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Serie: Wundversorgung beim Pferd - Einsatz der Homöopathie

Teil 4: Homöopathie in der Wundversorgung

Eine Wunde wird definiert als eine Verletzung der Haut und ggf. der darunter liegenden Strukturen. So werden offene und geschlossene sowie akute und chronische Wunden nicht immer mit der gleichen homöopathischen Arznei versorgt.

Eine offene Wunde entsteht durch eine Verletzung der Haut. Es gibt oberflächliche oder tiefe und komplizierte Wunden. Je nachdem, welche Hautschichten und Strukturen verletzt sind, kommen verschiedene homöopathische Mittel in Betracht. Bei einer geschlossenen Wunde befindet sich die Schädigung des Gewebes unter der intakten Haut, z.B. bei Blutergüssen, Quetschungen, Prellungen, geschlossenen Brüchen, Verletzungen an Organen oder am Bandapparat. Homöopathische Mittel sind hier für die äußerliche Verletzung, zur Stillung der Blutung und bei einer Schädigung von Nerven angezeigt.

Kleinere Wunden können Sie oft selbst versorgen. Handelt es sich allerdings um eine größere Verletzung oder ist die Tiefe der Verletzung nicht genau ersichtlich, rufen Sie unbedingt den Tierarzt. Ebenso, wenn die Verletzung entzündet, geschwollen oder schmerzhaft ist. Homöopathische Mittel werden dann oft parallel zur tierärztlichen Behandlung gegeben. Die hier genannten Hinweise und Mittel ersetzen nicht den Tierarzt oder eine Behandlung von Notfällen!

DAS PASSENDE MITTEL WÄHLEN

Die Homöopathie gehört zu den komplementärmedizinischen Behandlungsformen. Sie ist bis dato nicht wissenschaftlich anerkannt. Homöopathische Mittel sollen die Selbstheilungskräfte eines Lebewesens nach dem von Hahnemann begründeten Ähnlichkeitsprinzip stimulieren. Dieses Prinzip besagt, dass eine homöopathische Substanz, die bei einem Gesunden bestimmte Symptome auslöst, die gleichen Beschwerden bei einem Kranken heilen kann.

UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN KONSTITUTIONSMITTEL UND SOFORTHILFEMITTEL

Damit die Selbstheilungskräfte angeregt werden und der Körper wieder in sein Gleichgewicht finden kann, ist die Wahl der richtigen Arznei von zentraler Bedeutung. Nach der Klassischen Homöopathie wird das Tier in seiner Gesamtheit betrachtet. Um das passende Konstitutionsmittel zu finden, werden Lokalsymptome, Allgemeinsymptome, Gemütssymptome und Modalitäten einbezogen. Das passende Mittel zu finden, ist sehr komplex, sodass hierbei ein erfahrener Therapeut zurate gezogen werden muss. Um das richtige Arzneimittel zur Soforthilfe anwenden zu können, werden lokale Symptome, die Art der Wunde, in welchem Stadium sich die Heilung befindet, ggf. welche Störungen der Wundheilung vorliegen etc. in die Entscheidung mit einbezogen.

Die homöopathische Behandlung ersetzt nicht die lokale äußerliche Erstversorgung der Wunde. Das passende homöopathische Mittel zeigt – je nach Verletzungsstadium – seine Wirkung meist nach wenigen Minuten, spätestens nach einem Tag.

DARREICHUNG, DOSIERUNG UND DAUER

Potenzierte homöopathische Arzneien gibt es in verschiedenen Darreichungsformen: Tabletten, Globuli, Laktosepulver und Dilutionen. In Tabletten, Globuli und Pulver wird als Hilfsstoff Milchzucker (Lactose) verwendet, bei den flüssigen Dilutionen ist Alkohol der Trägerstoff.
Globuli werden direkt ins Maul bzw. in die Unterlefze oder den Maulwinkel gegeben, auch versteckt in Obst und Futter verabreicht. Alkoholische Lösungen (Dilution) werden nicht direkt ins Maul gegeben, sondern auf Brot oder Leckerli geträufelt und dann verfüttert.
Für Kleintiere sollte die Dilution nicht die Darreichungsform der ersten Wahl sein.
Die Dosierung ist eng mit der Potenz des Mittels gekoppelt. Lokale akute Symptome werden eher in niedriger Potenz behandelt, wobei die gewählte Arznei genau mit den Symptomen übereinstimmt. Der erfahrene Tierhomöopath setzt Potenzen bis C1000 ein.
Dosierung und Dauer der Gabe hängen davon ab, wie alt die Wunde ist, ob sie blutet oder nicht, um welche Art von Wunde es sich handelt (Schürf-, Riss-, Bisswunde etc.) und ob eine Wundheilungsstörung vorliegt.
Je akuter die Symptome sind, desto öfter wird die Arznei verabreicht. Akute Zustände nach frischen Verletzungen bedürfen somit häufigeren Gaben als länger zurückliegende Wunden. Tiefe Potenzen (D4, D6, D12) können im Notfall alle 5 – 10 Minuten bis zur Besserung und dann nur noch bis zu dreimal täglich gegeben werden. Potenzen ab D30 werden weniger oft verabreicht.
Dosierung und Dauer der Gabe des homöopathischen Mittels für ein Tier sollten täglich neu beurteilt und dem Heilungsprozess angepasst werden. Bei guter Reaktion kann sie bereits nach kurzer Zeit weniger oft verabreicht oder es kann auf ein anderes, besser passendes Mittel umgestiegen werden. Eine zu lange Gabe kann Symptome einer Arzneimittelprüfung auslösen.

