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Im Porträt: THP/HP Petra Jericke

Heilpraktikerin und Tierheilpraktikerin, Dozentin an den Paracelsus Schulen

VON SCHILDKRÖTEN UND ALLIGATOREN … RELIKTE DER URZEIT

Seit über 10 Jahren befasse ich mich mit Haltung, Ernährung und Krankheiten der Reptilien, wobei sich mein Augenmerk hauptsächlich auf die Endo- und Ektoparasiten dieser wunderbaren Geschöpfe richtet. Mein Einsatzgebiet in der USA ist Brandon, Mississippi. Hier arbeite ich zusammen mit meinem Partner Lawrence B.
Auf unserem Grundstück leben derzeit 25 Schildkröten: 20 Dosenschildkröten (Terrapene), 1 Cumberlandschildkröte (Trachemys scripta troostii), 2 Cumberlandhybriden (Mischung zwischen Cumberland und Gelbwangenschmuckschildkröte) und 2 Gelbwangenschmuckschildkröten (Trachemys scripta scripta), die meist verletzt gefunden und von uns aufgepäppelt wurden. Alle Schildkröten leben frei und sind im Moment nur durch einen Zedernholzzaun, der unser Grundstück umgibt, eingezäunt. Gesunde und gestärkte Tiere werden von uns immer wieder der Natur zurückgegeben. Manchmal kommt es sogar vor, das eines von ihnen wieder vor unserer Tür steht, das dann auch bei uns bleiben darf. Alle Tiere sind markiert, sodass wir sie wiedererkennen.
Kranke Tiere, die zu uns finden, werden gemessen, gewogen, dokumentiert (mit Fotos), untersucht, versorgt und – je nach Schwere der Verletzung – zusätzlich einem Reptilientierarzt vorgestellt. Die Kotuntersuchungen machen wir in unserem Labor selbst. Falls viele Parasiteneier gefunden werden, fordern wir ein Entwurmungsmittel vom Tierarzt an. Alle anderen Tiere werden auf natürliche Weise entwurmt. Wir verwenden hierfür Zeitungspapierschnipsel, die wir im Garten auslegen. Diese etwas andere Art der Entwurmung wird sehr gerne von den Tieren angenommen. Die dortige Druckerschwärze ist keine Gefahr für die Tiere, was wir belegen können.
Anschließend kommen die kranken Tiere in Quarantäne und werden gesundgepflegt. Reptilien sind durch ihren wechselwarmen Stoffwechsel keine einfachen Patienten, zumal es in der Tiermedizin keine zugelassenen Medikamente für Reptilien gibt. In Fällen, wo Antibiotika oder Schmerzmittel verabreicht werden müssen, weicht man in den Kliniken auf Medikamente von Hund und Katze aus, was die Dosierung für Reptilien schwierig macht.
Verfahren aus der Naturheilkunde sind hier sehr unterstützend, um einen sanften Heilungsprozess der durch Krankheit und Verletzungen geschwächten, äußerst empfindlichen Körperfunktionen in Gang zu setzen.
Reptilien sind wechselwarme Tiere. Sie passen ihren Stoffwechsel der Umgebung an. Herz abhören und Fieber messen sind hier nicht relevant.
Vielmehr liegt die Betrachtung bei Tieren in Gefangenschaft auf der Haltung, die z.B. Temperatur, Bodenuntergrund, Luftfeuchtigkeit und Licht betrifft.
Die Ernährung wird individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Tiere ausgerichtet.
Meine Arbeit in den Staaten ermöglicht mir, mithilfe der dortigen Tierärzte, Biologen und Parasitologen, einen großen Einblick in die wunderbare Welt der Reptilien.

BESONDERHEITEN VON DOSENSCHILDKRÖTEN (TERRAPENE)

Terrapene sind in Nordamerika heimisch und gehören zur Familie der Emydidae (Neuwelt-Sumpfschildkröten). Sie leben amphibisch, also sowohl im Wasser als auch an Land. Wobei sie das Land vorziehen. Sie können zwar schwimmen, allerdings ist ein Abtauchen, wie man es von vielen Wasserschildkröten kennt, durch eingelagertes Fett in ihrem Rückenpanzer nicht möglich.

