Der Doc im Dog - Therapeuten auf 4 Pfoten
So wie Besuchshunde und ihre Halter müssen auch Therapiebegleithunde auf ihre ehrenamtlichen Einsätze professionell vorbereitet und regelmäßig zertifiziert werden, bevor sie in sozialen Einrichtungen ihre heilende Wirkung beitragen können. Wer mit Tieren lebt, der weiß, welche wohltuenden Effekte sie auf uns Menschen haben. Ohne wirklich etwas zu tun, tragen sie zu unserer Lebensqualität bei. Tiere verbreiten Lebensfreude, aktivieren die Selbstheilungskräfte, senken den Blutdruck, reduzieren Spannungszustände und entstressen. In der therapiebegleitenden Arbeit mit Hunden macht der Mensch sich diese Mechanismen zunutze.
Woher kommt die wohltuende Wirkung des Hundes?
Diese Frage lässt sich mit einem einzigen Wort beantworten: Oxytocineffekt. Oxytocin, das Wohlfühlhormon, ist ein Beziehungskleber. Wir schütten es aus, wenn wir jemanden umarmen oder umarmt werden. Es ist ein wichtiger Gegenspieler des Stresshormons Cortisol. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir auch im Kontakt mit Tieren Oxytocin ausschütten – sowohl das Streicheln als auch der Blickkontakt lösen diesen Effekt aus.
Tiere werten nicht
In einer Welt, die sehr auf Leistung ausgerichtet ist und in der jeder jeden bewertet, ist es überaus wohltuend, auf ein Gegenüber zu treffen, das nicht nach Status und Gesellschaftsnormen urteilt. Dem Hund ist es egal, woher der Mensch kommt, was er trägt und wie er aussieht. Nur der freundliche Kontakt zählt. Das entspannt uns, weil wir nichts darstellen müssen.
Tiere in der Gesundheitsprävention
Wer Tiere um sich hat, leidet weniger an psychischen und körperlichen Erkrankungen. Durch den Kontakt mit Tieren sind wir häufiger in der Natur unterwegs und verlassen sogar dann das Haus, wenn das Wetter schlecht ist. Sich regelmäßig an der frischen Luft zu bewegen, beugt nicht nur depressiven Verstimmungen vor, sondern stärkt auch unser Immunsystem und steigert unsere Fitness. Tiere können uns aus der Isolation führen und uns helfen, den Alltag besser zu strukturieren.
Tiere in der Therapie
Heute sind zahlreiche Therapien, in denen Tiere eingesetzt werden, bekannt, und ihre Wirkungen wissenschaftlich untersucht. Solche Therapieformen sind z. B. die Hippo- und Delfintherapie. Aber auch Kaninchen, Hühner, Alpakas und Hunde werden erfolgreich bei der Arbeit mit Patienten, in sozialen Institutionen und Gesundheitseinrichtungen eingesetzt.
Der Hund ist am besten geeignet, Menschen in der therapeutischen oder therapiebegleitenden Arbeit zu unterstützen. Er ist nicht nur einfacher zu transportieren als ein Pferd oder ein Delfin, er ist vor allem auch daran gewöhnt, sich in geschlossenen Räumen und in Nähe von Menschen aufzuhalten. Oft sucht er von sich aus den Kontakt zum Menschen – sogar zu Fremden. Welches andere Tier kann dies ohne aufwendige Habitualisierung schon leisten?
Was macht einen guten Therapiehund aus?
Die Vorstellung, dass nur ein freundlicher Retriever ein Therapiehund sein könne, ist falsch. Grundsätzlich eignen sich alle Hunderassen und Mischlinge. Voraussetzung ist lediglich, dass der Hund gesund ist und sich nicht unwohl oder gestresst fühlt, wenn er an einem neuen Ort ist und dort auf fremde Menschen trifft. Wichtig für eine artgerechte therapeutische Arbeit mit Hund ist, dass der Hund selbst agieren kann und darf – und dass der Mensch respektiert, wenn der Hund signalisiert, keinen Kontakt mehr haben zu wollen. Therapiegeeignet sind nicht nur die quirligen und temperamentvollen Hunde, sondern oft die zurückhaltenden und ruhigen Hunde.
Wie werden Therapiehunde ausgebildet?
Eine gute Ausbildung zeichnet sich dadurch aus, dass der Mensch nicht nur zu den Möglichkeiten und Grenzen der therapiebegleitenden Arbeit und ihren Einsatzbereichen geschult wird, einschließlich Konzeption, Planung, Ablauf und Dokumentation therapiebegleitender Einsätze, sondern dass er auch lernt, seinen Hund sicher zu lesen: Wann hat der Hund Freude? Wann wird ihm etwas zu viel? etc. Einen Großteil der Ausbildung macht daher die Mensch-Hund-Kommunikation aus.
Hunde sollten in der Ausbildung niemals zu einer Handlung gezwungen werden – und sie müssen auch nicht lernen, grobes Anfassen auszuhalten. Der Hund ist unser wertvollster Partner in dieser Arbeit und soll stets geschützt werden. Im besten Fall wird er seiner Persönlichkeit entsprechend gefördert und dort eingesetzt, wo er sich wohlfühlt und Freude bei der Arbeit hat. Die Teilnehmer einer guten Ausbildung lernen unter Anleitung unterschiedliche Einsatzbereiche sowie praktische Übungen kennen – hier können Mensch und Hund auch herausfinden, wo ihre Stärken und Vorlieben liegen.
