Die Schilddrüse - Steuerzentrale des Stoffwechsels
Anatomisch betrachtet liegt die Schilddrüse (med.: Thyreoidea) bei Hunden und Katzen – dem Menschen entsprechend – im unteren Halsbereich links und rechts der Luftröhre an. Im Gegensatz zur Spezies Mensch, bei der die Schilddrüse relativ groß ist und palpatorisch gut untersucht werden kann, ist sie bei Hunden und Katzen sehr klein und von außen schwer zu tasten.
Es handelt sich bei unseren Vierbeinern also um ein winziges Organ, das trotz geringer Größe im Körper wichtige Aufgaben übernimmt und daher als die Schaltzentrale des Stoffwechsels angesehen wird.
Hormoneller Regelkreis
Die Hauptaufgabe der Schilddrüse ist die Hormonproduktion. Im Zusammenspiel mit der Hirnanhangdrüse (med.: Hypophyse) regelt sie im Körper hormonell den Stoffwechsel, den Kreislauf, das Wachstum und die Psyche. Sie bildet die jodhaltigen Hormone Thyroxin (T4), Trijodthyronin (T3) und Kalzitonin. T3 und T4 steuern dabei wichtige Stoffwechselvorgänge im Körper, Kalzitonin kontrolliert den Kalziumhaushalt. Die Bildung dieser Hormone ist abhängig von der Aufnahme an anorganischem Jod aus der Nahrung, das über ein spezielles Transportprotein in der Schilddrüse angereichert wird. Alle Zellen des Organismus sind mit Rezeptoren ausgestattet, die freies T4 und T3 binden können, aber eine bis zu 15-fach höhere Affinität für T3 aufweisen. Damit kann T3 als das regulierende Hormon des Zellstoffwechsels angesehen werden.
Der Regelkreis zwischen Hirnanhangdrüse und Schilddrüse sorgt dafür, dass der Hormonhaushalt des Körpers im Gleichgewicht gehalten wird. Wird dieses gestört, kommt es zur Krankheit. Werden z.B. Schilddrüsenzellen zerstört, können nicht mehr genügend Hormone produziert werden und die Schilddrüse arbeitet mit reduzierter Leistung, sodass eine Unterfunktion (med.: Hypothyreose) vorliegt. Werden zu viele Schilddrüsenhormone produziert, weil die Schilddrüse, z.B. bedingt durch einen Tumor, mit erhöhter Leistung arbeitet, liegt eine Überfunktion (med.: Hyperthyreose) vor. Beim Menschen traten Schilddrüsenüberfunktionen früher vor allem in Jodmangelgebieten auf. Den Jodmangel versuchte die Schilddrüse durch vermehrte Hormonproduktion auszugleichen, was zur Folge hatte, dass sie sich durch die Mehrarbeit stark vergrößerte und einen sichtbaren „Kropf“ bildete. Diese Problematik besteht heute aufgrund der angepassten Ernährungssituation nicht mehr.
Auch beim Haustier spielt Jodmangel bei Schilddrüsenerkrankungen keine Rolle. Beeinflusst wird der Schilddrüsenhormonhaushalt hingegen von Geschlecht, Alter, Rasse, Medikamenteneinnahme und bestimmten Erkrankungen. Beim Hund tritt meistens die Schilddrüsenunterfunktion auf, während wir bei Katzen überwiegend die Schilddrüsenüberfunktion sehen.
Schilddrüsenunterfunktion des Hundes
Die Erkrankungwird in derRegelbei älteren Hunden beobachtet, mit gehäuftem Auftreten bei Golden Retrievern, Airedale Terriern, Deutschen Schä- ferhunden, Dobermännern, Boxern und Riesenschnauzern. Grundsätzlich können aber alle Hunde eine Schilddrüsenunterfunktion entwickeln. Insgesamt erkranken jedoch deutlich mehr große und mittelgroße als kleine Hunde. Ursache kann eine Entzündung oder eine Schrumpfung der Schilddrüse ohne erkennbaren Grund (med.: idiopathische Atrophie) sein, wobei davon auszugehen ist, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der körpereigene Antikörper das Schilddrüsengewebe angreifen. Aber auch Schilddrüsentumoren, Erkrankungen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), bestimmte Medikamente oder schwere Erkrankungen können zur Schilddrüsenunterfunktion beim Hund führen.
Die Symptome entwickeln sich meist schleichend, sodass Tierbesitzern die Krankheit lange verborgen bleiben kann. Auffällig werden betroffene Hunde dann meist im Alter zwischen vier und acht Jahren. Da sehr viele Körperfunktionen unter dem Einfluss von Schilddrüsenhormonen stehen, sind die Symptome zudem nicht eindeutig. Was aber oft beobachtet wird, sind Fell- und Hautveränderungen sowie Entzündungen der Ohren. Das Fell zeigt ein verzögertes Wachstum, insbesondere nach dem Scheren, bis hin zu Haarausfall und häufig in Begleitung von Schuppenbildung und Veränderung der Haarfarbe. Juckreiz tritt im Gegensatz zu reinen Hauterkrankungen nicht auf. Betroffen ist vor allem der Körperstamm, während Kopf und Beine unverändert bleiben.
