma ebenfalls erst nach vollendeter innerer Infection des ganzen Organismus durch den eigenartigen, zuweilen nur in einigen wenigen Blüthchen bestehenden Haut-Ausschlag mit unerträglichem Jücken und specifischem Geruche beurkundet. Die PSORA, jene wahre Grund-Ursache und Erzeugerin fast aller übrigen häufigen, ja unzähligen Krankheits-Formen.“
Erscheinungsformen der Psora sind sehr vielfältig, fast jedes Organ kann betroffen sein. Hahnemann listet sowohl psychische Symptome wie Nervenschwäche, Hysterie, Formen von depressiven Verstimmungen u. a. auf als auch eine ganze Reihe körperlicher Merkmale: Krämpfe, Epilepsie, Rachitis, Drüsenschwellungen, Krebs, Gicht, Blutungen, Lungenerkrankungen, Impotenz, Unfruchtbarkeit, Migräne, Augenerkrankungen, Schmerzzustände u.v.m. (s. dazu auch die Übersicht in „Mein Tierheilpraktiker“ 3/17).
Im § 81 Organon 6 schreibt er dazu sinngemäß:
„Dieser uralte Ansteckungszunder geht nach und nach, in einigen hundert Generationen, durch viele Millionen menschlicher Organismen und gelangt zu einer unglaublichen Ausbildung, zu unzähligen Krankheitsformen, welche zur grossen Verschiedenheit chronischer Krankheiten beizutragen pflegen.“
Die Psora kann also die Ursache zahlreicher funktioneller als auch pathologischer Störungen sein. Laut Hahnemann ist sie das Grundprinzip aller weiterer Äußerungen einer Erkrankung. Die psorische Belastung eines Organismus ermöglicht erst, dass weitere Krankheiten eindringen können – damit steht die Psora am Beginn jeder Erkrankung, sie ist die „erste Ursache“, die irgendwann auf der Haut begann.
Aus dem Altertum stammen Krankheitsberichte von Krätze-Erkrankungen, der klassischen psorischen Hauterscheinung. Die Erkrankten wurden damals isoliert und in eigenen Krankenanstalten versteckt, weil alles extrem ansteckend war. Den unschönen und stark juckenden Ausschlag behandelte man mit allen möglichen Präparaten, was aber keine Heilung brachte, sondern nur dazu führte, dass sich die Krankheit in der Tiefe des Organismus versteckte und von dort aus in andere Organsysteme ausbreitete.
In seinem zweiten Hauptwerk, den „Chronischen Krankheiten“, beschreibt Hahnemann die Psora dann auch nicht mehr primär im Zusammenhang mit Erkrankungen der Haut. Er ist der Ansicht, dass das Vorhandensein des psorischen Miasmas der Grund dafür ist, warum eine Krankheit, die schon abgeheilt war, wieder aufflammt bzw. warum der chronisch Erkrankte nach „Heilung“ der einen Erkrankung schon bald darauf eine weitere, häufig noch tiefgreifendere Störung entwickelt. In der heutigen Miasmenlehre unterscheidet man zwischen der erworbenen und der ererbten (hereditären) Psora.
Unabhängig davon, ob der Mensch/ das Tier eine erworbene oder eine hereditäre Psora in sich trägt, und ebenfalls unabhängig davon, ob sie medizinisch unterdrückt oder gar nicht behandelt wird – sie breitet sich im Organismus aus. Dies passiert umso schneller, je mehr in einer Therapie nur Lokalsymptome „weggemacht“ werden anstelle die Grunderkrankung zu berücksichtigen. Je häufiger „weggemacht“, also unterdrückt wird, desto tiefer wandert die Krankheit nach innen, desto weniger Probleme zeigen sich auf der Haut, desto größer wird die Symptomvielfalt und desto schwieriger ist die Krankheit zu erkennen. Die Psora kann im latenten Stadium jahrelang im Organismus versteckt bleiben. Sehr aufmerksame Therapeuten können eine psorische Belastung an Symptomen wie häufige Erkältungsneigung, übergroße Empfindlichkeit gegenüber Witterungsschwankungen, häufiger Wurmbefall, trockene/s Fell/ Haut, Schuppen etc. erkennen.
Dieses „kränkeln“ geht solange dahin, bis der Organismus einmal einer besonders großen körperlichen oder geistigen Belastung ausgesetzt wird – dann verwandelt sich die latente Psora in eine akute Krankheit. Wie oben bereits beschrieben, ist die Symptomvielfalt dann beinahe unendlich, die Essenz ist eine funktionelle Schwäche der Regulationsfähigkeit.
