Serie Wundversorgung beim Pferd: Störungen der Wundheilung & Zusatzmaßnahmen
Teil 5
WUNSCH VS. REALITÄT
Die hier gegebenen Hinweise ersetzen nicht die Behandlung durch den Tierarzt und/oder ein gezieltes Wundmanagement. Bei großen Wunden und Verletzungen ist schnellstmöglich ein Tierarzt zu konsultieren. Die Wundheilung beim Pferd zu beschleunigen ist der sehnlichste Wunsch aller, die mit verletzten Pferden zu tun haben. Letztendlich geht es beim Wundmanagement darum, den natürlichen Heilungsprozess so wenig wie möglich mit den verwendeten Mitteln und Maßnahmen zu stören. Verzögert sich dennoch die Wundheilung, ist eine Kombination mit zusätzlichen Maßnahmen sinnvoll. Hier kann der geschulte Tierheilpraktiker sehr gut unterstützen.
Die tägliche Wundbeurteilung ist wichtig. Sie gibt Hinweise zum Heilungsverlauf und zur Beurteilung, ob die ergriffenen Maßnahmen die jeweilige Wundheilungsphase optimal begleiten – idealerweise wird täglich neu über die Versorgung entschieden. So können chronische Wunden, eitrige Wunden oder wildes Fleisch mit einem individuellen Wundmanagement bestmöglich versorgt werden.
URSACHEN FÜR WUNDHEILUNGSSTÖRUNGEN
Die Erstversorgung nach modernen Grundsätzen ist das A und O zur Vorbeugung von Wundheilungsstörungen. Fehler passieren hier oft seitens der Tierbesitzer, jedoch auch in Fachkreisen herrscht noch keine Einigkeit zur Umsetzung des modernen Wundmanagements. In der Praxis begegnen mir immer wieder eine Reihe von Fehlern, die den Heilungsprozess teilweise massiv stören:
Unpassende Mittel für die Erst- und die Folgeversorgung
„Nur saubere Wunden können heilen“. Das sollte als Leitsatz berücksichtigt werden, denn oftmals werden Zinkspray, Silberspray, Heilerde, Salben oder Cremes als Fremdkörper in frische Wunden eingebracht, die dann den Heilungsprozess verzögern. Die moderne Wundversorgung wird leider selten berücksichtigt. Meist erfolgt eine trockene Wundversorgung, allerdings mit der Folge, dass sich die Heilungsdauer verlängert.
Mangelnde oder übertriebene Wundpflege Bleibt eine Wunde unversorgt offen, wird ungenügend erstversorgt oder zu spät durch den Tierarzt verschlossen, können Erreger in die Wunde einwandern und werden im Wundgewebe eingeschlossen. In der Folge wachsen die Wundränder nicht mehr zusammen und die Wunde platzt wieder auf. Ebenso verlängert eine übermäßige Wundpflege, z.B. durch Waschungen oder mechanische Reizung, wie etwa durch unpassendes Verbandsmaterial, den Heilungsprozess. Die notwendige Wundruhe wird zu wenig eingehalten.
Unzureichende Wundhygiene
Hierzu zählt das Arbeiten ohne Einmalhandschuhe bei offenen Wunden. Auch empfehle ich immer die Verwendung steriler Kompressen. Das Einbringen von Erregern über die eigenen Hände beim Arbeiten ohne Handschuhe verzögert die Wundheilung.
Verbandsfehler
Werden klassische Verbände zu fest angelegt oder erst nach 3–5 Tagen gewechselt, kann dies die Blutzufuhr und/oder die Beweglichkeit des Gewebes reduzieren. Nerven werden geschädigt und Verfilzungen von Narbengewebe gefördert. Auch ergeben sich Irritationen der Wunde beim Verbandswechsel durch Verkleben der Wundauflage auf der Wundfläche, was eine Heilungsverzögerung nach sich zieht. Wundpflaster und Spezial-Wundauflagen sind noch selten im Einsatz.
Neben den Fehlern bei der direkten Versorgung der Wunde gibt es weitere Faktoren, die Störungen in der Wundheilung begünstigen können:
Alter
Bei älteren bzw. immungeschwächten Tieren können Wunden langsamer heilen als bei jungen Tieren.
Lage der Wunde
Wunden am Pferdebein verheilen langsamer als am Rumpf. Laut Prof. Knottenbelt, Universität Liverpool, zeigen ca. 70 Prozent der sekundär heilenden Beinwunden eine gestörte Wundheilung.