Der Rückenpanzer (Carapax) von Dosenschildkröten ist gewölbt. Am Bauchpanzer (Plastron) befinden sich zwei Quergelenke, eines vorne Richtung Kopf, das andere hinten Richtung Schwanz. Der Name Dosenschildkröte leitet sich genau aus diesem Grunde ab. Durch das Vorhandensein der Plastrongelenke kann die Schildkröte im Ernstfall, z.B. wenn Gefahr droht, den vorderen und den hinteren Teil ihres Bauchpanzers einfach zuklappen. Natürlich werden alle Gliedmaßen inklusive Kopf und Schwanz vorher eingezogen. Bei den frisch ausgeschlüpften Jungtieren funktioniert das leider noch nicht.

Auf Nahrungssuche gehen Dosenschildkröten hauptsächlich morgens oder abends. Sie fressen so ziemlich alles. Würmer, Käferlarven, Gemüse, Gräser, Pilze, Salate, auch Obst. Rotes Obst und Gemüse ziehen sie förmlich an. In den kälteren Monaten graben sich manche von ihnen ein und halten Winterruhe.

 

ALLIGATOREN, DIE KÖNIGE DER SÜMPFE

Vor über 300 Millionen Jahren, lange, bevor der Mensch diesen Planeten betrat, waren es die Reptilien, die diese Welt bevölkerten. Es gab nicht nur gigantische Saurier, sondern auch wesentlich kleinere Formen, die heute unseren eigentlichen Reptilien entsprechen. Sie jagten Insekten und Amphibien oder fraßen das zarte Grün von Farnen und anderen Pflanzen.
Die letzten Überbleibsel aus dieser Zeit sind die Brückenechsen, die Schildkröten und die Krokodile, zu denen auch der Alligator gehört. Alle anderen Reptilien entwickelten sich erst später.
In Nordamerika haben wir es hauptsächlich mit dem Mississippi-Alligator (Alligator mississippiensis) zu tun. Sein Lebensraum erstreckt sich von North und South Carolina, Georgia, Florida, Louisiana, Mississippi bis nach Texas. Die Amerikaner nennen ihn kurz „Gator“.
Leider kommt es immer wieder vor, dass ein Tier angefahren wird oder sich in einem Netz verfangen hat und tier- ärztliche Hilfe benötigt. Das Wichtigste hier ist der Selbstschutz, denn „Panzerechsen“, wie Krokodile und Alligatoren auch genannt werden, sind nicht immer friedlich. Mit einem Klebeband verschließen wir das Maul der Tiere, um gefahrlos Untersuchungen an ihnen vorzunehmen. Sofern es uns möglich ist, überprüfen wir ihre Vitalfunktionen. Diverse Röntgenaufnahmen und Blutabnahmen werden in den Kliniken gemacht. Verwundete Tiere kommen nach Erstversorgung dann in spezielle Auffangstationen oder auf Alligatorenfarmen. Dort werden sie gepflegt, aufgepäppelt und nach einer gewissen Rekonvaleszenzphase wieder ausgewildert.

 

BESONDERHEITEN VON ALLIGATOREN

KROKODILE WERDEN IN FOLGENDE DREI FAMILIEN UNTERTEILT

  • Echte Krokodile (Crocodylidae)
  • Alligatoren (Alligatoridae), zu denen auch die Kaimane (Caimaninae) gehören
  • Gaviale (Gavialidae)

Alligatoren bevorzugen trübes Süßwasser, sind somit in Sümpfen, Seen und Flüssen unterwegs. Dies bezieht sich auf das Phänomen, dass ihre lebenden Verwandten, die im Süßwasser sowie im Salzwasser anzutreffenden Leistenkrokodile (Crocodylus porosus), spezielle Drüsen aufweisen, mit denen sie überschüssiges Salz ausscheiden können. Beim Alligator sind diese Drüsen stark zurückgebildet oder fehlen ganz. Im Gegensatz zu den Echten Krokodilen haben Alligatoren einen langsameren Stoffwechsel, der ihnen den Vorteil verschafft, dass sie älter als ihre Mitstreiter werden. Der derzeit älteste in Gefangenschaft gehaltene Alligator ist fast 90 Jahre alt.