Hier eine kleine Auswahl typischer psorischer Gemütsymptome:
- Ständiger Energiemangel
- Verlustängste
- Sammelleidenschaft (Angst vor Armut)
- Viele Ängste, Stress
- Unentschlossenheit
- Unzufriedenheit, Unruhe, schlechter Schlaf
- Nervöse Darmbeschwerden
- u.v.m.
Typische körperliche Symptome der Psora:
- Ungepflegtes Fell, Haarausfall
- Allergische Entzündungen der Bindehaut, juckende Augen
- Nässender äußerer Gehörgang (auch Pilz, Ekzem), wässriger Ohrausfluss
- Chronischer Nasenkatarrh, Erkrankungen der oberen Atemwege
- Häufige Halsentzündungen
- Maulgeruch
- Unmäßiger Appetit, aber auch Erbrechen/Appetitlosigkeit nach Aufregung
- Blähungen, Rumoren
- Kreislaufstörungen (funktionell!)
- Muskelverspannungen, Stolpern (Kraftmangel)
- u.v.m
Therapie der Psora
Das psorische Miasma ist also sehr vielfältig, die Krankheit steckt tief im Körper und fast jeder Organismus ist betroffen. Um die Kraft des psorischen Miasmas aufzuheben und die Gesundheit von Grund auf wiederherzustellen, reicht es nicht aus, ein Mittel zu verabreichen, das nur nach den im Augenblick sichtbaren Symptomen gewählt wurde. Solche Therapien treiben die Psora nur wieder in den Körper hinein, sie heilen aber nicht.
Um die Psora zu beseitigen, benötigt man antipsorische Arzneien. Diese können viel weiter in die Organstrukturen des Patienten eingreifen und in der Tiefe heilen. In den „Chronischen Krankheiten“ hat Hahnemann 47 homöopathische Mittel genannt, die seiner Meinung nach die nötigen Voraussetzungen erfüllen. Nicht jedes dieser Mittel passt auf jeden Fall, aber die Antipsorika stellen eine Mittelgruppe dar, in der sich – bei Vorliegen der entsprechenden individuellen Symptomatik – das tiefwirkende Heilmittel für den Patienten befindet. Soll echte Heilung erfolgen, muss im Rahmen der Behandlung ein antipsorisches Mittel angewendet werden. Nicht notwendigerweise gleich zu Beginn der Therapie, aber bei Vorliegen der entsprechenden Symptome. Das Synthesis liefert ebenfalls einen Überblick, um welche Arzneien es sich handelt.
Die „Parademittel“ zur Therapie der Psora sind Sulphur und Psorinum. Das heißt nicht, dass sie in allen Fällen angezeigt sind, aber diese beiden Mittel repräsentieren jeweils eine Vielzahl von Symptomen, die dem psorischen Miasma zugerechnet werden. Psorinum ist die Nosode des psorischen Miasmas, d. h., die Arznei wird aus Gewebe gewonnen, das an Krätze erkrankt ist. Sulphur ist eine mineralische Substanz und wurde von Hahnemann als DAS allergrößte Antisporikum bezeichnet, das er bei chronischen Erkrankungen häufig einsetzte.
Stellvertretend für antipsorische Arzneien haben wir für euch einen Steckbrief von Sulphur ausgearbeitet. Beachtet jedoch bei der Arzneiwahl immer, dass das Ähnlichkeitsprinzip und die individuelle Auswahl des Mittels Vorrang vor jeder anderen Überlegung hat. Auch Sulphur darf nicht „automatisch“ verabreicht werden, wenn ein Therapeut miasmatisch arbeitet.
MMAG. ISOLDE HEIM
TIERHEILPRAKTIKERIN,
HUMANENERGETIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
- Tierhomöopathie
- Traditionelle Chinesische Tiermedizin
- Phytotherapie
- Tierpsychologie
- Dozentin der Paracelsus Schulen
KONTAKT
STECKBRIEF SULPHUR
WISSENSWERTES: Sulphur – „Der Stein, der brennt“, der „Höllenstein“. Schwefel verbindet sich mit fast allen anderen Elementen (Ausnahme Platin, Gold) und ist dadurch unendlich vielseitig: als Kristall, monoklin, amorph, dünnflüssig, wie Kaugummi. Auch beim Erhitzen verändert Schwefel Farbe und Form mehrfach er ist der ideale Mittler. Sobald Schwefel gesättigt ist, verliert er die Verbindungsfähigkeit und verbindet sich nur noch mit sich selbst – ein egoistischer Zug. Schwefel findet sich im Organismus hauptsächlich in der Haut (Keratin); in Haaren und Nägel, in Gelenken und im venösen Gefäßsystem. Er ist beteiligt am Knorpelaufbau und wichtig für den Kohlehydratstoffwechsel (Bestandteil des Insulin), die Fettsynthese und den Eiweißstoffwechsel. Er beschleunigt das Aufspalten und Verbrennen schädlicher Stoffe im Organismus Schwefel baut Körpersubstanz auf. Schwefelmangel führt zu Gedächtnisschwäche, Gelenkentzündungen, Unterzuckerung, Hautproblematiken, trockenem Fell, spröden Nägeln/Hufen, verlangsamter Wundheilung. Im Organismus kommt es durch Schwefelmangel zur Anhäufung toxischer Substanzen.
