Nutztier-Praktikum auf dem Keltenmond-Hof
Zwischen Schulmedizin, Naturheilkunde und Schamanismus Nach langer Anfahrt über die Alb ins schöne Meßkirch wurden wir auf dem Keltenmond-Hof von Besitzerin Vesna Rau herzlich empfangen. In liebevoller Voraussicht hatte sie uns ein paar Tage vor dem Praktikum ausrichten lassen, an wetter- und windfeste Kleidung sowie Ersatzschuhwerk zu denken, da es an den Tagen zuvor viel geregnet hatte.
Der Keltenmond-Hof liegt am Ortsrand in einer sanften Hügellandschaft mit traumhaftem Blick auf die Alpen. Obwohl es ein sonniger Tag zu werden versprach, war die Luft doch sehr kalt. Der Hof ist nicht windgeschützt und wird laut Vesnas Erzählungen oft von Windfeen, die dann zahlreich um ihn tanzen, heimgesucht. Weitere Anekdoten rund um den Hof mit seinen Tieren erfuhren wir später beim gemütlichen Zusammensein in der zugehörigen kleinen Gaststube.
Hofgeschichte
Der Keltenmond-Hof wurde 2012 vom Ehepaar Rau gekauft. Von Beginn an wird hier ein wertschätzender Umgang mit Natur und Tieren gepflegt. Die Produkte, die auf dem Hof vertrieben werden und zum Einsatz kommen, sind alle aus biologischem Anbau und artgerechter Tierhaltung. Was nicht selbst produziert werden kann, wird aus ökologischen Betrieben mit kurzem Lieferweg ergänzt. Ein nachhaltiger Umgang mit den Naturressourcen ist dem Ehepaar Rau sehr wichtig!
Vesna erzählte von ihrem Großvater, der in ihrem kroatischen Heimatdorf Schamane war. Er lehrte sie alles Wissenswerte im Umgang mit der Natur, ihren kostbaren Schätzen, den Kräutern und Pflanzen mit ihren Nutzungsmöglichkeiten, und dass eine gewisse Ehrfurcht, Dankbarkeit und Demut zum Leben gehören.
Als wir alle eingetroffen waren, durften wir uns in der Stube mit einer Tasse Kaffee oder selbst hergestelltem Kräutertee aufwärmen. Vesna bietet neben leckeren, selbstgekochten Köstlichkeiten auch Marmeladen, Honig, Nudeln, Kräutertees, Sirup aus eigener Herstellung sowie Räucherwerk und entsprechendes Zubehör an.
Familie Rau besitzt ausschließlich Hühner und Schafe, wobei einige Schafe als Therapietiere dienen.
Das Praktikum startet
Nach einer ausführlichen und interessanten Einführung in die Welt der Nutztiere von Heilpraktikerin und Tierheilpraktikerin Petra Jericke erfuhren wir schon erstes Wissenswertes zur Anatomie und Pathologie mit Erläuterungen der wichtigsten Krankheiten und wie man sie erkennen kann. Ebenso wurde uns berichtet, welche naturheilkundlichen Mittel eingesetzt werden können und welche Gesetzesauflagen in Bezug auf die Behandlung von Nutztieren befolgt werden müssen. Nach der Mittagspause standen dann die ersten Untersuchungsgänge an.
Gruppe 1 ging mit Petra Jericke und Klaus Rau zu den Hühnern, während Gruppe 2 Schäfer Lars-Ole Schmutz und Vesna Rau zu den Schafen folgte.
Auf dem Weg zu den Hühnern erklärte uns Herr Rau, dass er für seine Hühner in regelmäßigen Abständen neue Bereiche abstecken müsse, damit sich auf den vorherigen die Natur erholen könne. So würden auch diverse Parasiten in Schach gehalten.
Vorbei an den fahrbaren Hühnerställen fiel uns auf, dass keines der Hühner hier gestutzte Federn besaß. Die Hühner waren aufmerksam, entspannt und, obwohl auch einige ältere Exemplare unter ihnen waren, in sehr gutem gesundheitlichen Zustand.
Petra Jericke entnahm dies der Tatsache, dass das Futter der Hühner hier aus selbst zusammengestellten Zutaten besteht. Das Futter beinhaltet auch getrocknete Kräuter. deren Nährstoffgehalt konzentrierter ist als der von frischen Kräutern, erzählte uns Frau Jericke, was sich natürlicherweise dann im allgemeinen Gesundheitszustand sowie im Federkleid der Hühner widerspiegelt.
Hühner haben ihren eigenen Rhythmus. Mit dem im Sommer kommenden Federwechsel, auch Mauser genannt, folgt eine geringere Legeleistung. In vielen Hühnerbetrieben kommt zusätzlich ein legestimulierendes Futter zum Einsatz, auf das hier auf dem Keltenmond-Hof zugunsten der Hühner verzichtet wird.
