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Serie: Wundversorgung beim Pferd

TEIL 1: TROCKENE UND FEUCHTE WUNDEN

DIE ROLLE DES TIERHEILPRAKTIKERS

Zunächst sei angemerkt, dass die hier gegebenen Hinweise nicht den Tierarzt oder eine Behandlung von Notfällen ersetzen.
Kleine Blessuren, die kaum oder nur leicht bluten und oberflächlich gelegen sind, gehören fast schon zum Alltag eines Tierbesitzers. Viele Wunden werden (leider) immer noch mit klassischen Mitteln behandelt, die moderne Wundversorgung steckt immer noch in den Kinderschuhen. Auch die Versorgung mittels „Versuch und Irrtum“ ist selbst in Fachkreisen weithin verbreitet. Hilft die Salbe nicht, kommt als nächstes ein Spray zum Einsatz. Tierheilpraktiker können hierbei ihre Kompetenzen in zweierlei Hinsicht erweitern: Ihre Kunden über wirksame Wege der modernen Wundversorgung aufklären UND die Tierbesitzer im Ernstfall oder bei Wundheilungsstörungen kompetent unterstützen.
Ziel ist, die Anwendung der Zwei-Phasen-Pflege als neuen Standard in der feuchten Wundversorgung zu verankern, um aus kleinen oberflächlichen Kratzern, Schrammen, Bissverletzungen etc. keine großen Probleme werden zu lassen. Denn: Diese sollten sich rasch innerhalb weniger Stunden verschließen, ohne wildes Fleisch oder störende Narben zu bilden.
Derselbe Pflegeansatz kann bei großen und offenen Wunden angewendet werden. Solche Wunden stellen manchen Tierbesitzer auf eine Belastungsprobe, sie sehen immer schlimm aus und es trifft einen völlig unvorbereitet. Die Erstversorgung klaffender Wunden, komplizierter Schnittverletzungen etc. übernimmt der Tierarzt. Jedoch ist bei solchen Wunden die weitere tägliche Wundpflege genauso wichtig. Sie verlangt Geduld und kompetente Unterstützung durch einen Therapeuten.
Ist eine Behandlung durch den Tierarzt erforderlich, gilt es, schnellstmöglich einen Termin zu vereinbaren und ggf. seine Anweisungen zur Wundversorgung umzusetzen. Wichtig: Keine Salben, Aluminium- oder Blau-Spray auf noch zu nähende Wunden geben!
Übernimmt der Tierbesitzer die Wundpflege selbst, so sollte die Erstversorgung direkt nach Entdecken der Wunde durchgeführt werden. Erst im zweiten Schritt z. B. homöopathische Mittel geben, PAT-Werte prüfen, Verbandwechsel organisieren etc.

OBERFLÄCHLICHE HAUTVERLETZUNG – WUNDE UND WUNDRÄNDER GRÜNDLICH 
REINIGEN UND FEUCHT HALTEN. BEI VERSCHLIMMERUNG IST AM
ZWEITEN TAG DER TIERARZT ZU RUFEN.

WUNDARTEN

Laut Prof. Derek Knottenbelt lassen sich Wunden klassifizieren. Viele Wunden weisen jedoch Eigenschaften auf, die zu mehreren Kategorien passen.

ABSCHÜRFUNGEN/ABRASIO Oberflächliche, maximal 0,5 cm tiefe Abtragung/Ablederung der Epidermis mit minimaler kapillärer Einblutung und meist gewisser Serum-/ Plasmaexudation, die zuerst punktartig auftritt. Bei manchen Pferden kommen solche Schrammen und Kratzer nahezu täglich vor.

QUETSCHUNGEN Es kommt zu Blutungen und Gewebszerstörungen in und unter der intakten Haut, was zur Schädigung größerer Blutgefäße des Kapillarbetts führt. Quetschungen können im umgebenden Gewebe von Risswunden entstehen oder sie treten ohne äußerlich ersichtliche Verletzung auf. Quetschungen sind beim Pferd schwierig zu erkennen, ggf. durch Palpation und Inspektion möglicher Entzündungszeichen.

HÄMATOME Hier liegt eine Akkumulation von freiem Blut unter der Haut vor. Durch den „Finger-Drücktest“ kann das Hämatom von Ödemen bzw. der Ansammlung von Entzündungssekreten unterschieden werden. Beim Ödem hinterlässt der Druck durch den Finger einen Abdruck, beim Hämatom geht die Delle nach Entfernen des Fingers sofort zurück.

BISSWUNDEN Es kommt zur Quetschung der oberen Hautschichten. Durch die kraftvolle Einwirkung der Zähne entsteht in den meisten Fällen in der Umgebung von Bisswunden ein Hämatom. Das Gebiet ist druckdolent und oft leicht geschwollen.

