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THERAPIE MIT BLUTEGELN

© Alexandr - FotoliaWUNDER(HELFER) DER NATUR

Durch den Einsatz in meiner Praxis durfte ich glücklicherweise schon häufig Zeugin dieser erstaunlichen Blutegel-Fähigkeiten sein, die mir immer wieder aufs Neue von meinen Kund(inn)en bestätigt wird. Leider wissen viele Menschen nichts über den Einsatz und die Eigenschaften des Blutegels. Deshalb eilt ihm zu Unrecht ein meist schlechter Ruf voraus. Dieser Artikel soll helfen, mit Vorurteilen aufzuräumen und die sensationellen Fähigkeiten dieses kleinen Blutsaugers aufzeigen.

Geschichtlicher Hintergrund

Der Blutegel existiert seit Millionen von Jahren und hat sich im Laufe der Evolution immer wieder den Bedürfnissen des Überlebens angepasst. Seit ca. 3000 Jahren werden Blutegel als Heilmittel eingesetzt. Die Menschen haben bereits früh erkannt, welches breite Spektrum bei Blutegeln besteht. Bereits 1500 v. Chr. wurden Blutegel in Ägypten, Indien, Süd-, Nordamerika und China als Therapie eingesetzt, um mit ihnen Krankheiten zu behandeln.
Sie waren schon immer Teil der Volksmedizin und in der Armee unverzichtbare Helfer bei der Wundbehandlung. Blutegel hatten zeitweise, ähnlich dem Aderlass, den Ruf eines Allheil- und Wundermittels. Nach Ansicht der damaligen Mediziner betrachtete man Krankheiten als eine Störung des Säfteflusses im Körper. Gezielter Blutverlust durch Aderlass oder Blutegelsaugen war die wichtigste Korrektur der sog. Säfteverderbnis. Bis zu 100 Blutegel wurden in der Behandlung angesetzt und innerhalb weniger Tage wiederholt. Diese Epoche der Medizingeschichte wird als „Vampirismus“ bezeichnet. Da sich Mitte des 19. Jahrhundert die wissenschaftliche Medizin in Richtung unserer modernen Schulmedizin entwickelte, geriet die Blutegeltherapie immer mehr in Vergessenheit.

Physiognomie und deren Eigenschaften

Der Blutegel ist ein Ringelwurm und mit dem Regenwurm verwandt. Ausgewachsene Blutegel sind 5-10 cm lang und erreichen im hungrigen Zustand einen Durchmesser von etwa 1 cm. Der ausgewachsene Blutegel wiegt 4-10 g und kann ca. die sechs- bis zehnfache Menge seines Körpergewichts an Nahrung aufnehmen. Das entspricht 20-50 ml Blut. Da während der Mahlzeit die wässrigen Bestandteile des aufgenommenen Blutes über die Haut wieder ausgeschieden werden, muss nur etwas mehr als die Hälfte der getrunkenen Blutmenge gespeichert werden. Die gleiche Menge fließt durch das Nachbluten in etwa noch einmal ab. Der Rücken des Blutegels besteht aus 95 Ringeln, wovon die ersten neun bis zehn den Kopf bilden. Als Lebensraum benötigt der Blutegel eine feuchte Umgebung. In regelmäßigen Abständen häutet er sich, indem er sich an rauen Steinen oder ähnlichem reibt. An seinen beiden Enden befindet sich jeweils ein Saugnapf. Der hintere dient lediglich zum Festhalten, der vordere beinhaltet die Mundöffnung mit drei strahlenförmig angeordneten Kiefern mit jeweils 80 Kalkzähnchen. Entsprechend kann der Blutegel auch nur mit dem Kopfende Blut saugen. Und er ernährt sich ausschließlich von Blut. Blutegel sind Zwitter, sodass jeder geschlechtsreife Egel einen anderen befruchten kann. Das funktioniert aber nie gleichzeitig, da die verschiedenen Geschlechtsphasen altersabhängig sind.

Foto: Fotolia

Der Beißvorgang

Blutegel leben in Tümpeln, Seen und flachen Teichen mit ausreichendem Pflanzenbefall. Man sagt, dass kranke und verletzte Tiere in der freien Wildbahn bewusst Gewässer aufsuchen, in denen Blutegel sich angesiedelt haben – wohl in der Hoffnung auf eine heilsame Behandlung. Der Blutegel verfügt am ganzen Körper über Rezeptoren, die ihm wichtige Informationen über die Beschaffenheit der Haut liefern. Mit dem Kopfteil heftet sich der Egel an der Haut fest, sodass nach dem Abfallen um die Bissstelle herum eine ringförmige Rötung zu sehen ist.
Durch die herabgesetzte Blutgerinnung blutet die Bissstelle noch 12-24 Stunden nach. Ab der 20sten Stunde nach dem Biss fängt die Wunde an zu verkrusten. Die Durchblutung in der Wundumgebung ist noch für einige Tage erhöht. Dadurch kann unangenehmer Juckreiz ausgelöst werden. Der Blutegel kann frühestens nach ein paar Monaten erneut saugen. Mit einer ausreichenden Mahlzeit kommt er aber bis zu zwei Jahre aus.

