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Serie: Wundversorgung beim Pferd - Teil 2: Die Erstversorgung

ERSTE HILFE BEI WUNDEN

Zunächst sei angemerkt, dass die hier gegebenen Hinweise nicht den Tierarzt oder eine Behandlung von Notfällen ersetzen. Seit zwei Jahren beschäftige ich mich in der Tierheilpraxis intensiv mit den Prinzipien der feuchten Wundversorgung. Prof. Knottenbelt empfahl bereits in seinem 2006 erschienenen Buch „Wundversorgung in der Pferdepraxis“, die moderne Wundversorgung zu implementieren. Dennoch steckt sie in der Veterinärmedizin heute noch in den Kinderschuhen. Während im Humanbereich das Prinzip der feuchten Wundversorgung bereits Fuß gefasst hat, werden beim Tier noch Salben, Blau-, Zink- oder Aluspray auf frische Wunden – also zur Erstversorgung – empfohlen. Prof. Knottenbelt spricht sich klar dagegen aus. Diese Mittel fördern seiner Meinung nach die Wundheilung nicht.
Es werden Fremdstoffe in frische Wunden eingebracht, und das zur Heilung notwendige Sauberhalten dieser ist nicht gewährleistet. In meiner Praxis habe ich mit Polihexanidlösungen sowie mit Lösungen mit Hypochlorsäure speziell für Tiere sehr gute Erfahrungen gemacht. Medizinischen Honig habe ich vor allem in Honig-(Alginat-)Auflagen im Verband, zur Versorgung infizierter Wunden oder wenn genähte Wunden wieder aufgegangen sind, angewendet. Mit der Nutzung von Mitteln mit Hypochlorsäure aus dem Humanbereich konnte ich beim Tier keine positiven Erfahrungen sammeln, da diese meiner Meinung nach zu wenig auf die Bedürfnisse der Wundheilung beim Pferd abgestimmt sind.

WICHTIG: Die Erstversorgung entscheidet über den gesamten Heilungsverlauf, die Heilungsdauer und die Qualität des Narbengewebes. Die Zeit, die Wundhygiene und die eingesetzten Mittel sind die entscheidenden Hebel für die optimale Unterstützung der Wundheilung des Pferdes.

ERSTVERSORGUNG DURCH DEN TIERHEILPRAKTIKER

Der geschulte Tierheilpraktiker kann den Tierbesitzer beim Einschätzen der Wunde unterstützen, ob die Wunde selbst oder durch den Tierarzt versorgt werden soll. Der THP mit Erfahrung in der Wundversorgung kann bei der oberflächlichen Reinigung und beim Verbandanlegen dem Tierbesitzer kompetent zur Seite stehen.

ZUSÄTZLICHE MASSNAHMEN

Je nach Ausmaß der Verletzung sind ganzheitliche Maßnahmen ratsam. Die Gabe einer Antibiose liegt in den Händen des Haustierarztes. Bei großen oder komplizierten Wunden ist die Fütterung zusätzlicher Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminosäuren von Anfang an empfehlenswert, z. B. Zink/Zeoltih für die Zellregeneration, Luzerne/Spirulina als Eiweißlieferanten, Propolis/Ingwer/Zistrose zur Stärkung des Immunsystems. Therapien mit Laser und Magnetfeld haben sich bei Wunden bewährt und können begleitend zur tierärztlichen Versorgung die Wundheilung positiv unterstützen. Arnika gilt als grundlegendes Verletzungsmittel, Calendula bei Hautabschürfungen, Risswunden, klaffenden Wundrändern, Staphysagria bei Schnittwunden, Ledum bei Bisswunden.

ERSTVERSORGUNG DURCH TIERBESITZER

Die Versorgung von frischen oberflächlichen Wunden, Traumen und Stichen ebenso wie von Hautirritationen durch Juckreiz, Ekzeme oder Hautpilz sollte sehr ernst genommen und sofort durchgeführt werden. So kann der Tierbesitzer Sekundärinfektionen, Schmerzen und langwierige Behandlungen für seinen geliebten Vierbeiner effektiv vorbeugen. Wird die Hautverletzung erst nach einiger Zeit entdeckt und hat sich bereits eine Kruste gebildet oder zeigt die Wunde erste (natürliche) Entzündungsreaktionen (z.B. Schmerz, Schwellung, Wärme), so wird auch diese Verletzung wie eine frische Wunde in drei Schritten versorgt.

WICHTIG: Bei unklaren Befunden lieber öfter und frühzeitig professionelle Hilfe holen. Vor allem, wenn nicht klar erkennbar ist, welche Strukturen verletzt sind und wie tief die Wunde ist. Bei Wunden mit Begleiterscheinungen wie Lahmheit, Fieber, Schwäche, Phlegmone und bei jeder Verschlimmerung am 2. Tag sollte der Haustierarzt oder ein auf Wunden spezialisierter Therapeut gerufen werden.

