MDRI-Gendefekt - Überempfindlichkeit gegenüber Arzneimitteln
Immer häufiger hört man vom MDR1-Defekt. Auch ich selbst kenne einen Hund, der betroffen ist. Er zeigt sich sehr häufig gestresst, obwohl es dafür keine Ursache gibt. Er fährt sehr schnell aus der Haut, selbst Spaziergänge in gewohnter Umgebung sind manchmal eine große Herausforderung.
Nachdem dieser Hund ein Spot-on-Präparat bekam, war er 2 Tage lang apathisch. Er war träge und lag nur noch in der Ecke. Aufgrund dieser Symptome und dem stark gestressten Verhalten, das er zeigte, ließen die Besitzer ihn auf den MDR1-Defekt testen. Das Ergebnis war positiv.
Zu heilen ist dieser Gendefekt zwar nicht, aber immerhin haben die Besitzer nun eine Erklärung für die Medikamentenunverträglichkeit und das hibbelig-gestresste Verhalten ihres Hundes. Sie können sich besser auf ihn einstellen und versuchen ihn, so gut es geht, zu unterstützen.
WAS IST DER MDR1-DEFEKT?
Das MDR1-Gen (Multidrug ressistance) ist verantwortlich für die Produktion von P-Glykoprotein, das an der Blut-Hirn-Schranke gebildet wird. Es ist für die Regulierung der Aufnahme mancher Gifftstoffe/Arzneimittel verantwortlich, regelt auch die Aufnahme von Glukokortokoiden wie Cortisol, Aldosteron und Androgene, also Hormone, die bei Stress gebildet werden.
Bei MDR1-negativen Hunden fehlt das P-Glykoprotein. Somit können manche Gifftstoffe und Stresshormone ungefiltert ins Gehirn gelangen, da für sie die Blut-Hirn-Schranke keine Barriere bildet. Daniela Rettich beschreibt diesen Vorgang sehr schön in ihrem Buch „Wenn der Türsteher an der Blut-Hirn-Schranke fehlt“. So kann man diese Problematik gut visualisieren: Das P-Glykoprotein ist der Türsteher zum Gehirn und entscheidet, in welchem Ausmaß Glukokortikoide oder Giftstoffe ins Gehirn gelangen. Ist der Türsteher nicht vorhanden, steht die Tür zum Gehirn offen.
WELCHE MEDIZINISCHEN AUSWIRKUNGEN HAT DER MDR1-DEFEKT?
Hunde mit MDR1-Defekt können manche Arzneimittel nicht filtern, diese können die Blut-HirnSchranke passieren und gelangen direkt ins Gehirn. Die Gefahr, dass betroffene Hunde z.B. aus einer Narkose nicht mehr aufwachen, ist dadurch natürlich gegeben. Ebenso tödlich kann (abhängig vom Wirkstoff) eine einfache Entwurmung enden. Nicht jedes Mittel bringt einen Hund mit MDR1-Defekt gleich um, aber es ist wichtig, dass Besitzer dem behandelnden Therapeuten diese Tatsache mitteilen, damit die Arzneimittelgabe entsprechend angepasst werden kann.
AUSWIRKUNGEN AUF DAS VERHALTEN
Hunde mit MDR1-Defekt zeigen sich häufig nervös, gestresst, unruhig, teilweise aggressiv. Sie können die vielen Umwelteinflüsse nicht adäquat verarbeiten und sind schnell überfordert. Sie können mit Stress schlecht umgehen und wissen nicht, wie sie in manchen Situationen reagieren sollen. Sie werden von Stresshormonen überflutet, sodass bereits eine Kleinigkeit zu aggressivem, nervösem, gestresstem oder ängstlichem Verhalten führt.
GIBT ES THERAPIEMÖGLICHKEITEN?
Eine Therapie ist mir bisher nicht bekannt, aber man kann betroffene Hunde durch eine gezielte Ernährung unterstützen. Sie benötigen in Maßen Kohlenhydrate, damit sie Tryptophan aufnehmen können. Tryptophan ist eine Aminosäure, die sie dringend benötigen, um Serotonin zu bilden. Serotonin ist ein Glückshormon und Gegenspieler zu Cortisol, das im Überschuss ins Gehirn gelangt. Um diesen Überschuss ausgleichen zu können, wird Serotonin benötigt. Außer Tryptophan ist eine ausreichende Menge an Magnesium und Vitamin B6 sehr wichtig.
Tryptophan finden wir in Milchprodukten, Nüssen, Samen, Fisch und verschiedenen Fleischsorten (z.B. Lamm), es ist auch als Nahrungsergänzungsmittel in Pulverform erhältlich.
Häufiges Kuscheln ist erwünscht und hilfreich, dadurch schüttet der Organismus des Hundes Oxytocin aus, das Stress und Angst reduziert. Oxytocin ist ein weiteres Glückshormon, das direkt im Gehirn wirkt und ein wichtiger Gegenspieler von Stresshormonen ist.
MDR1-Hunde benötigen ausreichend Auslauf. Das heißt aber nicht, dass sie 40 km am Fahrrad mitlaufen sollen. Nein, sie brauchen gezielte Bewegung, denn dabei werden verschiedene Endorphine freigesetzt. Bei Beschäftigungen mit Erfolgserlebnissen wird Dopamin ausgeschüttet, das ebenfalls ein Gegenspieler von Cortisol und damit hilfreich ist. Ein geregelter Tagesablauf hilft den Hunden, sich zu orientieren und Sicherheit zu bekommen.
Besteht bei einem Hund aufgrund seines auffälligen Verhaltens der Verdacht auf einen MDR1-Gendefekt, rate ich dazu, ihn testen zu lassen. Hunde betroffener Rassen sollten grundsätzlich getestet werden, denn nicht immer fällt der MDR1-Defekt direkt auf.
Wichtig ist es, mit diesen Hunden ruhig und besonnen umzugehen und jeden Stress zu vermeiden. Man darf sie nicht überfordern und keinesfalls für ihr Verhalten tadeln, denn sie können ihr Verhalten nicht steuern wie ein gesunder Hund, und dieser Tatsache muss man sich immer bewusst sein.
WELCHE RASSEN SIND ANFÄLLIG?
Ursprünglich geht die Erkrankung auf einen Collie zurück, daher sind überwiegend Collie-Rassen betroffen, z.B. Kurzhaar Collie, Langhaar Collie, Langhaar Whippet, Australian Shepherd (Standart und Mini), McNab, Berger Blanc Swiss, Border Collie, Deutscher Schäferhund, Englischer Schäferhund, Bobtail, Sheltie, Silkon Windhound, Waller, Hütehund-Mischlinge sowie unspezifische Mischlinge.
VERENA TEIWES
TIERHEILPRAKTIKERIN
HUNDEPHYSIOTHERAPEUTIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Hundephysiotherapie, Ernährungs- und BARF-Beratung für Hunde
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