Skip to main content

Zahnstein - Unterschätztes Hygieneproblem

Foto: Kalim – FotoliaEin scheinbar harmloses Problem mit schwerwiegenden Folgen

Futterreste, Speichelinhaltsstoffe und Bakterien, die physiologisch in der Mundhöhle von Hund, Katze und auch uns Menschen vorkommen, führen dazu, dass sich auf den Zähnen ein Belag bildet, der  im Fachjargon „Plaque“ genannt wird. Durch Einlagerung von Mineralsalzen aus dem Speichel verfestigt sich dieser Belag zu gelblich-braunem Zahnstein, der die Zähne wie ein Panzer umschließt  und sich im fortgeschrittenen Stadium negativ auf die Zahngesundheit im Sinne der Entstehung einer Parodontitis auswirkt und sogar auch zu Schäden an inneren Organen führen kann.

Auch Hunde und Katzen haben Zahnschmerzen

Wie beim Menschen lässt sich bei Hund und Katze ein Zahnstein freies Gebiss leicht an strahlend weißen Zähnen erkennen. Die Mundflora befindet sich im Gleichgewicht, Speichel und Zungenbewegungen reinigen ausreichend gut die Zähne. Dieser Idealzustand ist allerdings sehr selten, denn über 80 Prozent unserer älteren Hunde und Katzen leiden an Zahnstein. Besonders gefährdet sind kleine, kurzschnäuzige Hunderassen, Tiere mit Zahnfehlstellungen sowie Hunde und Katzen ab einem Alter von drei Jahren. Anfänglich zeigt sich Zahnbelag in der Regel an den Reiß- und Backenzähnen, in fortgeschrittenen Stadien auch an den Schneidezähnen. Durch Einlagerung von Mineralsalzen festigt sich die Plaque zum harten Zahnstein, an dessen rauer Oberfläche mehr und mehr Ablagerungen hängen bleiben, das Zahnfleisch irritieren und am Ende zur Parodontitis führen. Während sich weicher Zahnbelag noch leicht durch u.a. Zähneputzen entfernen lässt, gelingt dies bei hartem Zahnstein bei Hund und Katze meist nur noch durch eine professionelle Zahnreinigung in Narkose. Wird der Zahnstein nicht entfernt, führt dies zur Entwicklung einer Zahnfleischentzündung. Das entzündete, geschwollene Zahnfleisch stößt nun am Zahnstein an und ermöglicht so besonders aggressiven Bakterien das Wachstum. Durch Einblutungen zwischen Zahnfleisch und Zahnstein bekommen diese Bakterien zusätzlich Nährstoffe und die Entzündung breitet sich im Zahnbett aus. Somit ist der Grundstein für die Entwicklung einer Parodontitis, einer Entzündung des Zahnhalteapparates, gelegt. Diese Schmerzen sind durchaus mit den Zahnschmerzen beim Menschen vergleichbar, sodass sich gut nachvollziehen lässt, warum sich viele von massivem Zahnstein betroffene Tiere öfter mal zurückziehen oder beim Kauen den Kopf schief halten. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Zahnhalteapparat vielfach stärker mit sensiblen Nerven versorgt wird als die Haut.

Das Übel am Geruch erkennen

Aufgrund der massiven bakteriellen Besiedelung des Zahnsteins lässt sich der Prozess mit einer Art Gärung vergleichen, was verständlich macht, warum betroffene Hunde und Katzen übelsten Mundgeruch aufweisen. Und genau das ist es, was Tierbesitzern einen Hinweis darauf gibt, dass ihr Hund oder ihre Katze an einer Zahnerkrankung leidet. Schreitet der Prozess fort, greifen die Bakterien den Zahnhalteapparat an, was bis zum Zahnverlust führen kann, sie können auch über die Blutbahn in den gesamten Organismus gestreut werden und zu erheblichen Organschäden führen. Betroffen sind insbesondere Nieren, Leber, Lunge und Herz.

THP 2 19 Page20 Image1Bakterien lösen Entzündungen aus

Werden die im Zahnstein lebenden Bakterien über den Blutkreislauf zu den einzelnen Organen des Körpers transportiert, können sie dort ebenso Entzündungen auslösen wie am Zahnfleisch. So konnte sowohl beim Menschen als auch bei unseren Haustieren festgestellt werden, dass bei Patienten, die Probleme an den Herzklappen aufweisen, die Ursache oft an Entzündungen in Mund- bzw Maulhöhle liegt. Die ausgeschwemmten Bakterien lagern sich an den Herzklappen an, lösen Entzündungen aus und führen letztlich dazu, dass die Klappen vernarben. Konsequenz daraus ist ein mangelhafter Klappenschluss, der dazu führt, dass das Blut nicht mehr vollständig in den Körper gepumpt wird. Der nicht abgepumpte Teil des Blutes bleibt zunächst im Vorhof und wandert später in der Lunge zurück, bis es zur Stauung kommt. Die Vorhöfe vergrößern sich und verlieren ihre Pumpkraft. Beobachtet wird diese Problematik besonders häufig bei Dackeln, Pudeln, Yorkshire Terriern und Cocker Spanieln.
Ähnlich schwerwiegende Folgen kann Zahnstein an den Nieren oder der Leber auslösen, wenn es dort aufgrund der bakteriellen Ausschwemmung ebenfalls zu Entzündungen kommt.

