Schildkröte & Co. Reptilien in der Tierheilpraxis
Reptilien sind faszinierende Lebewesen, die oft im Schatten der felltragenden Haustiere wie Hunde oder Katzen stehen. Sie sind Meister der Anpassung und haben außergewöhnliche Fähigkeiten. Daher erfreuen sich diese „Exoten“ immer größerer Beliebtheit bei uns Menschen, jedoch ist eine artgerechte Haltung essenziell für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Obgleich die richtige Haltung bei jeder Tierart an erster Stelle stehen sollte, gibt es bei Reptilien spezielle Aspekte, die wichtig für deren Gesundheit sind. Bei der Anschaffung eines solchen Tieres sollte unbedingt beachtet werden:
Terrariumgröße und -gestaltung Temperaturzonen und Luftfeuchtigkeit Beleuchtung, (ggf. UVB-Licht) soziale Bedürfnisse (Einzel- oder Gruppenhaltung) artgerechte Ernährung, evtl. Supplementierung von Mineralien und Vitaminen
Verhalten und Beschäftigungsmöglichkeiten Winterschlaf regelmäßige Gesundheitskontrollen
Viele Erkrankungen bei Schildkröten resultieren aus falscher Ernährung und unzureichender Haltung. Ein häufiger Fehler ist eine zu geringe Kalziumzufuhr oder ein Mangel an UVB-Licht, was zu Knochenschwäche (Rachitis) führen kann
SCHILDKRÖTEN
In der Tierheilpraxis verdienen die Exoten besondere Aufmerksamkeit, da sie oft einzigartige Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich bringen. Es gibt Tierheilpraktiker, die eng mit Tierschutzorganisationen zusammenarbeiten und sich speziell auf die Bedürfnisse von Schildkröten oder Exoten und deren Vermittlung spezialisiert haben.
Schildkröten sind mittlerweile populäre Haustiere, die bei artgerechter Haltung ein hohes Alter erreichen können. Neben den häufig gehaltenen europäischen Arten, z. B. Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni), werden von erfahrenen Haltern auch gerne exotische Arten wie Stern-(Astrochelys radiata) oder Pantherschildkröten (Stigmochelys pardalis) gehalten.
Da Schildkröten, wenn sie erkranken, oft erst sehr spät und nur unspezifisch klinische Symptome zeigen, stellt die Laboruntersuchung neben der klassischen klinischen Untersuchung und Bildgebung die wichtigste Möglichkeit der Diagnostik dar, um schnell und frühzeitig eine genaue Diagnose stellen zu können. Dies ist besonders im Spätsommer bei Tieren aus gemäßigten Klimazonen wichtig, hier wird vor der Winterruhe eine ausführliche Diagnostik empfohlen, um ein „böses Erwachen“ bzw. „Nichtmehr-Erwachen“ während und nach der Winterruhe zu vermeiden.
HILFREICHE LABORUNTERSUCHUNGEN: HÄMATOLOGIE, BIOCHEMIE, PARASITOLOGIE, MOLEKULARBIOLOGIE, SEROLOGIE
Insbesondere können Beeinträchtigungen der Leber oder Niere während der Winterruhe für Schildkröten gefährlich werden. Bei den klinisch-chemischen Parametern kann es abhängig von Spezies, Geschlecht, Jahreszeit und Temperatur zu Veränderungen einzelner Parameter kommen, die beachtet werden müssen. Auch die Beimengung von Lymphe führt zu erniedrigten Proteinen, leberassoziierten Enzymen, Harnsäurewerten und einer Verschiebung der Elektrolyte. Aufgrund der starken Variation der Normalwerte bei einigen Spezies empfiehlt es sich, Blutuntersuchungen auch bei gesunden Tieren durchzuführen, um die Ergebnisse im Krankheitsfall besser vergleichen und interpretieren zu können.
Je nach Reptilienart (z. B. Schlange, Echse, Schildkröte) gibt es verschiedene empfohlene Stellen zur Blutentnahme: bei Echsen die Schwanz- oder die Halsvene. Anatomische Unterschiede zwischen den Arten erfordern eine gute Kenntnis der spezifischen Blutgefäße
BLUTUNTERSUCHUNGEN
Blutuntersuchungen bei Reptilien sind eine diagnostisch probate Möglichkeit zur Beurteilung ihrer Gesundheit. Hier eignet sich am besten Lithium-Heparinblut. Die klinische Chemie ist dabei besonders wichtig für die Überprüfung der Organfunktionen. Um die besten diagnostischen Möglichkeiten für Reptilien zur Verfügung zu stellen, haben wir unser Spektrum erweitert. Neben Organparametern, die einzeln sowie kompakt als Reptilienscreen gebucht werden
können, bieten wir auch im Bereich Hämatologie Blutbilder an, die über einen ungefärbten Blutausstrich angefertigt werden.
