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Mycoplasmose: Der rätselhafte Tod im Meerschweinchengehege

Die fachgerechte Bezeichnung für diesen Feind in jeder Meerschweinchenhaltung lautet: Mycoplasma caviae. Vor etwas mehr als 10 Jahren fiel Meerschweinchenhaltern und Tierärzten eine hohe Sterberate bei vermeintlich gesunden Meerschweinchen mittleren Alters auf. Tiere, die im „besten Alter“ waren, stellten plötzlich das Fressen ein und verstarben dann häufig an einer Pneumonie. Fast epidemieartig hat sich diese bakterielle Infektionskrankheit, die Mycoplasmose, weltweit in der Meerschweinchenhaltung ausgebreitet. Neben der Pneumonie verursacht diese bakterielle Infektion auch chronische Entzündungen im Maul- und Rachenraum. Diese sind so schmerzhaft, dass die Tiere das Fressen einstellen, da das Futter aufgrund der extremen Schmerzen nicht mehr geschluckt werden kann. In jeder größeren Gruppe von Meerschweinchen dürfte sich mittlerweile mindestens ein infiziertes Tier befinden. Viele Tiere sind „stille“ Träger dieser parasitären Bakterien, entwickeln zeitlebens keinerlei Symptome und erreichen ein hohes Alter.

Bricht allerdings die Mycoplasmose bei einem Meerschweinchen aus, ist eine Behandlung sehr schwierig und fast aussichtslos. Ein langsamer, qualvoller Tod trifft viele der kleinen Nagetiere. Eine Euthanasie bei einer aktiven Mycoplasmose ist daher leider empfehlenswert.
Die parasitären Bakterien greifen bevorzugt die Schleimhäute der oberen Atemwege und der Lunge an, können aber auch den Genitalbereich betreffen sowie Polyserositis, Otitis und/oder Gelenkentzündungen hervorrufen.

Es wird zwischen zwei verschiedenen Verläufen unterschieden

1.Verlauf
Das Meerschweinchen stellt die Futteraufnahme unmittelbar und vollständig ein. Durch Auskultation und bildgebende Maßnahmen wie Röntgen lässt sich eine Pneumonie diagnostizieren. Oft werden dabei auch eine Vergrößerung des Herzens sowie Wassereinlagerungen in den Lungen festgestellt. Das Tier muss von seinem Leid erlöst werden.
Eine pathologische Begutachtung zeigt Veränderungen des Lungengewebes wie Blutungsherde und eine Verwachsung des Lungenlappens.

2.Verlauf
Das mit Mycoplasmose infizierte Tier stellt die Aufnahme von Futter langsam, aber nicht unmittelbar ein. Jedoch werden auch hier die schmerzhaften Entzündungen in Maul- und Rachenraum dazu führen, dass das Fressen nach weniger Zeit komplett eingestellt wird. Es kann durch regelmäßiges assistiertes Zufüttern (Päppeln) mit Critical Care sowie leicht gekühlten Gemüsebreien (weniger Reiz beim Abschlucken) versucht werden, das Tier einigermaßen bei seinem Gewicht zu halten. Beginnt es jedoch nach ein paar Tagen nicht wieder selbstständig genügend Nahrung aufzunehmen, empfiehlt sich auch hier aufgrund der Aussichtslosigkeit ein Einschläfern des Tieres.

THERAPIEMÖGLICHKEITEN

Bei einer geringen Futteraufnahme können durch die Gabe eines geeigneten Antibiotikums (z.B. Enrofloxacin) und engmaschigem Päppeln ein paar wenige Tiere doch „gerettet“ werden. Man sollte daran denken, dass es sich um eine Antibiose über längere Zeit handelt, die Probleme mit der Verdauung des Tieres hervorrufen kann!
Die Gabe von Rodicare Immun, Rodicare Pulmo, Vitamin-C-Präparaten oder Injektionen mit Zylexis können hilfreich sein, den kleinen Patienten zu stabilisieren. Ausschlaggebend ist hier die körperliche Verfassung bzw. der Allgemeinzustand des Meerschweinchens und das Wissen, dass durch die anschlagende Therapie das Tier trotzdem nicht immunisiert ist und Symptome weiter lebenslänglich auftreten können. Vor allem, weil die Mycoplasmose weiter an gesunde Tiere übertragen werden kann.

WAS KANN MAN TUN?