BISSWUNDE – QUETSCHUNG DER OBEREN HAUTSCHICHT
MIT LEICHTER BLUTUNG.

HÄMATOM UM DEN WUNDBEREICH HERUM.

PRELLUNGEN/KONTUSION Hier liegt eine schwere Quetschung mit Verletzung der Haut vor. Prellungen sind meist unproblematisch, sofern neben der Haut keine weiteren Strukturen verletzt sind. Kontusionen sind häufig am Kopf, meist in der periorbitalen Region zu finden. Pferde mit schwerer Kolik sind hiervon am ehesten betroffen.

STICHWUNDEN Haut und Hufe können durch scharfe Objekte wie Nägel, Glasscherben oder andere Fremdkörper verletzt werden. Stichwunden sind als sehr ernst einzustufen, da sie leicht übersehen oder verharmlost werden. Kleine Hautverletzungen an der Oberfläche täuschen leicht über tiefere Schäden hinweg.

SCHNITTWUNDEN Entstehen bei chirurgisch gesetzten Wunden sowie durch Verletzungen an scharfen Gegenständen wie Glas, überstehenden Aufzügen am Hufeisen, Weidedraht oder Metall. Die Haut ist meist glatt durchtrennt, die Wundränder sind nicht zerfetzt oder gequetscht.

RISSWUNDEN/LAZERATION Das Ergebnis nach ungerichtetem traumatischem Zerreißen der Haut mit oft zerfetzten Wundrändern. Sie entstehen durch Hängenbleiben, Scheuern, als Platzwunden beim Treten oder Stoßen gegen harte Gegenstände.

RISSWUNDE AN DER SCHEIDE. DER TIERARZT UNTERSUCHT,
OB TIEFE STRUKTUREN VERLETZT SIND.
FEUCHTE WUNDVERSORGUNG MEHRMALS TÄGLICH.

KOMPLIZIERTE WUNDEN Treten häufig auf. Hierzu zählen Schnittwunden mit Verletzung tiefer Strukturen wie Sehnen oder Sehnenscheiden, multiple Risswunden mit Verletzungen großer Gefäße und/oder Muskeln sowie komplizierte (Platz-)Wunden an Gelenken, Genitale oder am Kopf.

VERBRENNUNGEN Bei Bränden in der Pferdeumgebung sind am häufigsten der Kopf inklusive Augen, Brust, Rücken und Beine betroffen. Je nach Ursache unterscheidet man thermische Verbrennungen, Verbrühungen und Verbrennungen durch Reibung (z.B. Aufstehversuche, Reibung von Hilfszügeln, Schmutz in den Hautfalten), Hautätzungen durch Chemikalien, Erfrierungen und Sonnenbrand.

BEISPIELE FÜR SELBST ZU VERSORGENDE WUNDEN

  • Oberflächliche Abschürfungen entfernt liegend von Augen und Gelenken
  • Oberflächlicher Ballentritt
  • Scheuer-/Druckstellen von Sattel, Gurt, Geschirr oder anderer Ausrüstung
  • Hotspots durch Scheuern an Pfosten oder Gattern
  • Bisswunden
  • Streifwunden und kleine Schnittverletzungen
  • Stichverletzungen, z.B. von einer Zecke, als Einstichstelle beim Spritzen (Spritzenabszess), durch scharfe oder spitze Gegenstände (bis 0,5 cm Tiefe)
SPRITZENABSZESS AM HALS – NACH EINER INJEKTION ENTSTANDEN.
TÄGLICH MIT HOCL-LÖSUNG BENETZEN UND RESORPTION BEOBACHTEN.

WUNDVERSORGUNG

Unter Wundversorgung ist die Reinigung, das Verschließen und die Pflege offener Wunden definiert. Dabei kann es sich sowohl um akute Verletzungen (z.B. Hautabschürfungen, komplizierte Wunden) als auch um chronische Wunden (beim Pferd länger als 8 Wochen) handeln.

PRIMÄRE UND SEKUNDÄRE WUNDVERSORGUNG

Natürlicherweise verschließen sich kleinere Wunden innerhalb von 4 – 6 Stunden. Auf der Wunde bildet sich dabei eine dünne Schutzschicht. Damit dies geschenen kann, ist eine rasche Erstversorgung essenziell. So sollte der chirurgische Wundverschluss ebenfalls in diesem Zeitfenster stattfinden und damit möglichen Komplikationen vorbeugen.
Die sekundäre Wundversorgung sieht ein individuelles Wundmanagement für alle Wunden vor, bei denen keine primäre Versorgung möglich ist. Dies ist der Fall bei großen oder komplizierten Wunden, die offen bleiben sollen, damit das Wundsekret ungestört abfließen kann, ebenso bei infizierten oder chronischen Wunden. Ein zu früher chirurgischer Verschluss könnte Erreger einschließen, die sich darin leicht vermehren und eine Infektion auslösen können. Oder durch das Wundsekret würde die Wunde erneut aufbrechen. Bei primär und sekundär heilenden Wunden ist die feuchte Wundversorgung anzuwenden und die Wundhygiene zu beachten. Bei Bedarf gilt es, Spezialverbände oder Spezialwundauflagen zu nutzen.