NIERENERKRANKUNGEN
Als wichtigstes Endprodukt des Protein- und Purinstoffwechsels bei terrestrischen Schildkrötenarten dient die Harnsäure als Hauptindikator für Nierenerkrankungen. Starke Erhöhungen kommen bei diversen Nierenerkrankungen, Gicht und Nierenfunktionsstörungen durch Bakteriämie und Septikämie vor sowie bei Nierennekrosen durch nephrotoxische Medikamente wie Aminoglykoside und Sulfonamide. Durch die Fütterung tierischer Kost, wie sie z. B. physiologischerweise bei einigen Wasserschildkrötenarten durchgeführt wird, kann es ebenfalls zur Erhöhung der Harnsäure kommen. Erniedrigte Werte kommen im Zusammenhang mit Lebererkrankungen vor. Harnstoff spielt bei terrestrischen Arten nur eine untergeordnete Rolle, da die Werte auch bei hoher Harnsäure lange Zeit im Normbereich bleiben. Bei aquatilen Arten dient Harnstoff als Ausscheidungsprodukt des Proteinstoffwechsels, wodurch er eine größere Rolle für die Nierendiagnostik spielt. Bei Nierenerkrankungen kommt es zum Anstieg des Phosphatgehaltes im Blut, jedoch kann eine Hyperphosphatämie auch durch exzessive Zufuhr mit Nahrung, Hypervitaminose D und Hämolyse bedingt sein. Bei Jungtieren ist der Phosphatgehalt neben dem Kalzium und der alkalischen Phosphatase durch das Knochenwachstum physiologisch erhöht.
LEBERERKRANKUNGEN
Als Indikator für Leberzellschäden dient vor allem die GLDH (Glutamatdehydrogenase). Diese kommt natürlicherweise in den Mitochondrien der Leberzellen vor und wird erst durch Zerstörung der Zellen ins Blut freigesetzt. Weitere Enzyme aus den Leberzellen sind ALT (Alanin-Amino-Transferase), AP (Alkalische Phosphatase) und AST (Aspartat-Amino-Transferase). Sie sind nicht nur in der Leber, sondern auch in anderen Organen des Körpers zu finden, sodass sie als nicht sehr spezifisch gelten und im Zusammenhang mit anderen Blutwerten interpretiert werden müssen. Als Leberfunktionsparameter dienen Stoffe, die von der Leber synthetisiert werden und bei einer Störung der Leberfunktion erniedrigt oder erhöht sind. In diesem Zusammenhang ist die Gallensäure zu nennen. Diese kann auch durch eine Verlegung der Gallengänge und Dehydration verändert sein. Weitere Funktionsparameter sind die Eiweißfraktionen im Blut, die ebenfalls durch Nahrungsaufnahme und die Nierenfunktion beeinflusst werden. Zur Diagnostik von Leber-
zellverfettungen kann es sinnvoll sein, den Triglyzerid- und Cholesterinspiegel im Blut zu bestimmen, da diese Werte in diesem Zusammenhang erhöht sind. Zu beachten ist, dass diese bei Weibchen während der Eianbildung (Vitellogenese) physiologisch erhöht sind.
HÄMATOLOGIE
Durch die Bestimmung des Hämatokrits kann eine Anämie oder Dehydration diagnostiziert werden. Die hämatologische Untersuchung kann eine wichtige Information im Hinblick auf Entzündungen liefern. Verschiebungen in der Zellzahl fallen bei Reptilien geringer aus als bei Säugern und sind schwieriger zu interpretieren. Hier können auch bakterielle und parasitäre Infektionen sowie Stress zu einem Anstieg der heterophilen Granulozyten führen. Die eosinophilen Granulozyten sind bei parasitären Infektionen und einer Stimulation des Immunsystems erhöht. Erhöhte Lymphozytenzahlen kommen bei Wundheilung, Entzündungen, parasitären und viralen Infektionen vor. Veränderungen in der Morphologie der einzelnen Zellen können Hinweise auf Infektionen geben.
Im Blutausstrich können Parasiten oder Einschlüsse durch virale oder bakterielle Infektionen diagnostiziert werden, welche jedoch nicht mit Artefakten verwechselt werden dürfen, die z. B. durch die Herstellung oder Trocknung des Ausstrichs entstanden sind. Spezies, Geschlecht, Alter und physiologischer Zustand des Tieres beeinflussen Anzahl und Verhältnis der verschiedenen Leukozyten. Zu beachten ist daher, dass es physiologisch zu starken saisonalen Schwankungen in der Zellverteilung kommen kann.
SEROLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
Die bei Schildkröten eingesetzten serologischen Untersuchungen weisen Antikörper gegen bestimmte Erreger nach und können somit auf längere Zeit zurückliegende Infektionen hinweisen. Bisher stehen nur für Landschildkröten serologische Untersuchungen zur Verfügung. Das Plasma dieser Tiere kann im Labor auf Antikörper gegen die am häufigsten vorkommenden Herpesviren untersucht werden. Da Herpesviren latente Infektionen verursachen, sollten alle Tiere, bei denen Antikörper nachgewiesen werden, unabhängig vom Gesundheitsstatus als dauerhafte Träger angesehen werden.
ELEKTROPHORESE
Neben der Hämatologie kann die Ektrophorese nützliche Informationen über den Gesundheitszustand der Schildkröte liefern. Zum einen weist sie zuverlässige Albuminwerte aus, zum anderen können durch die Auftrennung der Globuline Aussagen darüber getroffen werden, ob es sich bei der Erkrankung des Tieres eher um einen akuten oder chronischen Prozess handelt. Wichtig zu beachten ist, dass sich die Elektrophoresekurven stark zwischen den einzelnen Arten unterscheiden und viele weitere Faktoren, z. B. das Geschlecht und die Jahreszeit, Einfluss auf die Proteine haben.
PARASITOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
Darmparasiten können das Tier während des Winterschlafs durch Schädigung der Darmwände, Blutentzug und Freisetzung toxischer Stoffwechselprodukte schwächen. Daher sollte bei allen Tieren im Spätsommer eine Kotprobe auf möglichen Parasitenbefall untersucht werden.
Wichtig zu beachten ist, dass es nach einer medikamentösen Behandlung der Parasiten bis zu 6 Wochen dauern kann, bis alle Medikamentenrückstände verstoffwechselt wurden und das Tier sorgenfrei in den Winterschlaf gehen kann. Die parasitologische Untersuchung ist bei jeder Tierart möglich. Bei geringen Kotmengen empfiehlt es sich, einen Abstrich mit Transportmedium vom Kot einzusenden, um das Austrocknen des Probenmaterials zu vermeiden.
MOLEKULARBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
Während der Winterruhe ist die Funktion des Immunsystems eingeschränkt, sodass die körpereigene Abwehr gegen Infektionserreger stark verringert ist. Damit es nicht zu Übertragung und Ausbruch von Erkrankungen kommt, sollten die Tiere frei von Infektionserregern sein. Hierzu gehören Herpes-, Rana- und Torchi-(Picorna-) viren. Herpesviren werden in Rachentupfern mittels PCR-Test nachgewiesen, Rana- und Torchiviren in Rachen- und Kloakentupfern. Mykoplasmen kommen bei Schildkröten häufig vor und können in Rachentupfern und Nasenspülproben belegt werden. Neben den Herpesviren können auch Antikörper gegen Torchiviren (Familie der Picornaviridae) bei Landschildkröten nachgewiesen werden. Diese können besonders bei Jungtieren zu Nierenerkrankungen und einer Erweichung des Panzers führen.
MIKROBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
Verschiedene Bakterien und Pilze können relevant für die Gesundheit von Reptilien sein. Allerdings sind viele fakultativ pathogen und kommen auch bei gesunden Tieren vor, sodass solche Untersuchungen nur bei kranken Tieren und spezifischen Lokalisationen sinnvoll sind.
REPTILIENDIAGNOSTIK DER ZUKUNFT
Um auch in Zukunft die bestmögliche Diagnostik bei Reptilien gewährleisten zu können, sind wir ständig bemüht, unser Leistungsspektrum zu erweitern.
Vielen Dank an dieser Stelle an die Tierheilpraktikerin Amine Fehr und die Reptilienauffangstation der Städteregion Aachen, die sich mit Leib und Seele um das Wohl und die Vermittlung ausgesetzter Reptilien kümmern.
Näheres zur Arbeit der Reptilienauffangstation auf:
www.reptilienauffangstation-aachen.de
Bei Fragen zu diesem Thema, zögern Sie nicht uns anzurufen oder schreiben Sie uns eine E-Mail. Wir beraten Sie gerne!
Herzlichst Ihr Vetscreen-Team in Kooperation mit der Reptilienauffangstation der Städteregion Aachen
www.vetscreen.de