Spinnentiere: Faszination mit Ekeleffekt
Spinnen, im Fachjargon „Arachnidae“ genannt, gehören zu den Tieren, die bei Menschen den größten Ekel, aber auch die größte Faszination hervorrufen. Die Ursache für den Ekel bleibt fraglich, wobei Spekulationen auf die Anzahl der Beine schließen lassen. Fasst man sich aber selbst als Archnophobiker ein Herz und beobachtet die Spinne bei ihrem Netzbau, wird man sich des Erstaunens nicht erwehren können, mit welcher Präzision und Gleichmäßigkeit die Spinne ihr Netz webt. Fliegt ein Insekt hinein, bleibt es kleben und kann in aller Ruhe von der Spinne verspeist werden. Dies wirft allerdings die Frage auf, warum die Spinne mit ihren acht Beinen nicht selbst in ihrem Netz kleben bleibt. Die Antwort ist verblüffend. Spinnen verfügen über zwei unterschiedliche Fädenarten und spinnen ihr Netzt auf raffinierte Art und Weise. Die leimbesetzten Fäden sorgen dafür, dass Insekten in den Netzen kleben bleiben und Lauffäden sorgen dafür, dass sich die Spinne ungehindert auf dem eigenen Netz bewegen kann. Für Ingenieure ein außergewöhnliches Phänomen, denn die Seide der Spinnen ist doppelt so fest und etwa achtmal so dehnbar wie Stahl und dabei nur zwei Hunderttausendstel Millimeter dick.
Die Anatomie macht’s
Zur Klasse der Spinnentiere (Arachnidae) gehören eine Vielzahl von Arten, wie normale Spinnen, Skorpione, Weberknechte, Milben und Zecken, die sich in ihrem Äußeren zum Teil stark unterscheiden, anatomisch aber gleich gebaut sind. Alle Spinnentiere bestehen aus zwei Körpersegmenten und vier Beinpaaren. Kopf und Brust der Spinnen sind zum sogenannten Cephalothorax verschmolzen, auf dem sechs Paar Anhängsel sitzen. Das erste Paar, die Cheliceren, sind zangen- oder klauenartig gebaut und dienen der Nahrungsaufnahme. Das zweite Paar, die Pedipalpen, sehen aus wie Beine, tragen aber Klauen. Die restlichen Paare fungieren als Laufbeine.
Leise Räuber
Die meisten Spinnentiere leben räuberisch, einige aber auch als Aasfresser oder Parasiten, wie z. B. Milben und Zecken. Große Spinnen überwältigen ihre Beute meist nur durch ihre Kraft, einige Arten, wie Skorpione und Pseudoskorpione, injizieren ihrer Beute ein lähmendes Gift. Der Mund der Spinnen ist anatomisch sehr klein angelegt, sodass sie keine großen Nahrungsbrocken aufnehmen können. Deshalb speicheln sie ihre Beute mit Enzymen ein, die das Beutetier quasi auflösen, und saugen die entstehenden Nahrungssäfte dann einfach ein.
Weberknechte
Vielen Menschen halten den Weberknecht für eine ganz normale Spinne, doch Weberknechte haben keine Taille und das unterscheidet sie von normalen Spinnen. Ihr zweites Laufbeinpaar benutzen sie als Fühler, um Beutetiere aufzuspüren. Ihre Beine sind insgesamt sehr lang und enden mit Klauen. Weberknechte ernähren sich von Insekten, Pflanzen, toten Tieren und Exkrementen. Die Besonderheit der Weberknechte ist, dass sie sich durch direkte Befruchtung fortpflanzen, während andere Spinnentiere dies indirekt dadurch tun, dass männliche Spinnen ein Spermienpaket auf weiblichen Spinnen einfach ablegen. Eine weitere Besonderheit der Weberknechte ist, dass manche Arten bei Gefahr ihre Beine abwerfen, sich dann ohne Körper weiterbewegen und so den Feind verwirren.
Vogelspinnen
Sie sind die Giganten der Spinnenwelt. Zu ihnen gehören die größten Spinnen der Erde. Ihre Körper können eine Größe von bis zu 12 Zentimeter erreichen, ihre Beine eine Spannweite von bis zu 28 Zentimeter. Die konstante Wärme der Tropen ermöglicht es ihnen, länger zu leben und größer zu werden als ihre Verwandten. Körper und Beine sind mit haarigen Borsten bedeckt, mit denen sie ihre Umgebung wahrnehmen. Sie verfügen über kräftige Kieferklauen, die sie bei Gefahr präsentieren, um den Feind in die Flucht zu schlagen, die sie aber auch dazu benutzen, um ihre Beute zu erdolchen. Sie führen außerdem Brennhaare an ihren Beinen, die sie ihren Feinden bei Gefahr ins Gesicht schleudern können. Vogelspinnen ernähren sich von Insekten, Eidechsen, Fröschen und Vögeln. Sie jagen nachts und sind fast alle ungiftig, wenngleich sich der Glaube an die Giftigkeit der Vogelspinnen beharrlich beim Menschen hält. In Wirklichkeit aber sind es nur ganz wenige und insbesondere ganz kleine Spinnenarten, die tatsächlich giftig sind. Vogelspinnen können bis zu 30 Jahre alt werden und werden von Spinnenliebhabern oft auch als Haustiere gehalten.