ARZNEIMITTELPRÜFUNG

Es ist möglich, dass man ungewollt ein Mittel „prüft“. Hahnemann verabreichte die unverdünnte Substanz an gesunde Menschen. Dabei prüfte er, welche Symptome dieses Mittel bei ihnen auslöst.
Reagiert ein Tier besonders empfindlich auf ein bestimmtes Mittel, kann es sich um jene Symptome der Arzneimittelprüfung handeln. Diese können eintreten, wenn das unpassende Mittel zu lange verabreicht wurde. Werden derartige Symptome vermutet, muss von Nebenwirkungen ausgegangen und das Mittel sofort abgesetzt werden. Die Symptome dieser Nebenwirkung, ausgelöst durch eine Arzneimittelprüfung, sollten rasch wieder verschwinden. Auch der erfahrene Tierhomöopath wählt daher unter Umständen täglich neu die passende Arznei aus.

NEBENWIRKUNGEN

Als einer der wichtigsten Vorteile der Homöopathie wird häufig das Freisein von Nebenwirkungen genannt. Tatsächlich ist es so, dass die Gabe eines falschen homöopathischen Mittels praktisch keine negative Wirkung auf die Wundheilung beim Pferd hat. Um genau beurteilen zu können, ob und welche Nebenwirkungen sich zeigen, bedarf es daher einer Bewertung des Behandlungsergebnisses. Keine Reaktion kann als unerwünschte Reaktion bzw. vermeintliche Nebenwirkung, z.B. als Erstverschlimmerung, fehlgedeutet werden. Es ist wichtig, zu erkennen, weshalb es zu keiner Reaktion auf den Heilungsprozess kam:

  • Falsches Mittel: Die Arznei stimmt zu wenig mit den vorhandenen Symptomen überein.
  • Richtiges Mittel, falsche Potenz: Für die richtige Arznei wurde eine zu niedrige Potenz gewählt. Eine zu hohe Potenz hingegen kann eine Erstverschlimmerung auslösen. In diesem Fall 1–2 Tage pausieren und mit einer niedrigeren Potenz erneut beginnen. Hierzu am besten einen erfahrenen Tierarzt oder Tierheilpraktiker fragen.
  • Richtiges Mittel, falsche Dosierung: Für das richtige Mittel ist möglicherweise die Häufigkeit der Gaben zu selten, um eine Reaktion hervorzurufen. Daher sollte man die Arznei öfter geben.
  • Die Wirkung der Arznei ist blockiert: Wenn man sich mit der Wahl des Mittels sowie der Potenz sicher ist, es aber trotzdem nicht wirkt, sollte man sich an einen erfahrenen Tiertherapeuten wenden. Hier kann ein vergangenes Ereignis oder eine frühere Erkrankung die Wirkung des Mittels blockieren. Diese Blockade muss aufgelöst werden, erst dann kann die gewählte Arznei wirken.

WECHSELWIRKUNGEN

Homöopathische Mittel können in Wechselwirkung mit anderen Medikamenten treten, z.B. mit Prednisolon oder Dexamethason. Diese synthetischen Glucocorticoide wirken wie das körpereigene Kortison abwehrschwächend und können die immunstimulierende Wirkung von homöopathischen Mitteln aufheben.
Auch ätherische Öle bzw. die Aromatherapie sollten mit besonderer Sorgfalt und Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln verwendet werden, denn ätherische Öle können eine Wechselwirkung auslösen oder die Wirkung der homöopathischen Arznei sogar vollständig aufheben. Antibiotika stellen kein Problem dar; sie wirken in Verbindung mit den richtigen homöopathischen Mitteln sogar oftmals besser.