Rasse
Vor allem die sekundäre Wundheilung verläuft bei Großpferden langsamer als bei Ponys, so die Beobachtungen von Prof. Knottenbelt.
Sonstiges
Nicht artgerechte Fütterung, mangelhafte Nährstoffversorgung, Probleme im Magen-Darm-Bereich, bestehende Vorerkrankungen und Stress in der Herde können die Wundheilungsdauer ungünstig beeinflussen.
ARTEN DER WUNDHEILUNGSSTÖRUNG
Störungen in der Wundheilung sind sehr vielfältig. Entscheidend sind die Größe und die Lage der Wunde sowie ihre Versorgung. Einige Beispiele habe ich hier zusammengestellt. Fieber, Lahmheiten, schwacher Puls etc. können im Einzelfall hinzukommen.
Verzögerte Wundheilung
Kleine Verletzungen bilden nach 4–6 Stunden eine geschlossene Hautschicht auf der offenen Hautstelle. In dieser Zeit sollte – falls notwendig – die Wunde durch den Tierarzt verschlossen werden. Kleine Wunden, die am 2.Tag noch offen oder infiziert sind, sind bereits heilungsverzögert. Große Verletzungen sollten nach 3–5 Tagen vom Rand her heilen (am weißen Narbengewebe erkennbar).
Wundinfektionen
Mangelnde Hygiene in den ersten Tagen nach der Verletzung, z.B. durch Wundversorgung ohne Einmalhandschuhe, ungenügende Wundreinigung, unpassende Mittel oder mangelnden Schutz vor Schmutz, Haaren und Fliegen, führt zu erhöhter Erregerkonzentration und damit zu Eiterbildung im Wundgebiet.
WUNDINFEKTION BEI 2-JÄHRIGEM WALLACH NACH KASTRATION. 3 TAGE NACH DER ENTLASSUNG AUS DER TIERKLINIK
INFIZIERTE SICH DIE OP-WUNDE (BILD 1). DER WALLACH BEKAM LEICHTES FIEBER UND DER WUNDBEREICH WAR SEHR
SCHMERZHAFT. BILD 2 ZEIGT DEN ZUSTAND 1 TAG NACH EINER EINMALIGEN BEHANDLUNG DURCH DIE BESITZERIN MIT
SPRAY UND GEL. DAS FIEBER GING ZURÜCK. ICH REINIGTE DIE WUNDE AM 3. TAG. DIE SCHMERZEN GINGEN TÄGLICH WEITER ZURÜCK. BILD 3 ZEIGT DEN ZUSTAND AM 5. TAG NACH BEHANDLUNGSBEGINN. DAS PFERD HATTE SEINE BEWEGUNGSFREUDE WIEDERGEWONNEN. BIS TAG 10 WURDE ZUR PFLEGE 1 X TÄGLICH HYDRO-GEL AUFGESPRÜHT UND BEGLEITENDE HOMÖOPATHISCHE MITTEL (ARNIKA, STAPHISAGRIA UND SILICEA) GEGEBEN.
© S. Bär
ABSZESS MIT INFEKTION BEI 26-JÄHRIGEM WALLACH. DIE STELLE AM ELLENBOGEN WAR ZUNÄCHST LEICHT ERHÖHT UND IST INNERHALB VON 48 STUNDEN ANGESCHWOLLEN. EINE ANTIBIOSE WAR AUFGRUND BESTEHENDER NIERENERKRANKUNG NICHT MÖGLICH. DIE BEHANDLUNG DURCH DEN TIERARZT, U. A. MIT EKYFLOGYL, WAR OHNE ERFOLG UND ER RIET, ZINKSPRAY AUFZUTRAGEN (BILD 1). DIE BESITZERIN NAHM VOR ORT KONTAKT ZUR PFERDETHERAPEUTIN PETRA ULFERTS AUF, DIE SICH MIT MIR AUSTAUSCHTE. BILD 2 ZEIGT DEN ZUSTAND NACH ENTFERNUNG DES ZINKSPRAYS ZU BEGINN DER BEHANDLUNG, BILD 3 ZEIGT DEN ZUSTAND 8 TAGE SPÄTER UND BILD 4 DEN ZUSTAND NACH CA. 4 WOCHEN. ZUM EINSATZ KAMEN SPRAY UND GEL, AKUPUNKTUR NACH TCVM, LASERTHERAPIE MIT MKW-LASER UND DIE VETMEDICUM-MATTE.