Narkoserisiko meist überschätzt

THP 2 19 Page20 Image2Wird Zahnstein nicht regelmäßig entfernt, ist die Folge eine Parodontitis, die oftmals mit Zahnverlust einhergeht und nicht rückgängig zu machen ist. Deshalb ist es besonders bei älteren Tieren wichtig, die Zähne regelmäßig vom Tierarzt kontrollieren und den Zahnbelag bzw. den Zahnstein entfernen zu lassen. Wie in der Humanmedizin gibt es auch in der Tiermedizin mittlerweile Tierärzte, die sich auf Zähne spezialisiert haben und sich Fachtierarzt für Zahnheilkunde nennen dürfen, sodass man als Tierbesitzer sicher sein kann, dass sich die Zähne des eigenen Tieres in besten Händen befinden.
Hat sich bereits Zahnstein gebildet, kann dieser nur noch mittels professioneller Zahnreinigung (PZR) entfernt werden. Da für Hunde und Katzen diese Prozedur unangenehm ist, da unsere Haustiere Ultraschallwellen hören können und mit viel Wasser gearbeitet werden muss, kann die professionelle Zahnreinigung nur in Narkose durchgeführt werden. Auch ist eine gründliche Untersuchung aller Zähne sowie die besonders wichtige Behandlung im Bereich der Zahntaschen im Wachzustand nicht möglich. Da jedoch die Meinung vorherrscht, dass gerade bei älteren Tieren eine Narkose immer mit erhöhtem Narkoserisiko verbunden ist, schrecken viele Tierbesitzer vor einer Zahnreinigung in Narkose zurück. Doch hinsichtlich der Auswirkungen, die Zahnstein haben kann, und der Zahnschmerzen, die für das Tier damit verbunden sind, ist diese Angst unbegründet. Mit den modernen Anästhesiemethoden, mit denen Tierärzte heute arbeiten, lässt sich die Narkose exakt dosieren und überwachen, sodass das Risiko eines Narkosezwischenfalls auch bei alten Tieren als sehr gering eingeschätzt werden kann. Das Narkoserisiko ist in jedem Fall geringer als die Gefahren, die von Zahnerkrankungen ausgehen.
Wurde der Zahnstein entfernt, werden die Zähne noch in Narkose gründlich poliert, sodass Unebenheiten geglättet werden und sich Bakterien und Mineralsalze nicht mehr so leicht anhaften können. Außerdem werden Maulhöhle und Zunge desinfizierend gespült und die Zähne abschließend fluoridiert. Nur durch regelmäßige professionelle Zahnreinigungen und gründliches tägliches Zähneputzen lässt sich die Maulhöhle bis ins hohe Alter gesund und schmerzfrei halten.

Vorbeugen ist die beste Therapie

THP 2 19 Page21 Image2So wie wir selbst unsere Zähne pflegen, so können auch die Zähne unserer Vierbeiner durch regelmäßiges Putzen gepflegt und damit gesund gehalten werden. Das klingt im ersten Moment absurd und fast unmöglich, insbesondere, wenn das Haustier eine Katze ist, doch bei Katzen kann man die Zähne putzen wie beim Hund.
Am einfachsten ist dies, wenn man die Möglichkeit hat, sein Tier bereits im Welpenalter an das Zähneputzen zu gewöhnen, was aber nicht heißt, dass das nicht auch in hohem Alter noch möglich ist. Beginnen sollte man mit einem einfachem Lefzen hochziehen, z.B. im Rahmen einer Schmuseeinheit, sodass das Anschauen der Zähne für das Tier mit der Zeit zur Normalität wird. Ist das geschafft, sollte man immer wieder mal mit dem Finger über die Zähne streichen und das Tier anschließend kräftig beschmusen oder mit einem Leckerli belohnen. Ist auch diese Phase zur Normalität geworden, kann damit begonnen werden, den Finger mit einer Hunde- oder Katzenzahnpasta zu bestreichen und damit über die Zähne zu streichen. Zahnpasta für Tiere schmeckt gut und schäumt nicht, sodass Hunde und Katzen sich schnell daran gewöhnen. Die im Handel oder beim Tierarzt erhältlichen Tierzahnpasten sind so konfiguriert, dass sie die Zähne auch dann gut reinigen, wenn statt einer Zahnbürste der Finger verwendet wird.
Werden die Zähne mit einer Zahnbürste geputzt, sollte darauf geachtet werden, dass – wie bei uns selbst – von rot nach weiß gebürstet und möglichst wenig Druck ausgeübt wird, um das Zahnfleisch nicht zu verletzen.
Gelingt das Zähneputzen beim eigenen Haustier gar nicht, kann man sich mit speziellen Ernährungsangeboten wie Kaustangen, zahnreinigendem Trockenfutter und sonstigen Kauartikeln behelfen. Hierbei ist allerdings zu beachten, die gegebenen Kauartikel von der normalen Ernährungsration abzuziehen, um dem Tier nicht übermäßig viele Kalorien zuzuführen.
Die Kombination von regelmäßiger professioneller Zahnreinigung, Zähneputzen, Gabe zahnreinigender Kauartikel oder speziellem Trockenfutter zur Zahnreinigung hat sich als beste Methode bewährt, die Zähne des Tieres bis ins hohe Alter gesund zu halten. Und wie wir selbst freut sich auch unser Hund oder unsere Katze darüber, auch noch in hohem Alter kraftvoll zubeißen zu können.

DR. MARTIN FLORIAN BUCKDR. MARTIN FLORIAN BUCK
PRAKTISCHER TIERARZT UND FACHTIERARZT 
FÜR ZAHNHEILKUNDE DER KLEINTIERE 
PRAXIS IN ROTTENBURG/LAABER

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE

  • Zahnheilkunde bei Hund und  Katze
  • Kieferorthopädie
  • Kieferchirurgie 

KONTAKT
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Foto: Kalim – Fotolia, Shutterstock

< zurück