Bestandteile des Blutsaugens

Der Blutegel gibt beim Saugvorgang ein Sekret in die Wunde ab, das u. a. die Stoffe Hirudin und Calin enthält. Das Blut wird dadurch dünnflüssiger, die Kapillargefäße können sich dadurch erweitern und besser durchblutet werden. Deshalb sollte bei Menschen, die z. B. mit Aspirin oder Marcumar zur Blutverdünnung behandelt werden, keine Blutegeltherapie durchgeführt werden.
Während des Zubeißens und Saugens schüttet der Blutegel mit seinem Speichel die unterschiedlichsten Sekrete aus, von denen bis heute nur sieben bis acht benannt und erforscht sind. Man nimmt aber an, dass es bis zu 100 Substanzen im Speichel gibt. Inzwischen ist nachgewiesen, dass die Speicheldrüsen keimfrei sind. Blutegel nehmen nicht nur, sondern geben ihren „Opfern“ auch sehr viel zurück. Da sie die Gesundheit des Wirtstieres verbessern, sind Blutegel also keine Schmarotzer, sondern Symbionten.

Foto: Skotnikova - FotoliaMedizinischer Einsatz

Es gibt weltweit etwa 600 blutsaugende Egelarten, von denen etwa 14, bezeichnet als „Hirudo medicinalis“, medizinisch eingesetzt werden. Aus Hygiene- und Infektionsschutzgründen werden gezüchtete Blutegel in speziellen Becken aufgezogen und nur einmal an ihrem Opfer angesetzt. Im Humanbereich werden sie z. B. bei akuten und chronischen Gelenkschmerzen, Krampfadern, Sehnen- und Sehnenscheidenentzündungen, Bluthochdruck, rheumatischen Erkrankungen, Wirbelsäulen- und Kreuzbeinsyndromen, aber auch bei Durchblutungsstörungen nach Haut- und Gewebetransplantationen eingesetzt.

Bei Pferden im Sport- und Freizeitbereich nimmt die Blutegeltherapie ebefalls stark zu. Sie helfen bei Arthritis / Arthrose, Hufrehe, Erkrankungen des Bänder- und Sehnenapparates, Gallen- und Wirbelsäulenerkrankungen, Ataxien, Kreuzverschlag, Muskelverhärtungen, Druckstellen (Sattel / Kutschgeschirr), Ekzemen, Einschuss, Wundheilungsstörungen, Narben, Blutergüssen, Venen- und Zahnerkrankungen.

Und auch bei Kleintiererkrankungen können Egel wirksam helfen, wie z. B. bei Arthritis / Arthrose, Gelenkfehlbildungen (Dysplasien wie HD), Erkrankungen des Sehnen- und Bänderapparates, Wirbelsäulenerkrankungen, Nervenentzündungen, Muskelverhärtungen, Ekzemen, Abszessen, Wundheilungsstörungen, Narbenproblemen, Blutergüssen, Venen- und Zahnerkrankungen, Lymphbahnentzündungen uvm.

Ablauf der Behandlung

In meiner Praxis wird zunächst in einem Aufklärungsgespräch (persönlich oder telefonisch) herausgefunden, welche Behandlungsmethode die richtige ist und ob Kontraindikationen vorliegen. Der Behandlungsablauf und die Behandlungsdurchführung werden genau besprochen. Erst danach erfolgt die Anwendung der Therapie. 1-2 Tage vor der Behandlung sollten auf dem bestimmten Hautbereich keine Salben oder Medikamente aufgetragen werden, da sonst der Blutegel nicht beißen kann. Die Dauer der Anwendung liegt bei 1-1,5 Stunden pro Behandlung, wobei der Saugvorgang ca. 30-60 Minuten dauert. Es werden je nach Indikation ca. 2-4 oder mehr Blutegel für die Behandlung ausgewählt und auf die bestimmte Körperstelle aufgesetzt. Der Biss des Blutegels wird i. d. R. als angenehm empfunden. Ein leichter Juckreiz während des Saugens ist möglich. Sobald der Blutegel sich vollgesaugt hat, fällt er von selbst ab. Egel sollten niemals abgerissen werden, da sie sich sonst übergeben und die gefressene Mahlzeit wieder in die Wunde abgeben könnten. Das würde u. a. zu Entzündungen führen. Die Bissstelle wird nach der Behandlung meist offen gelassen, kann aber mit Verbandsmaterial, Teebaumöl oder einer Salbe zur Minderung des Juckreizes eingerieben werden. Im Anschluss ist es wichtig, viel zu trinken und sich bzw. dem behandelten Tier etwas Ruhe zu gönnen.
Ein bis zwei Tage nach der Blutegelbehandlung erfolgt eine Nachkontrolle. Rötungen oder Schwellungen der Wunden klingen meist innerhalb von 7-10 Tagen ab. Die entstandene Bissstelle heilt nach ein bis zwei Monaten komplett aus. Der Juckreiz verschwindet innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne. Bei vielen Erkrankungen ist eine weitere Behandlung erforderlich. Die Therapie hängt allerdings immer von der jeweiligen Erkrankung des Patienten ab.

Fazit

Das Potenzial der Blutegel und deren heilende Wirkung wird oft unterschätzt. Aufgrund der Behandlungserfolge wird sein Einsatz mittlerweile aber auch in der modernen Medizin immer mehr anerkannt. Mit seinen vielfältigen Einsatzgebieten kann man ihn sogar als medizinische Geheimwaffe bezeichnen. Dies alles ist allerdings nur die logische Konsequenz seiner Leistungsfähigkeit, denn er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Wunder(helfer) der Natur.

MARINA BIECKER MARINA BIECKER
TIERHEILPRAKTIKERIN IN EIGENER PRAXIS IM RAUM BRAUNSCHWEIG

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