© S. Bär
Wildes Fleisch
Wird zu viel mechanischer Druck und Reibung aufgebaut, z.B. durch rutschende Verbände, zu häufiges Auswaschen von Salben, Cremes oder Heilerde im Wundgebiet, wird der natürliche Regenerationsprozess in der 2. Wundheilungsphase gestört und das Gewebe reagiert u.a. auf die vermehrte Beanspruchung mit Zubildung von wildem Fleisch.
WILDES FLEISCH BEI EINEM 8 MONATE ALTEN STUTFOHLEN. PLATZWUNDE (LAZERATION) LATERAL AM VORDERBEIN.
BILD 1 ZEIGT DEN ZUSTAND 12 TAGE NACH DER VERLETZUNG. DIE WUNDE WURDE TIERÄRZTLICH VERSORGT, WILDES
FLEISCH WURDE BEREITS EINMAL CHIRURGISCH ENTFERNT. ZUDEM WURDE DIE WUNDE VOR ORT DURCH JUSTINE GÖTTE (TIERPHYSIOTHERAPEUTIN UND TFA) VERSORGT UND MIT MKW-LASER BEHANDELT. DIE BESITZERIN NAHM KONTAKT ZU MIR AUF UND THERAPIERTE MIT DEM TEAM VOR ORT DIE WUNDE ZUSÄTZLICH NACH MEINER ANLEITUNG. BILD 2 ZEIGT DEN ZUSTAND 6 TAGE SPÄTER, BILD 3 WEITERE 10 TAGE SPÄTER UND BILD 4 CA. 6 WOCHEN NACH DEM GEMEINSAMEN BEHANDLUNGSBEGINN. ZUR ANWENDUNG KAMEN SPRAY UND GEL, MKW-LASER, LIGASANO-WUNDAUFLAGE UND SNÖGG-WUNDPFLASTER.
© S. Bär
WILDES FLEISCH BEI EINEM 16-JÄHRIGEN WALLACH. PLATZWUNDE (LAZERATION) LATERAL AM HINTERBEIN NACH KOLLISION MIT EINEM TRAKTOR. DIE WUNDE WURDE GENÄHT, ABER DIE NAHT HAT NICHT GEHALTEN. DIE WUNDE WURDE 14 TAGE LANG ERNEUT IN EINER KLINIK INKL. ANTIBIOSE VERSORGT. DAS PFERD KAM WIEDER IN DEN STALL ZURÜCK, ABER DIE WUNDE VERHEILTE NICHT. BILD 1 ZEIGT DEN ZUSTAND CA. 10 WOCHEN NACH DEM UNFALL. AN DIESEM TAG WANDTE SICH DIE BESITZERIN AN IHRE PFERDETHERAPEUTIN HEIKE HERRMANN ZUR WEITEREN WUNDVERSORGUNG. SIE HATTE BEREITS ERFAHRUNG MIT AKUPUNKTURPFLASTERN ZUR UNTERTSÜTZUNG DES ABFLUSSES VON WUNDSEKRET, MIT LIGASANO-WUNDAUFLAGEN UND WUNDPFLASTERN VON SNÖGG. BIOPHOTONENPFLASTER NUTZTE SIE AUF DER STIRN ZUR BERUHIGUNG WÄHREND DER BEHANDLUNG. BILD 2 ZEIGT DEN ZUSTAND 10 TAGE SPÄTER, BILD 3 DANN 13 TAGE SPÄTER UND BILD 4 CA. 6 WOCHEN SPÄTER. DIE BESITZERIN FÜHRTE DIE VERSORGUNG DES PFERDES NACH ANLEITUNG VON FRAU HERRMANN SELBST DURCH. ZUSÄTZLICH VERWENDET WURDEN SPRAY UND GEL NACH RÜCKSPRACHE MIT SUSAN BÄR.
© S. Bär
DIE LAGE DER WUNDE CRANIAL AM TARSALGELENK ERSCHWERTE DAS HALTEN DES VERBANDES. HIER WURDE NACH
DEM REINIGEN MIT LIGASANO-WUNDAUFLAGE UND SNÖGG-PFLASTER ABGEDECKT. DIE WUNDE WURDE ZUMINDEST
STUNDENWEISE FEUCHT GEHALTEN (BILD 1). BEIM VERSUCH, DIE WUNDE OFFEN ZU VERSORGEN, KAM ES ZU STARKER
KRUSTENBILDUNG (BILD 2). DIE ERNEUTE FEUCHTE WUNDVERSORGUNG WIRKTE DIESEM PROZESS ENTGEGEN, SODASS SICH DIE WUNDFLÄCHE WEITER VERKLEINERTE. ZUDEM BEGANN AM RAND DAS FELL NACHZUWACHSEN (BILD 3).