Wolfsspinnen
Diese maximal vier Zentimeter langen Spinnen haben ausgezeichnete Augen und gehören wie die Vogelspinnen zu den Nachtjägern. Sie sind blassgrau bis dunkelbraun und weisen eine Bandstruktur am Körper auf. Einige dieser Spinnenarten sind wichtige Glieder in unserem Ökosystem. Ihre Jungen trägt die Wolfsspinne auf ihrem Rücken. Die bekannteste Wolfsspinne ist die Tarantel.
Springspinnen
Sie bilden mit 5000 Arten die größte Spinnenfamilie. Fast alle Arten haben einen kräftigen behaarten Körper und vier nach vorne gerichtete, hervorstehende Augen. Mit den beiden größeren Augen können sie Entfernungen einschätzen, mit den beiden kleineren Bewegungen wahrnehmen. Sie haben das beste Sehvermögen unter allen Spinnentieren. Die Rückseite der Augenkapsel kann in den Kopf eingezogen werden, um das Abbild der Beute direkt auf die Mitte der Netzhaut zu projizieren. Einige der Springspinnen sehen wie Ameisen aus und ahmen ihre Beute sowohl im Aussehen als auch im Verhalten nach. Sie sind tagaktive Jäger und ernähren sich von Insekten. Sie springen mit Hilfe eines hydraulischen Drucksystems ihrer Hinterbeine auf ihre Beute und überwältigen diese. Vor dem Sprung befestigen sie einen Sicherheitsfaden, für den Fall, dass sie ihre Beute verfehlen. Tropische Springspinnen sind sehr auffällig leuchtend gefärbt, trotzdem erscheinen diese Spinnen insgesamt eher unauffällig.
Milben
Mit über 48200 Arten findet man Milben weltweit in fast allen Lebensräumen. Zu den Milben gehören viele Ernte- und Vorratsschädlinge, aber auch Parasiten, die Säugetiere und auch Menschen befallen. Bei Hund und Katze kennt man vor allem Sarcoptes-, Otodectes- und Demodex-Milben. Die meisten Milben sind unter einem Millimeter groß, schwellen aber nach einer Blutmahlzeit mitunter auf die doppelte Größe an. Im Gegensatz zu echten Spinnen fehlt den Milben die Körperteilung.
Zecken
Sie gehören auch zu den Milben und leben ausschließlich parasitisch. Männliche Zecken haben eine harte Rückenplatte, die den ganzen Körper bedeckt, während sie bei den weiblichen Zecken nur die vordere Hälfte bedeckt. Der Hinterleib ist weich und dehnbar, da weibliche Zecken Blut saugen und dann ein vielfaches ihrer Größe annehmen. Die meisten Zeckenarten übertragen gefährliche Infektionskrankheiten, wie Borreliose, Babesiose und Ehrlichiose, sodass man versucht, sie mit Antiparasitika u. ä. zu bekämpfen.
Die Giftigkeit der Spinnen
Gerade Vogelspinnen hinterlassen aufgrund ihrer Größe immer wieder den Anschein, extrem gefährlich für Menschen und Säugetiere zu sein. Das stimmt jedoch nicht, denn das Gift der Vogelspinne kann dem Menschen und auch dem Säugetier nichts anhaben. Die meisten Spinnen, auch die giftigen, sind zudem ausgesprochen friedfertig. Sie beißen nur bei Gefahr. Spinnen, die über ein wirksames Gift verfügen, das auch dem Menschen gefährlich werden könnte, sind unscheinbar klein. Ob das Gift einer Spinne einem Menschen oder einem Säugetier überhaupt gefährlich wird, hängt vor allem von der Konzentration des Giftes, vom Alter und Körpergewicht und vom Gesundheitszustand des Menschen bzw. des Säugetieres ab. Auch das Geschlecht spielt eine nicht unerhebliche Rolle, denn Statistiken beweisen, dass Frauen viel schlechter mit Giften zurecht kommen als Männer.
Und auch Allergiker sind natürlich besonders gefährdet, eine ernsthafte Vergiftung durch einen Giftspinnenbiss davonzutragen. In Deutschland gibt es derartige Spinnen allerdings nicht. Nicht eine einzige unserer heimischen Spinnenarten verfügt über Gifte, die in irgendeiner Weise gefährlich für den Menschen oder größere Säugetiere werden könnten. Ein Spinnenbiss ist vergleichbar mit einem Bienenstich, jedoch lange nicht so schmerzhaft, da Spinnen keinen Stachel hinterlassen.
Dr. Isa Foltin
Tierärztin, Radiologin, Dipl. Journalistin
Tätigkeitsschwerpunkte: Medizinjournalismus für Pharmafirmen, Wissenschafts- und Publikumsmedien, vergleichende Radiologie bei Mensch und Tier, Spezialgebiet Kernspintomographie (MRT), Fachkunde in Nuklearmedizin
Dozentin an den Paracelsus Schulen, Redakteurin bei der Mittelbayerischen Zeitung, Chefredakteurin des Magazins „tiere life“, Redakteurin des VDTMagazins „Mein Tierheilpraktiker“
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