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Serie: Pferdeernährung - Nähr- und Vitalstoffbedarf von Pferden


WIE UNS WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE DABEI UNTERSTÜTZEN KÖNNEN, DIESEN BEDARF ZU DECKEN

Zum Start dieser Serie über verschiedene Aspekte der Pferdeernährung betrachteten wir die natürliche Futtergrundlage unserer Pferde. Über pflanzliche Kost muss der gesamte Bedarf des Tieres an Energie, Nähr- und Vitalstoffen gedeckt werden. Um die optimale Futterration für unsere Pferde zusammenstellen zu können, sind demnach Kenntnisse darüber wichtig, welche Nähr- und Vitalstoffe in welcher Menge benötigt werden.

BODY-CONDITION-SCORE (BCS) UND VITALWERTE

Ist ein Pferd in gutem Ernährungszustand und normalgewichtig, hat glänzendes Fell, zeigt keinerlei Krankheitszeichen, weist Vital-, Blut- und Fellmineralwerte auf, die im Normbereich liegen und somit unauffällig sind, lässt sich im Umkehrschluss zunächst ableiten, dass dieses Pferd einen guten Ernährungszustand aufweist. Hierbei muss natürlich beachtet werden, dass sich manche Mangelerscheinungen nicht unmittelbar, sondern erst schleichend zeigen, und ihre Überprüfung daher kontinuierlich erfolgen sollte.
Der Ernährungszustand des Pferdes lässt sich an Körperstellen wie Hals, Rücken, Brustkorb (Rippen) und Becken feststellen. Diese Beurteilung reicht von „1 – sehr mager“ bis „9 – sehr fett“. Auf dieser Skala wäre ein Wert von 5 oder 6 optimal. Bei der Beurteilung des BCS müssen rasse- und auch geschlechtsspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden. Einige Rassen wie Barockpferde oder Tinker zeigen deutliche Ausprägungen von Hals und Becken, ebenso ist bei Hengsten der Hals meist kräftiger ausgebildet als bei Wallachen oder Stuten derselben Rasse.
Zusätzlich ist die Ermittlung des Körpergewichtes ein aussagekräftiger Wert, um den Ernährungszustand eines Pferdes bewerten zu können. Am genauesten ist dies mit einer Waage zu bewerkstelligen, es stehen aber auch spezielle Gewicht-Maßbänder zur Verfügung, mit denen man bei korrekter Anwendung gute Ergebnisse erzielen kann. Wer gerne rechnet, kann die Länge und den Umfang des Pferdes messen und aus der Formel

     Körpermasse (kg) = Brustumfang (cm2) x Körperlänge (cm)     
11.877

das Gewicht seines Pferdes ermitteln. Zur Einordnung, ob das ermittelte Gewicht für eine Ideal-, Über- oder Mangelernährung spricht, orientiert man sich an den rassetypischen Durchschnittswerten.
Wie erreiche oder erhalte ich diesen idealen Ernährungszustand beim Pferd? Einfach gesagt: Das Pferd muss seinen Bedarf an Nähr- und Vitalstoffen über das Futter decken können! Daraus ergibt sich die Frage, was und wie viel davon das Pferd benötigt.

ENERGIE – FÜR LEBEN UND LEISTUNG

Wie für jede Säugetierspezies ist auch für Equiden die Energiegewinnung das wichtigste Ziel der Nahrungsaufnahme. Energie wird für die Aufrechterhaltung aller Lebensprozesse und Organfunktionen sowie für körperliche Leistungen benötigt. Ohne Energie läuft im Organismus nichts, dennoch wird Energie nicht direkt über das Futter aufgenommen. Die Energiegewinnung erfolgt aus den Nahrungsbestandteilen Kohlenhydrate und Fette, teilweise auch aus Eiweißen (Proteinen) über umfangreiche physiologische Prozesse, die von Bestandteil zu Bestandteil vom Ablauf und Wirkungsgrad her verschieden sind.
Als allgemeine Maßeinheit für Energie, also den „Brennwert“, sind uns aus der menschlichen Ernährung die Einheiten Kilojoule (kJ) und Kilokalorien (kcal) geläufig. Wenn wir bei einem schweren Tier wie dem Pferd mit diesen Einheiten hantieren würden, wären die verwendeten Zahlen viel zu groß, daher benutzt man bei Pferden die Einheit Megajoule (MJ = 1.000 kJ).
Der Energiebedarf von Pferden wird auf der Stufe der „Umsetzbaren (metabolischen) Energie“ angegeben. Die Abkürzung hierfür lautet ME. Zur Ermittlung der ME werden von der aufgenommenen Energie die unvermeidlichen Energieverluste durch die Verdauung und die Bildung von Methan und Harn abgezogen, sodass der Wert, der dem Tier tatsächlich zur Energiegewinnung zur Verfügung steht, genau ermittelt werden kann. Der Energiebedarf und die enthaltene Menge im Futtermittel werden damit in „MJ ME“ angegeben.