Sulphur in homöopathischer Form kann den Schwefel im Organismus aktivieren und ist daher wichtig bei stagnierenden Stoffwechselvorgängen, wenn zu wenig ausgeschieden und umgesetzt wird. Durch seine Vielfältigkeit wird er in der Homöopathie zu einem fundamentalen Heilmittel!
CAUSA: Folge von Unterdrückungen (körperlich, geistig)
KLINISCHER ANWENDUNGSBEREICH, ORGANBEZUG: Gesamter Metabolismus, Psyche, venöser Kreislauf, Schleimhäute, Haut, Knorpel
SCHWERPUNKT: Alle Arten von Krankheiten können „Sulphur“ sein -> Reaktionsmangel
ALLGEMEINSYMPTOME: Alle Ausscheidungen und Absonderungen sind übelriechend, Körpergeruch ist oft unangenehm. Folge von Unterdrückung, übermäßige Schweißabsonderung, schlechte Wundheilung.
GEMÜT: Häufig temperamentvolle (ungestüme), kräftige Tiere, wirken manchmal etwas ungelenk (Bewegungsablauf nicht harmonisch); Tiere werden leicht ungeduldig, stehen nicht gerne still, sind neugierig und freundlich (gehen auf Fremde zu)
KOPF-ZU-FUSS:
- HAUT: Hauterkrankungen wechseln mit anderen Erkrankungen ab (häufig Atemwege); Haut heilt sehr schlecht, Hautausschläge sind feucht und stark juckend (Juckreiz agg. durch Hitze, Nässe -> Tiere kratzen sich blutig), Ekzeme; Hautsymptome nach Futterumstellung, falscher Fütterung (Schweineohren und Hundewurst); Hautmuskeln sind sehr empfindlich und zucken bereits bei leichter Berührung (auch ohne Ekzem darunter); Fell sieht häufig struppig aus, ungepflegt, Tiere riechen stark; Haarbruch zwischen Schulterblättern (DD Lyc); Fellwechsel verzögert, oft mit Juckreiz verbunden (trockene Haut, Schuppen)
- KOPF, SINNESORGANE: Konjunktivitis, Ulzera an den Lidrändern, sehr geruchsempfindlich, Zahnwurzelabszesse, Maulgeschwüre
- VERDAUUNGSAPPARAT: Tiere fressen gerne Leckerli (Süßigkeiten), Fett und gewürzte Essensreste; großer Appetit, Heißhunger („Angst vor Armut“) – in der Folge Abmagerung oder Fettsucht; großer Durst (kaltes Wasser), Gastritis, Magenulkus; Beschwerden treten nach Fehlfütterung auf
- REKTUM: Diarrhö („Hahnenschreidiarrhö“ – treibt die Besitzer aus dem Bett); nach unterdrückten Hautausschlägen; Stuhl sehr übelriechend, Blähungen, Juckreiz und Hautausschläge am After
- EXTREMITÄTEN, GELENKE: Pfoten häufig warm, schwitzend, stinkend („Schweißfüße“); Pfotenverband -> viel Talgabsonderung mit intensivem Geruch; Ödeme nach Phlegmone (Pferd); Kontraktur der Zehenbeuger; Hautausschläge in den Gelenkbeugen (Mauke), schwacher Rücken; Schmerzen agg. im Stehen (Hunde setzen sich rasch hin, wenn sie warten müssen); Pferd lässt sich beim Reiten nicht aufrichten, Hals nach unten gestreckt („gebückte Haltung“)
MODALITÄTEN:
- AMEL: Ausscheidungen bessern Allgemeinzustand; trockenes, warmes Wetter; frische Luft
- AGG: Hitze, Bettwärme, nachts, bewölktes Wetter, Winter, vormittags (11 Uhr), Nasswerden (Baden), Abkühlung, (Fellscheren), unterdrückte Hautausschläge
Fotos: © mraoraor - stock.adobe, Mikosch - stock.adobe, Claire - stock.adobe, Africa Studio - stock.adobe