Scheinträchtigkeit bei der Häsin
Wenn die Hormone fliegen
Als „Scheinträchtigkeit“ bezeichnet man eine Art Scheinschwangerschaft, die auf eine veränderte Hormonlage zurückzuführen ist. Am geläufigsten ist der Begriff Hundebesitzern, da sich bei Hunden nach einer Läufigkeit der Hormonspiegel so verändert, als wären sie trächtig. Die damit einhergehenden psychischen Auffälligkeiten des Tieres bleiben auch den Besitzern nicht verborgen. Ähnlich verhält es sich beim Kaninchen – und das bekommen auch die Artgenossen zu spüren.
Wie äußert sich eine Scheinträchtigkeit beim weiblichen Kaninchen?
Die Anzeichen einer Scheinträchtigkeit sind vielfältig: Das Tier ist nervös und aufgeregt, es brummt, knurrt und kann aggressiv gegen seinen Halter und andere Kaninchen reagieren. Eventuell besteht eine geringere Futteraufnahme. Die Häsin ist dauerhaft auf Verteidigung eingestellt, kann gegen die Hand des Besitzers und in extremen Fällen diesem sogar an dessen Hosenbeinen hoch gehen.
Man beachte: Nicht nur die scheinträchtige Häsin ist gestresst, sondern auch ihre langohrigen Mitbewohner. Das kleine „Pulverfass“ zeigt außerdem einen ausgeprägten Buddeltrieb und verteilt überall Urin und Köttel, um sein Revier nachdrücklich zu markieren.
Oft ist ein Anschwellen der Gesäugeleiste (auch mit Milcheinschuss) und des Geschlechtsteils zu erkennen, aus dem dünnflüssiges Scheidensekret austritt.
Die Häsin duldet das Aufspringen anderer Kaninchen oder berammelt diese selbst (steriler Deckakt). Im weiteren Verlauf kann sie damit beginnen, ein Nest zu bauen. Da durch den Stress das Fell recht locker sitzt, wird dieses herausgezupft und zusammen mit Heu und/oder Stroh, manchmal sogar zusammen mit Decken oder leichten Teppichen in einer Ecke bzw. im Häuschen platziert und zu einem Nest modelliert. Auch wurde beobachtet, dass anderen Gruppentieren das Fell gezupft wird.
Diese Situation ist genau im Auge zu behalten, da das Tier durch das Fellzupfen auch welches aufnimmt und verschluckt. Das kann wiederum zur Verstopfung des Magen-Darm-Traktes führen (es bilden sich sog. Bezoare). Entgegenwirkend sollten Colosan und Rodicare Hairball bereitstehen und nach Möglichkeit prophylaktisch verabreicht werden. Auch Öl-Saaten können helfen (aber Vorsicht, das sind Dickmacher!).
Das Nest sollte bitte nicht entnommen oder zerstört werden. Der Stresspegel wird erhöht, wenn die Häsin wieder mit dem Nestbau anfangen muss. Zudem wirkt es sich negativ auf die Psyche des Tieres aus. Das Nest darf erst dann entfernt werden, wenn der „Hormon-Sturm“ nach etwa 16 Tagen vorüber ist.
Wie kommt es zu einer Scheinträchtigkeit?
Oft reicht schon ein längeres Streicheln über den Rücken der Häsin oder das Kraulen des Hinterteils. Wärme und verlängertes Tageslicht, wie z.B. im Frühjahr üblich, kann ebenso ausschlaggebend sein.
Es reifen zwar regelmäßig Folikel in den Eierstöcken aus, die die späteren Eizellen enthalten, jedoch löst nicht (nur) die innere Hormonuhr den Eisprung aus, sondern erst der Deckakt durch den Rammler bzw. der sterile Deckakt durch einen kastrierten Rammler oder eine dominante Häsin. Durch den hervorgerufenen Eisprung kommt es zur Bildung von Gelbkörpern und durch Ausschüttung von Progesteron zu einer Reaktion des Körpers wie bei einer tatsächlichen Schwangerschaft.
Ist eine Kastration sinnvoll?
NACH § 6 ABS. 1 DES TIERSCHUTZGESETZES
- darf ein Tier nur kastriert werden, wenn eine Erkrankung vorliegt und die Kastration als Behandlung notwendig ist.
- wenn damit die unkontrollierte Fortpflanzung vermieden wird.
Also ja, wenn z.B. eine Gebärmuttervereiterung (Pyometra) oder Gewebeveränderungen in der Gebärmutter (Endometriale Hyperplasie) vorliegen. Hier dienen zur Diagnosestellung bildgebende Verfahren und ein Blutbild.
Zwar senkt eine Kastration durchaus den Hormonspiegel der Häsin, sie wird ruhiger und umgänglicher, jedoch können abgesehen vom Narkoserisiko einige andere gesundheitliche Probleme im Anschluss auftreten. So wird z.B. das Risiko, an Osteoporose zu erkranken, erhöht, da die Knochendichte durch eine Kastration abnimmt. Aufgrund des verringerten Stoffwechsels neigen kastrierte Tiere zu Adipositas. Vermehrte Ablagerungen von Kalzium in Nieren und Blase erhöhen die Gefahr zur Bildung von Blasen- und Nierensteinen.
Bei der Entscheidung, ob eine Kastraktion durchgeführt wird, sollte auch immer bedacht werden: Der Spuk „Scheinträchtigkeit“ ist meistens nach 14 Tagen vorbei!
Naturheilkundliche Begleitbehandlung
DUFTTHERAPIE
Hilfreich ist es, auf ein Tuch/Wattepad Öl von Lavendel oder Rosmarin zu träufeln und dieses außer Reichweite des Tieres anzubringen, damit sich der beruhigende Duft im Zimmer verteilen kann (bei Innenhaltung). Alternativ können getrocknete Lavendel- oder Rosmarinsträuße aufgehängt werden.
PHYTOTHERAPIE
Kamille, Zitronenmelisse und Schafgarbe im Futter mit anbieten.
FARBTHERAPIE
Mit Blau (beruhigend) und Lindgrün (ausgleichend).
HOMÖOPATHIE
- LILIUM TIGRINUM (TIGERLILIE): Bei aggressivem Verhalten, Fellauszupfen, Nestbau und Appetitlosigkeit.
- PHYTOLACA (KERMESBEERE): Bei Anschwellen der Gesäugeleiste (Zitzen).
- LILIUM COMPOSITUM, HEEL: Reguliert den entgleisten Hormonspiegel.
- OVARIUM COMPOSITUM, HEEL: Bei Veränderungen an den Eierstöcken, wie z.B. Zysten.
- HORMEEL, HEEL: Wirkt regulierend auf den weiblichen Zyklus und hemmt hormonell bedingte Beschwerden wie Schmerzen und seelische Verstimmungen.
BACH-BLÜTENTHERAPIE
Mit Nr. 25 – Red Chestnut.
SYLVIA RECH
SYLVIA RECH & HEIKO RECH
SEELENKANINCHEN Teil 1
SHAKER MEDIA VERLAG
ISBN 978-3956317569
15,90 €
SEELENKANINCHEN Teil 2
Neuerscheinung
SHAKER MEDIA VERLAG
ISBN 978-3956318115
15,90 €
Fotos: © Tisk – Adobe, © H. Rech, © Reicher – Adobew, ak123 – Adobe, Galyna – Adobe, imagebroker. – Adobe, zcy – Adobe, Shaker Media Verlag