EIWEISS – FÜR DIE KÖRPERSUBSTANZ

Eiweiß wird vom Pferdekörper für die Erhaltung, Regeneration und den Aufbau von Organen und Geweben (u.a. Muskeln) benötigt. Insbesondere in Lebensphasen, in denen neues Gewebe gebildet werden muss, z.B. während der Trächtigkeit oder im Wachstum, steigt die Menge an benötigtem Eiweiß stark an. Körpereigenes Eiweiß kann vom Pferd in ausreichenden Mengen nur aufgebaut werden, wenn es Eiweiß über das Futter aufnimmt. Der Aufbau von körpereigenem Eiweiß erfolgt immer so, dass das mit dem Futter aufgenommene Protein in seine kleinsten Bestandteile, die Aminosäuren, zerlegt und aus diesen zu neuen „Pferde-Eiweißen“ zusammengesetzt wird. Überschüssiges Eiweiß, das nicht zur Neubildung benötigt wird, wird zur Energiegewinnung genutzt. Hierbei entsteht Harnstoff, der über die Nieren ausgeschieden werden muss.
Die Maßeinheit für Eiweiß ist Gramm (g). Für die Berechnung von Futterrationen bzw. die Angaben von Inhaltsstoffen in Futtermitteln wird für Pferde das präzäkal verdauliche Protein angegeben. Dieses beschreibt die Menge an Protein, die im Dünndarm verdaut wird und dem Pferd zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht.

MINERALSTOFFE – KLEINE STOFFE MIT GROSSER WIRKUNG

Unter der Bezeichnung „Mineralstoffe“ werden zwei Wirkstoffgruppen zusammengefasst: Mengen- und Spurenelemente. Diese Unterscheidung ergibt sich daraus, dass pro kg Körpergewicht einmal „Mengen“ (>50mg/kg) und einmal nur „Spuren“ (<50mg/kg) der entsprechenden Substanzen vorkommen. Diese Substanzen sind für das Pferd essenziell und haben vielfältige und sehr spezifische Aufgaben. Daher können durch einen Mangel – aber auch durch Überschuss – einer oder mehrerer Mineralstoffe die Körperfunktionen entscheidend beeinflusst werden.
Zu den Mengenelementen zählen Kalzium, Phosphor, Magnesium, Natrium, Kalium, Chlor und Schwefel, zu den Spurenelementen Eisen, Kupfer, Zink, Mangan, Selen und Jod.
Alle Wirkungen, Wechselwirkungen und Aufgaben der Mineralstoffe darzustellen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen – daher lediglich nachfolgend eine kleine tabellarische Übersicht.

VITAMINE – VITALSTOFFE MIT SPEZIALAUFGABEN

Die Stoffgruppe der Vitamine verbindet man meist mit Gesundheit und Vitalität – nicht zu Unrecht. Jedes Vitamin hat seine speziellen Aufgaben im Organismus, und Vitaminmangel damit auch negative Folgen. Die Vitamine werden in zwei Gruppen eingeteilt: wasserlösliche und fettlösliche Vitamine. Zu den wasserlöslichen zählen die B-Vitamine, Vitamin C, Folsäure, Biotin und Niacin, zu den fettlöslichen die Vitamine A, D, E und K.
Vorsicht: Fettlösliche Vitamine werden bei Überdosierung nicht ausgeschieden, sondern reichern sich im Körper an und wirken beim Pferd toxisch! Besonders sensibel reagieren Pferde auf eine Vitamin-D-Überversorgung. Daher gilt bei der Gabe von Futtermitteln mit hohen Dosierungen an zugesetzten (meist synthetisch hergestellten) Vitaminen besondere Sorgfalt. „Viel hilft viel“ ist hier definitiv der falsche Weg!
Die Maßeinheiten für Vitamine sind mg oder Internationale Einheiten (IE).