Die Kopfform der Alligatoren und die der Kaimane ist eher breit angelegt, während die der Krokodile spitz zuläuft. Eine weitere Ausnahme macht der Indische Gavial, der eine sehr lange, Säge-ähnliche Schnauze hat, in der fast alle Zähne gleichlang sind. Gaviale sind reine Fischfresser und stellen eine eigene Gruppe der Krokodile dar. Alligatoren mit geschlossenen Mäulern erwecken einen grinsenden Eindruck. Das liegt an der Tatsache, dass ihr Oberkiefer den Unterkiefer überdeckt, sodass man nur die obere Zahnreihe sieht. Die unteren Zähne verschwinden bei geschlossenem Maul im Oberkiefer. Die Zähne, von denen Alligatoren etwa 66 Stück besitzen, werden immer wieder erneuert. Ihre Wurzeln sind hohl, der Ersatzzahn steht schon in den Startlöchern.
Unterkiefer und Zunge sind miteinander verwachsen und somit unbeweglich. Alligatoren können nicht kauen. Sie müssen das Fleisch ihrer Beute abreißen, um es dann hinunterzuschlucken. Panzerechsen allgemein haben keine Lippen, ihnen fließt ständig Wasser ins Maul. Hier hat ihnen Mutter Natur ein flexibles Gaumenventil verpasst, das sie gezielt fürs Öffnen und Schließen benützen. Das machen sich auch die werdenden Krokodilmütter zunutze.
Sie tragen ihre ausgeschlüpften Babys im Maul und gleiten sie sanft ins Wasser. Damit sie keines der Kleinen verschlucken, wird das Ventil verschlossen.

Farbtechnisch sind Alligatoren grau bis dunkelgrau, während Krokodile heller und grünlicher sind.
Auf der ganzen Welt gibt es nur im Süden der USA Alligatoren. Eine Ausnahme macht China, wo der China-Alligator (Alligator sinensis) im Jangtsekiang beheimatet ist. In sämtlichen anderen Ländern, in denen Panzerechsen beheimatet sind, sind es Krokodile. Ausnahmen gibt es nur in Zoos. Alligatoren werden im Schnitt 4 m lang. Weibliche Tiere sind kleiner, wobei es Ausnahmen geben kann. Erwachsene Männchen erreichen ein Gewicht von ca. 460 kg.
Nach der Paarung legen Alligatorenweibchen bis zu 50 Eier. Bedingt durch ihr Gewicht kann die werdende Mutter ihre Eier nicht ausbrüten. Im Gegensatz zu ihren Krokodilverwandten, die ein Loch für ihre Eier graben, baut die Alligatorenmama ein Nest von verrotteten Pflanzen und Hölzern. Die dazu benötigte Wärme für das Ausbrüten entsteht aus den aufsteigenden Faulgasen.
Nach ca. 3 Monaten schlüpfen dann die etwa 20 cm großen Alligatorenbabys. Ihr Geschlecht wurde bereits in ihren Genen festgelegt. Außerdem trägt die Temperatur dazu bei, ob mehr weibliche oder männliche Babys schlüpfen. Bei Temperaturen von über 30 Grad Celsius schlüpfen männliche Tiere, während bei Temperaturen von unter 30 Grad weibliche Tiere dominieren.

Alligatoren sind reine Fleischfresser, sie fressen niemals Aas. Panzerechsen verfügen über das eleganteste und komplizierteste Herz von allen Reptilien und Säugetieren der Welt. Ihr vierkammeriges Herz ist befähigt, sauerstoffreiches Blut separat der Lunge zuzuführen. Während des Abtauchens leiten sie somit mehr Blut zu den Lungen um und können dadurch länger unter Wasser bleiben. Beim Tauchen kann sich ihr Herz auf 4 Schläge pro Minute verlangsamen, um wertvollen Sauerstoff zu sparen. Je kälter es wird, desto langsamer werden Atmung und Puls. So können Alligatoren bis zu 3 Stunden den Atem anhalten. Faszinierend, oder?
In unserer heutigen Zeit, in der der technische Fortschritt in Form von Umweltzerstörung seinen Preis fordert, in der durch chemische Einflüsse immer mehr Tierarten ausgerottet werden, finden häufiger exotische Tiere wie Vögel, Nager und Reptilien ihren Weg in Familien.

Das Interesse an diesen wunderbaren Geschöpfen wächst stetig. Deshalb ist es wichtig, dass sich der verantwortungsbewusste Tierfreund mit der Haltung von Exoten beschäftigt und sich die entsprechenden Fachkenntnisse durch Sachkunde, Praktika und Fachbücher aneignet.

„Wir Menschen sollten erkennen, dass wir die Pflicht haben, das geschichtliche und natürliche Erbe unseres Planeten und seine Artenvielfalt zu schützen!“
Petra Jericke

Fotos ©: Eastman Arts, P. Jericke