MODERNE ERSTVERSORGUNG IN DREI SCHRITTEN

Der 1. Schritt ist die Reinigung der Wunde. Nur saubere Wunden können heilen. Kleine, blutende Wunden großzügig mit Reinigungsspray oder Wundspüllösung besprühen. Starke Verschmutzungen können vorher vorsichtig mit fließendem Wasser ohne Druck entfernt werden. Zur oberflächlichen Hautreinigung eignen sich u.a. das HOCL-Pflegemittel Haut-Talent von BÄRALIS® und die ProntoVet® Wundspüllösung. Diese können in den ersten beiden Tagen bis zu viermal täglich aufgetragen werden. Salben, Blau-, Alu- und Zinkspray sind ungeeignet, da sie keine Reinigungsfunktion enthalten und Wunden nicht sauber halten können.
Im 2. Schritt – direkt nach der Reinigung – wird die betroffene Stelle mit einem feuchtigkeitsspendenden und schutzfilmbildenden Hydro-Gel sparsam benetzt. Der Schutzfilm ist dünn und leicht, die Hautneubildung darunter wird nicht erschwert. Zum Feuchthalten eignen sich u.a. das HOCL-Hydro-Gel für Pferde von BÄRALIS® und ProntoVet® Gel.
Fetthaltige Salben, Cremes und Zinkspray sind ungeeignet, ebenso austrocknende Mittel.
Im 3. Schritt kann (bei Bedarf) ein Verband angelegt werden. Hierzu wird die sterile Wundkompresse mit dem Gel großzügig benetzt, direkt auf die betroffene Stelle gelegt, mit einer Mullbinde umwickelt und mit einer selbstklebenden Binde fixiert. Der Verband schützt vor Schmutz und hält die Wunde über einen längeren Zeitraum feucht. Die Wundauflage darf nicht mit der Wundfläche verkleben.

VERSORGUNG DURCH DEN TIERARZT

Bei allen großen Wunden (zur Entscheidung, ob eine primäre oder sekundäre Versorgung notwendig ist), Risswunden (um Tiefe und Ausmaß festzustellen) und Schnittwunden (um sie chirurgisch zu verschließen) sollte schnellstmöglich der Tierarzt gerufen werden. Nach Absprache mit ihm kann eine Erstversorgung mit Reinigung vorgenommen werden.
Die natürliche Wundheilung beginnt direkt nach der Verletzung. Somit ist es wichtig, zu nähende Wunden innerhalb von 4 – 5 Stunden zu versorgen und dem Tierarzt möglichst genau die Lage und das Ausmaß der Verletzung zu beschreiben. Nach Absprache kann ein Feuchthalten der Wunde bis zu seinem Eintreffen notwendig sein.

DIE ERSTVERSORGUNG DURCH DEN TIERARZT BEINHALTET FOLGENDE SCHRITTE

  1. Blutstillung: Falls notwendig, kommt sie noch vor der Wundhygiene
  2. Wundreinigung und Desinfektion
  3. Wunddébridement (chirurgische Wundreinigung)
  4. Drainage
  5. Wundverschluss mittels Naht oder Klammern
  6. Verband oder Schiene anlegen
  7. Medikamente – Tetanus-Impfstatus kontrollieren, ggf. antibiotische oder entzündungshemmende Mittel

VERBANDSWECHSEL

Egal ob der Verband durch den Tierarzt oder den Tierbesitzer angelegt wurde, er sollte nach 1 – 3 Tagen gewechselt werden. Bei genähten, chronischen oder entzündeten Wunden übernimmt das meist der Tierarzt. Bei kleineren Wundverbänden kann selbst Hand angelegt werden. Bei Wechsel in kurzen Abständen kann einem Verkleben der Wundauflage auf der Wunde vorgebeugt werden, mögliche Störungen im Wundbereich werden frühzeitig entdeckt. Falls der Verband zu fest gebunden oder zu wenig abgepolstert war, können Folgeschäden durch eine Minderversorgung abgewendet werden. Außerdem kann ein zu langes Fixieren des Gewebes die Bewegung und die Beweglichkeit des neuen Haut- bzw. des Narbengebildes einschränken und Faszienverklebungen/Zubildungen in der Unterhaut begünstigen.

HINWEIS: Wichtig für jeden Verbandswechsel ist die Wundhygiene. Einmalhandschuhe tragen, an einem sauberen Ort arbeiten, Mittel mit Reinigungsfunktion verwenden, sterile Wundkompressen nutzen. Damit kann das Risiko einer Wundinfektion deutlich reduziert werden.

Im nächsten Teil geht es um die Wundheilungsphasen und die phasengerechte Versorgung.

SUSAN BÄR
TIERHEILPRAKTIKERIN
PRODUKTENTWICKLERIN

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Moderne Wundversorgung, Stoffwechselkuren, Pferdeosteopathie, Faszientraining, Autorin

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Fotos: © S. Bär