TROCKENE VS. FEUCHTE WUNDVERSORGUNG

Der Mythos „Wunden heilen am besten, wenn sie an der Luft trocknen“ hält sich weiterhin hartnäckig. Was stimmt daran nicht?

TROCKENE WUNDVERSORGUNG bedeutet zweierlei: Entweder die offene Wunde wird mit einer sterilen, trockenen Wundauflage abgedeckt und verbunden oder die Wunde darf unbehandelt an der Luft trocknen. Beide Wege entsprechen nicht den Empfehlungen der modernen Wundversorgung. Trockene Wundauflagen verkleben meist auf der Wunde und führen bei jedem Verbandwechsel zu Schmerzen oder einer erneuten Verletzung der frisch gebildeten Haut. Trocknet dahingegen eine Wunde an der Luft, bildet sich rasch eine „Kruste“. Sie wird aber inzwischen als Ergebnis des Austrocknens angesehen, die den Heilungsprozess eher stört. Vor allem beim Pferd können sich eingeschlossene Erreger vermehren, die tiefer ins Gewebe eindringen und schlimmstenfalls eine Phlegmone auslösen. Krusten behindern zudem, dass die Wundränder sich zusammenziehen können.

In der modernen Wundversorgung beim Pferd wird darauf geachtet, eine Wunde feucht zu halten. Das Prinzip der FEUCHTEN WUNDVERSORGUNG kann bei allen großen und kleinen Wunden zum Einsatz kommen. So wird nach der Reinigung ein Feuchtigkeit erhaltendes Mittel aufgetragen. Idealerweise bildet sich durch das Gel auf der Haut ein dünner, atmungsaktiver Schutzfilm, der Fliegen, Erreger und Schmutz fernhält. Das Gel ist leicht, sodass die Hautneubildung schneller verlaufen kann. Die Zwei-Phasen-Pflege als neuer Standard bedeutet: Mit nicht brennenden Wirkstoffen die Wunde zuerst reinigen und abschließend mit einem Gel feucht halten. Die feucht gehaltene Wundfläche zeigt nach neuesten Erkenntnissen auch an der Luft einen schnelleren Verschluss.

Durch eine feuchte Wundversorgung beim Pferd wird der Regenerationsprozess der Haut verbessert, das Fellwachstum gefördert und die Bildung unschöner Narben verringert.

MITTEL ZUR WUNDVERSORGUNG.

In der obigen Tabelle finden sich einige der aktuell im Veterinärbereich verwendeten Mittel/Wirkstoffe. Empfehlenswert für die Versorgung nach modernen Prinzipien ist eine Lösung, die nicht brennt und desinfizierende Eigenschaften hat. Für die Erstversorgung ist eine Reinigungsfunktion unabdingbar. Zum anschließenden Feuchthalten und Abdecken eignen sich Produkte, die die verletzte Haut vor äußeren Einflüssen wie Fliegen, Schmutz und Erreger schützen, indem sie einen luftdurchlässigen Hautschutzfilm bilden und Krustenbildung vorbeugen.
Verschiedene Kombinationen eignen sich zur feuchten Wundpflege: HOCL-Spray flüssig & HOCL Hydro-Gel oder Polihexanid-Wundspüllösung & Medizinischer Honig oder Kolloidales Silber & Medizinischer Honig bzw. Aloe-Vera-Gel. Erfahrungen aus der Praxis zeigten bei der Anwendung von BÄRALIS®-Anolyth einen komplikationslosen Wundverschluss kleiner Blessuren spätestens am zweiten Tag. Zur Behandlung großer Wunden oder bei Wundinfektionen sollte nur in Absprache mit dem behandelnden Tierarzt das passende Mittel bzw. die passende Kombination gewählt werden.

Im nächsten Teil geht es um die Erstversorgung der Wunden durch den Tierheilpraktiker, den Tierbesitzer oder den Tierarzt.

SUSAN BÄR
TIERHEILPRAKTIKERIN
PRODUKTENTWICKLERIN

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Moderne Wundversorgung, Stoffwechselkuren,
Pferdeosteopathie, Faszientraining, Autorin

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