Mentale Zeitreisen: Gedanken vom tier-menschlichen Diwan
Ein episodisches Gedächtnis ist eine Komponente mentaler Zeitreisen und ergibt die Möglichkeit, eine vergangene Situation und Vorstellungen der Zukunft gedanklich in ein Szenario zu setzen. Visionen zu entwickeln und umzusetzen haben die Menschen als Fähigkeit inne. Hat der Mensch z.B. einen Autoschlüssel verlegt, kann er gedanklich zurückgehen und all seine Schritte und Handlungen zurückverfolgen, um zum Ablageort zu gelangen. Ein ähnliches Verhalten beobachten wir bei Tieren, die einen gegangenen Weg zurückverfolgen und Gegenstände wiederfinden. Strittig ist, ob es der Geruchssinn oder ein fotografisches Gedächtnis, ähnlich dem des Menschen, ist, das sie nutzen. Auch ein scheinbar episodisches Gedächtnis ist bei Tieren in Konfrontation mit bestimmten Gerüchen und Formen erkennbar. Beispiel: Wenn ein Hund aus dem Tierheim einen Mann mit Hut sieht, geht er in Abwehrstellung.
Bei Pferden ist es oft ein Geruch oder ein Geräusch, das Panik auslöst. Ich selbst bemerkte, dass Edi, ein stattlicher Jagdhund, den ich als Welpen betreute, bei seinen Besitzern zu Fremden immer Abstand hielt. Als ich die Besitzer besuchte, kroch er mir vierjährig auf den Schoß und kuschelte voller Vertrautheit mit mir.
Die Frage ist nun, ob Tiere – in gedanklichen Zeitreisen, Träumen, Wünschen oder Geschichten – in die Zukunft denken können wie der Mensch.
Vorausschauendes Handeln, Planen, Organisieren. Hier ist nicht das instinktive Handeln der Hamster mit Vorratshaltung von Nahrung in Höhlen oder das Sammeln von Eicheln der Eichhörnchen als Wintervorräte gemeint. Beobachtungen haben gezeigt, dass die instinktiven Verhaltensweisen auch bei stetem Nahrungsangebot eingehalten werden. Eindeutige Merkmale auf vorausschauendes Denken sind bei Tieren wissenschaftlich noch nicht bewiesen.
Prof. Sen Cheng (Mercator der Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“ der Ruhr-Universität Bochum) sagt dazu: „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Tiere – wie der Mensch – in der Lage wären, verschiedene Zukunftsszenarien zu konstruieren, zu reflektieren und miteinander zu vergleichen. Wir glauben daher nicht, dass Tiere mentale Zeitreisen machen können.“
Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser, was denkt das Pferd, wenn es dösend mit halb geschlossenen Augen auf drei Beinen in der Sonne steht? Oder Ihr Hund im Schlaf fiept und die Beine bewegt? Rennt und träumt er? Und wovon? Vergangenheit oder Zukunft?
Schreiben Sie mir Erfahrungen und Erlebnisse mit Ihrem Tier. Einige spannende Texte veröffentlichen wir im Magazin. Ich freue mich auf Ihre Anekdoten!
Bis zum nächsten Gedanken!
Ihre Monika Heike Schmalstieg
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