Das Schilddrüsenhormon Trijodthyronin (T3) übt auch eine entscheidende Wirkung an den Herzmuskelzellen aus, die beivorliegenderUnterfunktion zu verlangsamtem Herzschlag (med.: Bradykardie) führt, sodass die Leistungsfähigkeit der Hunde stark abnimmt. Sie frieren schnell und nehmen deutlich an Gewicht zu, weil der gesamte Stoffwechsel verlangsamt ist. Auffallen kann das, wenn der Hund sich immer einen warmen Liegeplatz sucht und kalte Stellen meidet. Bei Hündinnen können Unregelmäßigkeiten in der Läufigkeit auftreten, bei Zuchtrüden eine schlechte Spermaqualität.
Die Diagnose ist nicht immer leicht zu stellen, da die Symptome nicht einheitlich sind. Aufschluss kann eine Blutuntersuchung geben. Da die Zerstörung der hormonbildenden Zellen jedoch sehr langsam verläuft, ist auch im Blut ein sicherer Nachweis nicht immer möglich. Geschulte Tierärzte können die winzige Schilddrüse auch per Ultraschalluntersuchung beurteilen und so eine Unterfunktion nachweisen. Ist der Nachweis erbracht, ist die Therapie relativ einfach und sehr wirkungsvoll. Das fehlende Schilddrüsenhormon wird medikamentös verabreicht, die Dosis durch Blutspiegelmessungen kontrolliert und angepasst. Eine Besserung tritt meist schon nach wenigen Tagen bis Wochen auf und der Hund kann wieder ein normales Leben führen.
Schilddrüsenüberfunktion der Katze
Die Hyperthyreose zählt bei Katzen zu den bedeutendsten endokrinologischen Erkrankungen in höherem Alter. In den letzten Jahren stieg die Anzahl der betroffenen Katzen immer weiter an, sodass die Erkrankung heute zu den häufigsten von Seniorkatzen zählt. Als Ursache werden vor allem ernährungsbedingte Fehlfunktionen der Schilddrüse diskutiert, da Forschungen gezeigt haben, dass Katzen, die überwiegend mit Dosenfutter gefüttert werden, ein 2,5- bis 5-fach höheres Erkrankungsrisiko aufweisen als Katzen, die nur mit Trockenfutter ernährt werden. Auch Katzen, die im Welpenalter mit humaner Babynahrung gefüttert wurden, und Katzen, die bestimmte Geschmacksrichtungen im Nassfutter, z.B. Fisch, Leber und Gänseklein, bevorzugen, zählen zur Risikogruppe. Es bildet sich dann ein meist gutartiger Tumor in der Schilddrüse, der eine erhöhte Produktion des Schilddrüsenhormons Thyroxin zur Folge hat. Bösartige Tumoren sind selten, aber nicht ausgeschlossen.
Diagnostiziert wird die Erkrankung meist in einem Alter von über zehn Jahren, auch wenn sie in seltenen Fällen früher auftritt. Eine Rasse- oder Geschlechterdisposition besteht nicht. Wie die Unterfunktion des Hundes entwickelt sich auch die Überfunktion der Katze schleichend, sodass die Symptome lange unentdeckt bleiben. Betroffene Katzen zeigen häufig Heißhunger, verlieren aber gleichzeitig an Gewicht, weil der Stoffwechsel durch die vermehrte Hormonproduktion auf Hochtouren läuft. Dies hat auch zur Folge, dass die Katzen sehr schreckhaft und ausgesprochen hyperaktiv sind. Das Fell ist oft struppig und stumpf, die Tiere trinken viel, haben einen erhöhten Herzschlag und eine zu rasche Atemfrequenz bis hin zum Hecheln. Zum Teil kommen Erbrechen und vermehrter Kotabsatz hinzu.
Wie auch beim Hund kann die Verdachtsdiagnose durch eine Blutuntersuchung bestätigt werden. In Anlehnung an die Untersuchung der Schilddrüse beim Menschen ist mittlerweile auch bei der Katze eine Szintigraphie möglich, bei der die Aktivität der Schilddrüse nach Applikation eines radioaktiven Markers gemessen werden kann. Ist die Diagnose bestätigt, kann medikamentös, chirurgisch oder mittels Radiojodtherapie behandelt werden. Die medikamentöse Behandlung erfolgt durch eine lebenslange Gabe von Thyreostatika, welche die Bildung übermäßiger Schilddrüsenhormone hemmen. Ist eine chirurgische Entfernung des veränderten Schilddrüsengewebes geplant, muss zuvor trotzdem medikamentös behandelt werden, um den Zustand der Katze zu stabilisieren. Oft leiden ältere Katzen an Nierenerkrankungen, die durch die Schilddrüsenerkrankung maskiert werden, aber nach einem chirurgischen Eingriff zutage treten. Deshalb führt man in der Regel testweise eine Medikamentengabe vor der OP durch, um eine Nierenerkrankung aufzudecken und entsprechend mitzubehandeln. Wie beim Hund kann auch die Katze bei entsprechender Behandlung trotz Schilddrüsenüberfunktion wieder ein ganz normales Leben führen.
DR. ISA FOLTIN
TIERÄRZTIN
RADIOLOGIN
DIPLOM-JOURNALISTIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
- Vergleichende Radiologie bei Mensch und Tier
- Spezialgebiet Kernspintomographie
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