Die Suche nach der Intelligenz
Der Mensch besitzt die Angewohnheit, alles auf sich selbst zu beziehen. Wenn er z.B. in den Kosmos hinausblickt und sinniert, ob dort draußen irgendwelche intelligenten Brü- der und Schwestern leben, übertitelt er dies bezeichnenderweise als: „Die Suche nach einer zweiten Erde“. Der Fehler, die Enge, liegt bereits im Ansatz: Wieso sollten sich Leben und Intelligenz nur auf erdähnlichen Planeten entwickeln können? Die Naturgesetze lassen hierbei deutlich mehr Spielraum. Ähnlich verhält es sich bei den aktuellen Forschungen betreffend der Intelligenz im Tierreich, wobei neben Primaten auch oft Vögel (Papageien, Rabenarten und Tauben) im Mittelpunkt der Studien stehen. Da werden Experimente veranstaltet, bei denen z.B. Rabe vs. Kea (eine hochintelligente Papageienart) antreten. Eine Taube lernt, geködert mit Futtergaben zur Belohnung, Malerstile zu unterscheiden, Krebszellen auf Röntgenbildern zu identifizieren oder einen Menschen in Seenot auf große Entfernung auszumachen und zu melden. Einzelne sprechende Papageien treten im Fernsehen auf, weil sie Formen und Farben von Kinderspielzeug benennen können.
Irgendwann schreibt dann ein Wissenschaftler z.B., dass „die Intelligenz von den Klügsten unter den Vögeln (Papageien und Raben) derjenigen von drei- bis fünfjährigen Menschenkindern entspricht“. Aber ist es sinnvoll, solche Vergleiche zu ziehen? Zumal, wenn als Basis für diese Bewertung von Menschen im Labor arrangierte Tests verwendet werden? Ein Kleinkind der o.g. Altersspanne kann in der Regel nicht alleine in der Wildnis überleben (bei einigen gut dokumentierten Fällen, in denen es dies dennoch schaffte, hatte es Hilfe von Tieren, z.B. von Hunden, Wölfen und Affen). Ein Vogel hingegen, der bei einem Intelligenztest vielleicht schlechter abschneidet als das Kleinkind, findet sich in der freien Natur problemlos zurecht. Ich habe Menschen getroffen, die z.B. mehrere Sprachen sprechen konnten, sozial aber derart untragbar waren, dass sie in einer besseren Gummizelle untergebracht werden sollten. Es gibt Personen mit einem „messbaren“ IQ in einer Höhe, der zur Mitgliedschaft im „Club Mensa“ (Verein für Hochbegabte) berechtigt, die aber vor lauter mathematischer Klugheit unfähig sind, einen ganz normalen Alltag mit Körperpflege und Haushalt zu bewältigen, geschweige denn einen Arbeitsplatz auf dem offenen Markt.
Kann man das unterm Strich wirklich noch intelligent nennen?
Selbst wenn die Wissenschaft inzwischen einräumt, dass ein messbarer IQ nicht alles ist, und sie dann die emotionale Intelligenz (EQ, auch hierfür gibt es vorprogrammierte Tests) hinzuziehen, erfassen sie letztendlich nur einen Bruchteil von dem, was meiner Ansicht nach wahrhaftige Intelligenz ausmacht. Die menschliche Selbstbezogenheit, hinter der auch ein gewisser Hochmut steckt, stuft Tiere, die sich im Spiegel wiedererkennen, als besonders reif, da ich bewusst ein. Kommunikationsformen, die Ähnlichkeit mit unserer Sprache haben, werden höher bewertet als solche, die wir bislang vielleicht noch gar nicht richtig erfassen können. Zeigen Labortests, ob Tiere Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüche vorherfühlen können? Oder wie fügt sich z.B. das immer noch nicht erschöpfend erforschte Heimfindevermögen der Tauben in die Gesamtintelligenzbilanz dieser so liebenswerten Vögel ein? Ist ein Mensch demgegenüber nicht etwas dumm, weil er weder über eingebaute Seismografen noch Navigationsgeräte verfügt?
Wie würden die Forscher mit außerirdischer Intelligenz umgehen, wenn sie auf solche träfen, aber nichts anderes gelernt haben, als alles und jeden mit sich selbst zu vergleichen?
Man könnte hier noch viele Beispiele anführen; heute möchte ich nur ein paar Denkanstöße geben. Bei all dem oben Angeführten sollte auch bedacht werden, dass es bereits innerhalb einer Art große individuelle Unterschiede gibt. Jeder, der schon einmal mehrere Tauben oder Papageien (auch Hunde, Katzen, Pferde etc.) neben- oder nacheinander gehalten hat, kann ganze Liederbücher davon singen. Wer aber kann Aussagen darüber treffen, ob er zufällig gerade die hellsten unter den Vogelköpfchen in seinem Labor untersucht, oder ob er nicht auch die „Dorftrottel“ dabei hat? Bei den normalerweise nur wenigen getesteten Individuen können solche Effekte das Resultat unterm Strich zusätzlich verfälschen, zumal auch der Dorftrottel in anderen als den geprüften Bereichen vielleicht mit Superfähigkeiten punkten könnte.
Apropos: Welches Experiment kann eigentlich Aussagen über die Liebe in einem Wesen treffen?
Fazit
Weiten wir unseren Geist, öffnen wir unsere Seele. Es gibt so unendlich viel mehr da draußen und innen drinnen, als unsere Messgeräte und Baukasten-Schemata erfassen können. Manchmal hilft ein direkter Blick in die Augen des vermeintlich artfremden Wesens: Dort finden wir Vertrautheit, dort finden wir Wissen.
S. FAJIRON SCHÄFER
VERHALTENSFORSCHERIN
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SchumacherGebler Dresden Verlag
ISBN 978-3941209695, 19,80
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