Darüber hinaus umfasst eine fundierte Ausbildung die Themen psychische Störungen, Erkrankungen, Umgang mit Aggression, ADHS, Trauma, Demenz, Angst, Hundephobie und Depression. Außerdem sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Anforderungen an die Hygiene nicht zu kurz kommen. Nicht zuletzt die Lehre vom Hund, die Kynologie, das sichere Führen des Hundes sowie der Grundgehorsam.
Wie arbeiten Therapiehunde?
Hunde werden in der therapeutischen Arbeit eingesetzt, weil man sich einige Mechanismen, die sie auslösen, zunutze machen kann. Zum Beispiel: Körperkontakt und eine entspannte Interaktion mit dem Hund führen zur Entspannung der Muskulatur. Spielen und Lachen mit Tieren bewirken biochemische Veränderungen und neuroendokrine Effekte, die z. B. in einer Verringerung des Schmerzempfindens durch Freisetzung von Beta-Endorphinen resultiert. Beim Streicheln eines Tieres senkt sich der Cortisolspiegel im Körper des Menschen.
Einige Einsatzszenarien
Der Hund kann bereits durch reine Anwesenheit die Kommunikation fördern oder Entspannung verbreiten. Das wird bei Besuchshunde-Diensten in Kindergärten und Schulen genutzt. „Lesen mit Hund“ führt häufig zu überraschenden Resultaten, weil Kinder gerne vorlesen, wenn jemand entspannt daliegt und aufmerksam zuhört – ohne zu bewerten oder zu urteilen. Der Hund kritisiert nicht, wenn ein Kind fehlerhaft oder langsam liest.
Natürlich kann der Hund auch aktiv mit dem Klienten in Kontakt treten. Das kann in Form eines Ballspiels sein, wenn z. B. die Mobilität gefördert werden soll. Auch kognitive Fähigkeiten können durch die Arbeit mit einem Hund unterstützt werden, wenn der Klient Spaß daran hat, dem Hund Kommandos zu geben und ihm Leckerli versteckt. Das kann u. a. bei der therapeutischen Arbeit mit Schlaganfall-Patienten genutzt werden.
Der Hund hat die Fähigkeit, Stimmungen aufzunehmen und darauf zu reagieren – diese intuitiven Formen der Interaktion kann man sich in zahlreichen weiteren therapeutischen Übungsszenarien zunutze machen.
Wo können Therapiehunde eingesetzt werden?
Ein häufiges Einsatzgebiet ist die Arbeit mit Senioren: Hier kann z. B. beim Besuch die Mobilität gefördert werden. Der Kontakt mit dem befellten Therapeuten spendet durch den Oxytocineffekt oft noch weit über den Hundebesuch hinaus Lebensfreude und Kontaktfreudigkeit – häufig hält auch die positive Wirkung auf die kognitiven Fähigkeiten lange an.
In Schulen und Kindergärten können Hunde einen wichtigen Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen und zur Übernahme von Verantwortung leisten. Die Arbeit mit Hunden ist auch Gefahrenprävention, denn die Kinder lernen früh den richtigen Umgang mit einem Hund kennen und die angemessene Reaktion auf ihr Verhalten. Damit lässt sich die Empathiefähigkeit fördern.
In Hospizen und Krankenhäusern spenden Hunde Lebensfreude. Sie können unterstützend eingesetzt werden, um Selbstheilungskräfte zu mobilisieren. Nicht zuletzt unterbrechen sie den oft gleichförmigen und anonymen Klinikalltag. In Einrichtungen für psychisch Kranke sowie in Behinderteneinrichtungen tragen Hunde dazu bei, Menschen zu mobilisieren, sie aus ihrer Isolation zu holen und die Kommunikation zu fördern.
In vielen Praxen werden Hunde eingesetzt, um Genesungsprozesse zu beschleunigen. Das kann in der Gesprächstherapie passieren, um die Kommunikation zu fördern, oder in der Ergo- und Physiotherapie für die Mobilisierung.
Es gibt zahlreiche sinnvolle Einsatzbereiche für gut ausgebildete Therapiehunde-Teams. In der Gesellschaft findet die Therapie mit Hunden immer größere Akzeptanz, selbst auf Krebsstationen sind häufig Hunde zu finden. Früher weit verbreitete Bedenken wegen mangelnder Hygiene sind in vielen Einrichtungen in den Hintergrund getreten, da die heilende und unterstützende Wirkung überwiegt.
Die Forschung befasst sich intensiv mit der Heilkraft des Hundes auf den Menschen – ich bin überzeugt, wir werden in den kommenden Jahren noch einige erstaunliche Details erfahren.
Darüber hinaus kann auch ein Familienhund oder Alltagsbegleiter ganz ohne Ausbildung Glück und Lebensfreude spenden und durch sein reines Dasein, Reagieren, Zuhören und Versorgt-werden-wollen therapeutische Arbeit leisten. Aus Forschung und Medizin ist bekannt, dass Heimtierbesitzer durch den täglichen Umgang mit Tieren gesünder leben, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben und einen engen Kontakt zu ihrer Umwelt pflegen.
STEPHANIE LANG VON LANGEN
TIERPSYCHOLOGIN
HUNDETRAINERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
- Verhaltenstraining
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- Ausbilderin von Therapiehundeteams
- Therapiebegleitete Arbeit in Schulen, Seniorenheimen und Psychiatrien
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