Untersuchungsgang Huhn
Mit speziellen Handgriffen zeigte uns Frau Jericke die Untersuchung am Huhn und erklärte, worauf dabei zu achten ist. Die Tiere wurden mit einem speziellen Hühnergriff auf den Arm gesetzt und konnten nun fachmännisch untersucht werden. Alle Tiere ließen sich erstaunlich gut untersuchen. Die Flügel wurden nach Federlingen abgesucht und die Flügelvene durfte palpiert werden. Auch der Kopf mit seinem Kamm, die Augen, die Ohrscheibe und der Schnabel wurden eingehend inspiziert. Zuletzt wurden die Hühner an den Ständern (Beinen) fixiert und man konnte das Herz abhören, das, wie bei allen Vögeln, direkt in der Mitte sitzt. Petra Jericke betrat die Hühnerställe, um einen Befall mit der Roten Vogelmilbe (Dermanyssus gallinae) auszuschließen. Zedernholzsitzstangen wären hier von großem Vorteil, da der Geruch speziell von diesem Holz Milben in Schach hält und manche sogar ganz vertreibt. Ein zusätzlicher Vorteil wäre die Verwendung von Kieselgur, der sich in den Chitinpanzer von Milben einarbeitet und diesen durch Entzug von Feuchtigkeit zerstört.
Untersuchungsgang Schaf
Am Schafsgehege angekommen, erfuhren wir von Vesna Rau und Schäfer Lars-Ole Schmutz wichtige Details über Schafe. Abwechselnd referierten sie über die Haltung der Tiere, welches Futter zum Einsatz kommt und welche rassespezifische Eigenheiten Schafe haben. Sie wiesen ausdrücklich darauf hin, dass auch hier eine artgerechte Haltung und ein respektvolles Benehmen sehr zum Wesen und Verhalten der Tiere beitragen.
Anschließend zeigten sie uns, wie man die Schafe auf den Hintern setzt, um an die Klauen heranzukommen, die dann fachgerecht mit einer Klauenschere geschnitten werden können. Weiter wurde der Klauenaufbau, der richtige Winkel beim Ansetzen der Klauenschere und wie man ein weiteres Werkzeug, das sog. Klauenmesser, zur Korrektur einsetzen kann, erklärt.
Frau Jericke fixierte zusammen mit Lars das eine und andere Tier, um den Untersuchungsgang einzuleiten. Es durfte immer eine Person mit ins Gehege. Untersucht wurde am Kopf das Gebiss auf Zahnfehlstellungen und die Kauplatte auf Elastizität und Festigkeit, die Augen und Nasenlöcher auf eventuell vorhandenen Ausfluss, der Hals auf etwaige Ödeme, die auf eine Infektionskrankheit hindeuten können, die Ohren auf Milben und Zecken sowie die Temperatur der Hörner. Dann folgten die Extremitäten und der Rahmen der Tiere, der den Ernährungszustand anzeigt. Auch die Herzund Lungenauskulation durfte nicht fehlen. Hier kommt es laut Frau Jericke auf die Regelmäßigkeit der Herztöne und die Gleichmäßigkeit der Atmung an. Abschließend wurden die Ausscheidungsorgane und der Kot begutachtet.
Ein Teil des Kotes wurde von Frau Jericke für eine parasitologische Untersuchung eingesammelt, denn der rote Magenwurm (Hämonchos contorus) ist ein gefürchteter Parasit unter den Wiederkäuern, der zu Blutungen und einer daraus resultierenden Anämie führen kann.
Ein kleiner Einblick in den Schamanismus
Am Ende des Tages durften alle an Vesnas speziellem Räucherritual teilnehmen. Sie sprach darüber, wie die Zusammenstellung eines Räucherwerks erfolgt, welche Gefäße sie verwendet und welche Bedeutung es für sie hat. Die Vogelfedern, die sie auf ihrem Hof immer wieder findet, dienen ihr als Hilfswerkzeuge, um die Räucherenergie in die entsprechende Richtung zu lenken.
Sie bat uns, einen Kreis zu bilden und uns an den Händen zu fassen. Dann betrat sie die Mitte und entzündete die Kohle, die sich zusammen mit einer speziellen Kräutermischung auf Basis von getrocknetem Salbei in einem Tongefäß befand. Schamanin Vesna rief nun die vier Elemente an und bat sie um Unterstützung und Segnung.
Danach folgten ihr alle Teilnehmer zum selbst angelegten Kräutergarten, der noch im Winterdornröschenschlaf lag. Wir erfuhren alles über seine Entstehung, über die Auswahl der Kräuter und deren Eigenschaften. Auf dem Rückweg, vorbei an den Bienenvölkern, gab es noch Geschichten zu keltischen Ritualen und Veranstaltungen, die die Schamanin im Laufe des Jahres auf ihrem Hof anbietet.
Fazit
Viel zu schnell verging dieser spannende Praktikumstag auf dem Keltenmond-Hof. Vielen Dank an das Ehepaar Rau für die liebe Gastfreundschaft und diesen lehrreichen Tag!
Fotos: Jericke