Leider gibt es bisher noch ein zu geringes Wissen über die hochansteckende Infektion Mycoplasmose bei Meerschweinchen.
Meerschweinchenliebhaber sollten mehr sensibilisiert werden, indem sie sich klar werden, dass eines ihrer Tiere aus Zoohandlungen, vom Züchter oder von Notstationen/Tierheimen stammen kann und eventuell „stiller“ Träger der Mycoplasmose ist.
Es gibt einen kostenintensiven Test (PCR). Seine Durchführung ist bei Abgabetieren nicht vorgeschrieben. Wird bei der Testung eine Infektion des Meerschweinchens mit Mycoplasmen festgestellt, bedeutet dies noch lange nicht, dass jemals Symptome bei dem Tier auftreten werden.
Eine Übertragung erfolgt über direkten Kontakt im Gehege, die Atemluft als auch über Tröpfcheninfektion. Es ist grundlegend auf eine ausgeglichene und stressfreie Gruppenhaltung zu achten. Die Meeris sollten harmonisch miteinander leben. Hygiene und Sauberkeit müssen eine Selbstverständlichkeit sein; nicht nur bei der Haltung von Meerschweinchen, sondern bei jeglicher anderer Tierhaltung auch! Man bedenke, Stress und unsaubere, unhygienische Gehege schwächen das Immunsystem, was dann wiederum einen Ausbruch von Symptomen begünstigt. Ebenso z.B. Vergesellschaftungen, Umzug, Urlaubsbetreuung in fremder Umgebung, andere schwere Erkrankungen, Versterben des Partnertieres, ungeeignete und einseitige Fütterung können sich sehr ungünstig auf das Immunsystem auswirken.

PHYTOTHERAPEUTISCH zur Stärkung des Immunsystems eignen sich: Thymian, Echinacea, Petersilie, Oregano, Pfefferminze, Sauerampfer und Salbei. Ganz nebenbei hat man hier auch noch zeitgleich eine gesunde und ausgeglichene Futteroption für seine kleinen Fellnasen. Erweitert mit Paprika und Salatgurke hat man Fütterung und Therapie in einem Napf.
Ebenfalls wirkt sich eine Kur mit Engystol ad us. vet. oder GladiatorPLUS® für kleine Heimtiere positiv auf das Immunsystem aus. Nicht zu vergessen sind Schwarzkümmelöl, Propolis und Kolostrum.

MYKOTHERAPEUTISCH können dem erkrankten Tier Shiitake, Reishi oder Agaricus blazei murill unterstützend verabreicht werden.

Zu den MANUELLEN THERAPIEN, um erkrankte Tiere zu unterstützen, gehören Infrarotlicht/Rotlicht (Wärmetherapie), Inhalation mit NaCl 0,9 Prozent oder der Einsatz eines Ultraschallverneblers mit ätherischen Ölen wie Thymian, Pfefferminze und Salbei.
Eine Haltung der Meerschweinchen auf Fleecedecken oder speziellen Pipipads hat sich als hygienischste und einfachste Haltungsart bewährt. Die Decken und Pads können in der Waschmaschine bei über 60 Grad gereinigt werden. Denn Mycoplasmen überleben Temperaturen von unter 0 Grad und von über 60 Grad nicht. Auch eine intensive Seifenreinigung eliminiert diese parasitären Bakterien.
Zum Abschluss muss noch einmal klar betont werden, dass vermutlich etwa 60 bis 70 Prozent des weltweiten Meerschweinchenbestandes mit Mycoplasmen infiziert sind und sich heute in jeder größeren Meerschweinchengruppe mindestens ein infiziertes Tier befindet. Auch können Meeris, die ohne Zweifel infiziert sind, gegen das Ausbrechen von Symptomen nahezu resistent sein, selbst wenn sie über Wochen eng mit erkrankten Tieren beieinander leben. Daher gilt es, seine Tiere genauestens zu beobachten und die Haltungs- und Fütterungsbedingungen zu optimieren, um einen Ausbruch der Infektion zu verhindern, der im schlimmsten Fall sogar komplette Meerschweinchengruppen innerhalb kürzester Zeit tötet.

SYLVIA RECH
Tierheilpraktikerin

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Tierhaltungsberatung, Tierheilkunde, spezialisiert auf Kaninchen und Meerschweinchen, Buchautorin

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