Podotrochlose beim Pferd: Schmerzhafte Hufrollenentzündung
Die schmerzhafte Hufrollenentzündung stellt die häufigste Ursache für eine Vorderhandlahmheit beim Pferd dar.
Seilzugähnliche Anatomie
Der Huf des Pferdes ist vergleichbar eines Fingers beim Menschen und genau genommen läuft das Pferd auf der Fingerspitze des Mittelfingers. An der vordersten Hufspitze befindet sich unter dem Horn des Hufes das so genannte Hufbein, an dem die tiefe Beugesehne ansetzt. Das Hufbein bildet mit dem dahinter liegenden Strahlbein ein kleines Gelenk. An der Unterseite dieses Gelenkes wird die tiefe Beugesehne wie auf der Rolle eines Seilzuges von der horizontalen in die vertikale Richtung umgelenkt, weshalb dieser Hufabschnitt auch Hufrolle genannt wird. Die Beugesehne gleitet dabei über den Hufrollenschleimbeutel, der wie ein Gleitkissen wirkt. Hufbein und Strahlbein haben keine nerven- und blutgefäßdurchzogene Knochenhaut (Periost). Die Blutversorgung, Nährstoffversorgung und Reizweiterleitung dieser beiden Knochen wird deshalb von der darunter liegenden Huflederhaut übernommen. Die Blutgefäße sprossen dabei über Gefäßlöcher von der Lederhaut in den Knochen ein. Im Strahl- und Hufbein können diese Gefäßlöcher beim Röntgen erkannt werden.
Fehlbelastung führt zur Entzündung
Wird der Huf falsch belastet bzw. liegt eine falsche Druckoder Zugbelastung an der Hufrolle vor, können sich der Hufrollenschleimbeutel und die Lederhaut entzünden und zusätzlich degenerative Veränderungen am Strahlbein und der tiefen Beugesehne auslösen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Eine mögliche Ursache ist die genetisch bedingte Steilstellung der Gliedmaßen bei gleichzeitig schwachem Strahlbein, sowie eine Störung der Strahlbeinblutversorgung z. B. durch eine Thrombose in der Zehenarterie. Als weitere Ursachen kommen das ständige Laufen auf hartem Boden, wie das bei Arbeitspferden oft der Fall ist und das starke Kürzen der Trachten bei Pferden mit ohnehin steilen Fesseln in Frage, weil so der Druck der tiefen Beugesehne gegen das Strahlbein verstärkt wird. Diskutiert wird außerdem die Verbreitung der Krankheit durch Zucht auf kleine Hufe.
Wildpferde bekommen keine Podotrochlose
Bei Wildpferden hat sich das Problem der Podotrochlose bisher noch nicht gezeigt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Hufrolle bei Reit-, Sport- und Arbeitspferden anders belastet wird als bei Pferden in freier Natur. Nachweislich tritt bei Reit-, Sport- und Arbeitspferden ein schnellerer Verschleiß am Huf bzw. an den die Hufrolle bildenden Strukturen auf. Reitpferde, die an einer Podotrochlose erkrankt sind, zeigen eine wiederkehrende Lahmheit, die sich deutlich verringert, wenn das Pferd geritten wird. Betroffen sind meist beide Vordergliedmaßen. Auffällig ist insbesondere das Auftreten der Pferde auf der Zehenspitze und der verkürzte Gang. Auch zeigen die Pferde oft einen so genannten Trachtenzwang, d. h., die Trachten sind enger und höher als bei Pferden ohne Podotrochlose.
Röntgen führt nicht immer zur Diagnose
Steigt im Rahmen einer Podotrochlose der Blutdruck in den knochenversorgenden Gefäßen der Lederhaut stark an, kommt es zur Druckerhöhung auf den Knochen. Diese Druckerhöhung veranlasst das Knochengewebe zum Abbau und führt zur Vergrößerung der Gefäßlöcher, die dann am Röntgenbild erkennbar sind. Allerdings zeigen auch manche völlig schmerzfreien Pferde eine Vergrößerung dieser Arterienlöcher, sodass die alleinige Röntgendiagnostik für eine Diagnosestellung nicht immer ausreicht. Hinzu kommt, dass vergrößerte Strahlbeinlöcher auch nach Abklingen der Entzündung erweitert bleiben und somit röntgenologisch immer wieder nachweisbar sind. Wichtig ist also die zusätzliche klinische Untersuchung des Pferdes aufgrund der charakteristischen Lahmheitssymptome, um insbesondere die in Frage kommenden Differentialdiagnosen auszuschließen. Dazu zählen Nageltrittverletzungen, Strahlbein- oder Hufbeinfraktur, Hufrehe und Quetschungen der Sohlenhaut.
Die Prognose nach Therapie ist als vorsichtig einzustufen
Im Anfangsstadium lässt sich die Podotrochlose durch Ruhe des Pferdes mit Koppelgang und unterstützenden entzündungshemmenden Medikamenten gut therapieren. Hufeisen sollten abgenommen und die Hufe korrekt zugeschnitten werden. Ist eine 6-monatige Ruhephase des Pferdes nicht möglich, empfiehlt sich ein orthopädischer Beschlag. Dabei werden die Eisenschenkel der Hufeisen soweit verdickt, dass sich der Zug auf die Beugesehnen verringert. Kortisoninjektionen in den Hufrollenschleimbeutel bringen in der Regel nur eine kurzzeitige Besserung. In letzter Konsequenz kann eine chirurgische Durchtrennung der Nerven (Neurektomie) am Hufrücken durchgeführt werden, um dem Pferd die Schmerzen zu nehmen. Allerdings kann es nach diesem operativen Vorgehen zum Stolpern des Pferdes kommen. Insgesamt ist die Prognose auf Heilung somit als vorsichtig einzustufen.
Dr. Isa Foltin
Tierärztin, Radiologin, Diplom-Journalistin
Tätigkeitsschwerpunkte: Medizinjournalismus für Pharmafirmen, Wissenschafts- und Publikumsmedien, vergleichende Radiologie bei Mensch und
Tier, Spezialgebiet Kernspintomographie (MRT), Fachkunde in Nuklearmedizin
Sonstiges: Dozentin an den Paracelsus Schulen, Redakteurin bei der Mittelbayerischen Zeitung, Chefredakteurin des Magazins „tiere life“, Redakteurin des VDT-Magazins „Mein Tierheilpraktiker“
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Fotos: ©agency animal picture, Pferdeklinik LMU München Prof. Gerhard