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Starke Krustenbildung
Krusten sind ein Zeichen für Austrocknung, nicht für Heilung. Die Neubildung von Hautzellen und Narbengewebe wird durch mangelhaftes Feuchthalten oder durch zu frühes Offenlassen von großen Wundflächen in vielen Fällen deutlich verlangsamt.
Wundjuckreiz
Durch zu starkes Austrocknen insbesondere bei verkrusteten Wundrändern entsteht ein ungünstiger Zug auf das Wundgebiet, das einen Wundjuckreiz auslösen kann. Das Pferd scheuert vermehrt und die teils notwendigen Verbände halten zu kurz. Die feuchte Wundversorgung wirkt dem deutlich entgegen, denn derart versorgte Wunden bilden kaum Juckreiz.
Wundschmerz
Gehört zusammen mit Schwellung, Rötung, Wärme und der Funktionseinschränkung zu den Entzündungszeichen. Diese treten vermehrt auf, wenn die Wunde zu spät erstversorgt und/oder in den ersten Tagen nach der Verletzung ungenügend weiterversorgt wurde. Bestehen die Wundschmerzen beim Pferd über mehrere Tage, ist ggf. das Wundmanagement anzupassen.
Vergrößerung der Wunde
Das kann z.B. durch Scheuern bei Wundjuckreiz verursacht werden, durch eine Verletzung der oberen Hautschicht beim Verbandswechsel oder durch Fehler in der Wundversorgung aufgrund von unpassenden Mitteln.
Phlegmone/Einschuss
Bei mangelnder Erstversorgung und/oder sich schnell vermehrenden Erregern, die unter der ersten neu gebildeten Hautschicht eingeschlossen wurden.
ZUSATZMASSNAHMEN
Eine falsche bzw. keine innerliche Antibiose zu geben, kann die Heilungsdauer verzögern. Ob und welche Antibiose notwendig ist, liegt in den Händen des Tierarztes. Je nach Größe und Schwere der Verletzung ist eine zusätzliche innerliche Stärkung ratsam. Verletzte Pferde brauchen ggf. mehr Futter, v.a. Raufutter, mehr Nährstoffe zur Unterstützung der Zellregeneration mit Zink und/oder Zeolith und eine Stärkung des Immunsystems, z.B. mit GladiatorPLUS®. Neben einem modernen Verbandsmaterial wie von Ligasano und Snögg haben sich einige Zusatzmaßnahmen in der Praxis bewährt. So etwa eine begleitende lokale Lasertherapie (z.B. mit MKW-Laser), die Behandlung mittels physikalischer Gefäßtherapie (z.B. Bemer), Elektrotherapie (z.B. Amplivet), Akupunktur, Matrixtherapie (z.B. Neurostim von Overo), Frequenztherapie, Homöopathie, Biophotonen- und Farblichttherapie. Ziel ist es, die Regeneration von normalem Narbengewebe zu fördern und den natürlichen Wundheilungsprozess zu begleiten.
FAZIT
Ich stehe Fachkreisen beratend zu den BÄRALIS-Produkten zur Seite. Gleichzeitig kann ich über diese Kooperation mein Wissen erweitern, um Wundauflagen, Gitterpflaster, Laser usw. noch effektiver einzusetzen. Der gemeinsame Austausch und das Teilen von Erfahrungen sind mir wichtig. So arbeiten wir zusammen auf ein Ziel hin. Denn: Egal, welche Art der Hautverletzung vorliegt, es sind immer gute Sachkenntnis und rasches Handeln wichtig, um einen optimalen Schutz vor Wundheilungsstörungen beim Pferd sicherstellen zu können. In meiner Praxis versorge ich Wunden beim Pferd mit und ohne Wundheilungsstörung, die Nachsorge von OP-Wunden sowie offene Stellen durch z.B. ein Ekzem. Wichtig ist mir die Abstimmung mit dem therapierenden Tierarzt bzw. dem Wundbehandler.
SUSAN BÄR
Tierheilpraktikerin Produktentwicklerin
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Moderne Wundversorgung, Stoffwechselkuren, Pferdeosteopathie, Faszientraining, Autorin
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