WASSER – DAS LEBENSELIXIER

Zur Erhaltung der Organfunktionen und zum Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten über Schweiß ist eine ausreichende Wasserversorgung des Pferdes essenziell. Beobachtungen zeigen, dass Pferde bevorzugt aus größeren, offenen Wasserstellen trinken und durch eine Tränke über einen Bottich mehr Wasser aufnehmen als über eine Selbsttränke mit fließendem Wasser. Dennoch kann der Wasserbedarf über beide Systeme problemlos gedeckt werden. Voraussetzung ist aber, dass der Zugang zur Tränke jederzeit möglich und die Wassermenge nicht rationiert ist.
Häufig fressen Pferde mangelhaft, wenn sie zu wenig Wasser aufnehmen können. Daher spielt der Wasserzugang auch hinsichtlich der Versorgung mit Nährstoffen eine große Rolle. Die täglich durchschnittlich aufgenommene Trinkwassermenge beträgt bei einem ausgewachsenen Pferd bei leichter Arbeit 5 – 7 l/100 kg Körpermasse.

WIE VIEL BENÖTIGT EIN PFERD?

Der Gesamt-Nährstoffbedarf des Pferdes ergibt sich aus dem Erhaltungsbedarf und dem Leistungsbedarf.
Der Erhaltungsbedarf beschreibt den Nährstoffbedarf des Pferdes, den dieses dafür benötigt, seine Körperfunktionen aufrechtzuerhalten und nicht an Körpermasse zu verlieren. Es ist von Pferdetyp, Rassezugehörigkeit und Haltungsbedingungen abhängig. Sobald Leistungen – z.B. in Form von Bewegung, Tragen, Ziehen, Trächtigkeit, Milchleistung, Wachstum – zur reinen Erhaltung hinzukommen, erhöht sich der Bedarf an Nährstoffen. Dieses Plus wird als Leistungsbedarf definiert. Wegen der unterschiedlichen Umstände, die den Erhaltungsbedarf beeinflussen, und aufgrund der vielfältigen Leistungen, die ein Pferd erbringt, ergibt sich, dass jedes Tier in seinen verschiedenen Lebensphasen einen individuellen Gesamt-Nährstoffbedarf hat. Woher wissen wir nun, wie hoch dieser ist? Der Bedarf an Nährstoffen wurde und wird laufend in wissenschaftlichen Untersuchungen bestimmt. Hierfür werden Daten direkt an Pferden ermittelt, aber auch Vergleichswerte anderer Tierarten hinzugezogen. Den rechnerischen Nährstoffbedarf können wir in Tabellenwerken nachlesen. Für alle Lebensphasen und jede Leistung des Pferdes gibt es detaillierte Angaben zum Energie-, Eiweiß-, Mineralstoff- und Vitaminbedarf mit Versorgungsempfehlungen. Bezugsgröße ist jeweils das Körpergewicht des Pferdes.

BEISPIEL EINER VERSORGUNGSEMPFEHLUNG/TAG
FÜR EINEN HAFLINGER MIT 400 KG UND LEICHTER ARBEIT (AUSZUG)

Energie (MJ)............................................. 50
Präzäkal verd. Rohprotein (g)..................... 268
Kalzium (g)............................................... 15
Phosphor (g)............................................. 10
Magnesium (g).......................................... 5
Zink (mg).................................................. 358
Selen (mg) ............................................... 0,89
Vitamin A (IE)........................................... 13.000
Vitamin D (IE)........................................... 6
Vitamin B1 (mg)........................................ 30

Angaben nach: Gesellschaft für Ernährungsphysiologie: Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden, DLG Verlag und COENEN, M., VERVUERT, Pferdefütterung, Thieme Verlag

Ebensolche Tabellen gibt es mit Angaben der Inhaltsstoffe in den einzelnen Futtermitteln, den Futterwerttabellen.
Indem wir diese beiden Tabellentypen miteinander abgleichen, können wir zum einen eine bedarfsgerechte Ration für jedes einzelne Pferd aus den verschiedensten Futtermitteln zusammenstellen, zum anderen lässt sich überprüfen, ob die gefütterte Ration bedarfsdeckend ist. Diese Berechnungen kann man handschriftlich unter Zuhilfenahme eines Taschenrechners, mittels einer selbsterstellten Excel-Tabelle oder mit Spezial-Software vornehmen. Zum Wohle unserer Pferde sollte die Rationszusammenstellung immer ein Zusammenspiel von einer richtiger Beurteilung des Futterzustandes, der Gewichtsentwicklung, der Orientierung an den anatomischen und physiologischen Gegebenheiten sowie der Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse sein!

ANNETTE BARZ
DIPL.-AGRARINGENIEURIN
TIERHEILPRAKTIKERIN

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
Tierzucht, -haltung und -fütterung, Allergiebehandlung, Studienleiterin der Paracelsus Schule Leipzig

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