BEGLEITERSCHEINUNGEN VERSORGEN

Verzögert sich die Wundheilung, gibt es störende Begleiterscheinungen (z.B. eitrige Wunden) oder verschließt sich die Wunde nicht, sollte frühzeitig der Tierarzt oder ein auf Wunden spezialisierter Tiertherapeut hinzugezogen werden. Durch Abwarten verstreicht wichtige Behandlungszeit für die tierärztliche Versorgung und die homöopathische Behandlung des Tieres. Spätestens jetzt ist unter Umständen nicht mehr das ursprüngliche Mittel für frische Wunden angezeigt, sondern ein passenderes Mittel für die gegenwärtig aufgetretene Begleiterscheinung.
Je früher die Wundheilungsstörung behandelt wird, desto besser sind die Heilungsaussichten. Auch Wunden, auf denen sich Schorf bildet, können den Anschein erwecken, gut abzuheilen, während sich darunter Erreger nahezu ungehindert vermehren. Dies kann zu Schmerzen, Entzündungen, Lahmheiten, einer Sepsis oder, vor allem beim Pferd, zu Einschuss (Phlegmone) führen. Wichtig ist, die offene Wunde in den ersten Tagen sauber und keimarm zu halten. Daher möglichst Einmalhandschuhe tragen, die Hände vor der Behandlung desinfizieren und sterile Wundkompressen verwenden. Die Haut mit einem nicht brennenden Reinigungsspray säubern und desinfizieren. Spätestens jetzt Salben, Cremes, Alu- und Blauspray weglassen, bis die Haut sich störungsfrei verschlossen hat. Vor der Desinfektion Verschmutzungen und Eiter unter fließendem Wasser entfernen.

GRENZEN UND ALTERNATIVEN

Arnika gilt als DAS homöopathische Mittel bei Verletzungen. Bei oberflächlichen Wunden, Blutergüssen und Quetschungen ist es sehr gut geeignet.
Doch Vorsicht bei großen oder stark blutenden Wunden bei der Gabe von Arnika in höheren Potenzen: Diese können mögliche innere Blutungen sogar verstärken. Hohe Potenzen sind zu vermeiden, wenn die Wunde noch genäht werden muss. Ratsam ist es hier, gemeinsam mit dem Tierarzt abzuwägen, welche Potenz sinnvoll ist. Vorsicht ist auch bei der Reinigung offener Wunden mit Arnika-Tinktur angezeigt. Diese kann zu starken allergischen Hautreaktionen führen sowie zu Brennen durch den enthaltenen Alkohol.

Zur Reinigung offener Hautstellen eignen sich alternativ alkoholfreie Sprays, z.B. Bäralis-Anolyth. Das dazu passende Hydro-Gel mit Kieselsäure deckt die betroffenen Hautpartien ab. Der Schutzfilm ist atmungsaktiv und verhindert das Eindringen von Erregern sowie den Kontakt von Fliegen zum darunter liegenden verletzten Bereich. Nach dem Abtrocknen kann auf die saubere Wunde Calendula-Tinktur aufgetragen werden (selbst mischen im Verhältnis 1:20 mit Wasser verdünnt). Doch auch hier gut abwägen: Homöopathische Spüllösungen sind meist zum Selbermischen und bergen die Gefahr einer Infektion. Auf absolute Hygiene und saubere Gefäße achten. Ebenso eignet sich äußerlich Propolis-Tinktur. Heilerde wird vielfach aufgetragen. DMSO, Kolloidales Silberwasser und Honig sind ebenso gut homöopathieverträglich.
Offene oder nässende Wunden sollten nicht mit Cremes wie Arnika-, Calendula- oder Zinksalbe bedeckt werden. Fetthaltige Salben sorgen für einen Luftabschluss, Erreger werden unter Umständen eingeschlossen und vermehren sich. Aufgrund der Unfähigkeit von Fett, die Wundränder feucht zu halten, sollte dies erst frühestens ab der 2. Wundheilungsphase eingesetzt werden. Außerdem kann durch Cremes das Wundgewebe aufquellen. Die dünne Hautschutzschicht, die sich nach wenigen Stunden bildet, wird hierdurch verletzt, Erreger dringen erneut in die Wunde ein mit der Folge einer Infektion oder Rötung mit und ohne Haarausfall. In diesem Fall verlängert sich die 1. Wundheilungsphase mitsamt Übergang in die 2. Wundheilungsphase, da unter einer Creme die Proliferation erschwert ist. Im abschließenden Teil zur Wundversorgung geht es um die Versorgung von Wundheilungsstörungen sowie weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Regeneration.

SUSAN BÄR
TIERHEILPRAKTIKERIN
PRODUKTENTWICKLERIN

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Moderne Wundversorgung, Stoffwechselkuren, Pferdeosteopathie, Faszientraining, Autorin

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