Meerschweinchen als Fleischlieferant - Gedanken vom tier-menschlichen Diwan
Die Tatsache, dass in Peru unsere kleinen possierlichen Meerschweinchen auf dem Teller landen, ist weltweit bekannt, doch für Europäer unvorstellbar. Besonders absurd erscheint uns v. a. die traditionellste Zubereitung der kleinen Nager als „Cuy al horno“ (Meerschweinchen aus dem Ofen). Dabei wird das Tier als Ganzes serviert, wobei der Mund weit offen steht. Wenig weichen davon die Hähnchen am Spieß in Deutschlands Grillwägen ab, würden nicht Beine und Füße fehlen.
Unter dem Begriff „Cuy“ werden in Peru grundsätzlich alle Meerschweinarten zusammengefasst, in unseren Breiten wird diese Bezeichnung jedoch nur für eine Art genutzt, die sich lediglich in ihrer Größe von den Hausmeerschweinchen unterscheidet. Cuys sind mit einer durchschnittlichen Körperlänge von 27 - 35 cm deutlich größer als unsere geliebten kleinen Haustiere und auch ihr Gewicht ist mit 2 - 3 kg deutlich schwerer, denn die Meerschweinchen, die wir uns als Haustiere halten, wiegen meist gerade mal 1 - 1,5 kg.
Meerschweinchen werden übrigens auch in den restlichen Andengebieten gegessen. Die Tiere sind dort an das Leben in großer Höhe angepasst. Kleinbauern bringen sie meist in kleinen Ställen unter oder halten sie direkt im Haus. Gefüttert werden die Meerschweinchen in den Anden mit Küchenabfällen, sodass sie auch für die ärmere Bevölkerung eine erschwingliche Fleischquelle darstellen. Bei Feierlichkeiten werden die Nager dann als Festmahl aufgetischt. So gehören Cuys zu jeder traditionellen peruanischen Hochzeit als Hochzeitsmahl mit dazu. Für die Bewohner der ländlichen Gebiete stellen Meerschweinchen dagegen eine proteinreiche Alltagsspeise dar.
Insgesamt werden in Peru jährlich bis zu 65 Millionen Meerschweinchen verzehrt. Die meisten davon haben ein Gewicht von 500 - 600 Gramm. Inzwischen gibt es auch spezielle Farmen, in denen die Tiere in größerem Stil gezüchtet werden. Der Geschmack soll dem eines Kaninchen ähnlich sein. Für Kaninchen gibt es in Europa Massenzuchtanlagen, sodass wir den Bewohnern in den Anden sogar noch um einiges voraus sind. Und auch als Massenkuscheltier müssen Kaninchen und Meerschweinchen bei uns herhalten. Zu kaufen gibt es die kleinen Nager mittlerweile sogar im Baumarkt ab 5 Euro. Zwar nicht solange der Vorrat reicht, dafür aber frisch und lebendig!
So selten wir diese Tiere in den Praxen sehen, kann wohl davon ausgegangen werden, dass sie entweder ein kurzes Leben haben oder bis ans Lebensende vor Gesundheit strotzen. Neulich erzählten mir Kinder, dass ihre Tiere aus dem Freigehege vor dem Mehrfamilienhaus zwei Tage vor dem dreiwöchigen Urlaub gestohlen worden seien. Was soll man nun davon halten? Waren hier hungrige Peruaner am Werk oder wurden die Tiere kurzerhand entsorgt?
In der Massenaufzucht sieht die Welt noch schrecklicher aus: verwesende Tierleichen, Kannibalismus und zentimeterhohe Fäkalien. Nach monatelanger Recherche veröffentlichte PETA Deutschland e. V. im April 2015 die Ergebnisse zu einem knappen Dutzend deutscher und niederländischer Kleintierzuchtanlagen. In diesen Betrieben werden Hunderttausende von Meerschweinchen, Hamstern, Kaninchen, Vögeln, Ratten und Mäusen für den deutschen Heimtierhandel „produziert“. Die Videoaufnahmen der Tierrechtsorganisation zeigen Regale voller vernachlässigter Kleintiere, übereinandergestapelt in winzigen Plastikboxen oder überfüllten Käfigen. Unter ihnen befinden sich unzählige tote, verdurstende, kranke und verletzte Tiere. Diese Betriebe decken einen bedeutenden Teil des gesamten deutschen Marktes ab. Über zwischengeschaltete Großhändler beliefern diese Zuchtanlagen kleine und große Zoofachhändler und Baumärkte. PETA Deutschland fordert die Baumärkte und Zoofachhändler nun auf, den Verkauf lebender Tiere umgehend zu beenden und stattdessen mit örtlichen Tierheimen zwecks Vermittlung heimatloser Tiere zusammenzuarbeiten.
Ich jedenfalls werde die Tierheime meiner Umgebung besuchen und schauen, was dort in diesem Sommer gefunden und aufgenommen wurde und werde versuchen mitzuhelfen, die Tiere zu vermitteln. Es gibt sicherlich viele rüstige Rentner oder auch Seniorenstifte, die die armen Kaninchen, Meerschweinchen und Co. gerne füttern und umsorgen.
Machen Sie mit und helfen Sie mit. Es lohnt sich!
Ihre Monika Heike Schmalstieg
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