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Eine Allergie beginnt im Darm - Ursachen und Behandlung beim Pferd

Foto: © Alex – stock.adobe.com, callipso88 – stock.adobe.com Eine dramatisch steigende Anzahl Menschen und inzwischen auch Tiere sind, hauptsächlich in den westlichen Industrieländern, von Allergien betroffen. Eine Allergie ist eine übersteigerte Reaktion des Immunsystems. Die Abwehrzellen des Organismus reagieren zu stark auf körperfremde Stoffe (Allergene), manchmal auch auf körpereigene Stoffe (Autoimmunreaktion).

BEI PFERDEN ÄUSSERN SICH ALLERGIEN IN ERSTER LINIE WIE FOLGT: 

  • Über die Haut als Ekzem oder (schubweise) Nesselsucht (Quaddelbildung in bestimmten Körperregionen oder am ganzen Körper) 
  • Über die Lunge als Dauerhusten/Reizhusten mit und ohne Schleimbildung, oder als anfallsartige Atemnot 
  • Über den Darm, z. B. bei Futtermittelallergien, als Durchfall, Krämpfe, meist auch mit massiven Blähungen, gelegentlich entwickelt sich als Folge dieser Unverträglichkeiten auch eine erhöhte Kolikanfälligkeit

Kortison ist nicht das Mittel der Wahl

Allergien steht man meist hilflos gegenüber. Üblicherweise wird im Notfall vom Tierarzt Kortison gespritzt, um die akuten Symptome wie starker Juckreiz, Quaddelbildung und Atemnot einzudämmen. Kortison hilft aber leider nur bei der kurzzeitigen Beseitigung der Symptome, aber nie als kuratives Mittel zur Beseitigung der Ursachen von Allergien.

Alternativen

Man sollte ähnlich wie beim Menschen versuchen, die Allergene soweit wie möglich zu meiden. Das kann bei einer bestehenden Futtermittelallergie z. B. durch eine entsprechende Diät erfolgen, oder durch Bedampfen/Anfeuchten des Raufutters bei Reaktionen auf Hefe, Schimmelpilze und Staub. Man kann außerdem versuchen, den Körper gegen bestimmte Allergene zu desensibilisieren. Zu diesen gehören z. B. beim Hautallergiker der Speichel der Kriebelmücke, beim Lungenallergiker Staub, Pollen oder Schimmelpilze aus dem Raufutter/Stroh, manchmal auch bestimmte Gräser. Zwar setzt auch dieser Therapieversuch nicht an den Ursachen für Allergien an, ist aber durchaus einen Versuch wert, wenn es darum geht, etwas Erleichterung für das Pferd und den Besitzer zu schaffen. Auch Eigenblutbehandlungen zeigen hier manchmal Erfolg.

Darm mit Charme

Leider gibt es im Pferdebereich viel zu wenig Grundlagenforschung hierzu (zu teuer). Wenn es Erkenntnisse gibt, dann nur aus Studien, die von der Industrie finanziert wurden und letztlich immer im Zusammenhang mit verkäuflichen Produkten durchgeführt wurden. Viele Menschen in unserem Land haben in den letzten Monaten fasziniert den Bestseller „Darm mit Charme“ von Guilia Enders gelesen. Dieses Buch informiert auf charmante Art sehr aufschlussreich zum Thema Darmgesundheit beim Menschen. Die Informationen lassen sich in weiten Teilen auch auf unsere Pferde übertragen. Sie schärfen vor allem das Bewusstsein für die immense Bedeutung dieses größten sensorischen Organs für die Gesundheit des gesamten Organismus. Der Darm ist neben der Leber sowohl beim Menschen als auch beim Pferd das zentrale Organ im Stoffwechsel und die Leitzentrale des Immunsystems. Und ganz sicher sehr viel mehr als nur ein großer Schlauch, der für die Aufnahme von Nährstoffen und die Abgabe von Abfallstoffen zuständig ist. Er verfügt z. B. über ein Nervengeflecht, das in seiner Dichte, Größe und Bedeutung dem des Gehirns nahekommt. Man spricht daher auch vom Darmhirn und vom Darmgedächtnis. Diese überaus dichten Nervenverbindungen wä- ren für den Darm als reines Ausscheidung- bzw. Nährstoffaufnahmeorgan gar nicht notwendig. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche immense Bedeutung der Darm für den gesamten Organismus und dessen Gesundheit darstellt. Die Nervenenden des Darmhirns reichen weit in die Muskulatur hinein, oftmals lassen sich ständig wiederkehrende Rücken- oder Beckenprobleme ursächlich auf Darm- bzw. Verdauungsprobleme zurückführen.

WIE ENTSTEHT DIE BEREITSCHAFT DES IMMUNSYSTEMS, IM ORGANISMUS ALLERGISCH AUF EIGENTLICH NORMALE STOFFE AUS DER UMWELT ZU REAGIEREN?

Der Darm ist der zentrale Ort des Stoffübertritts von Nährstoffen in den Körper, aber auch von Giftstoffen in Futter und Wasser. Diese Aufnahme von Substanzen findet auf der gigantischen Fläche der Darmschleimhäute statt, ebenso der Abtransport von Abfallprodukten aus den verschiedenen Stoffwechselfunktionen des Körpers und seiner Zellen. Mittlerweile weiß man, dass sich 80 Prozent aller Immunzellen des Körpers in den Darmschleimhäuten befinden, u. a., um dort engmaschig zu kontrollieren, welche Substanzen in den Körper gelangen dürfen und welche im Darm verbleiben und der Ausscheidung zugeführt werden. Diese Immunzellen stehen natürlich auch in ständigem Austausch mit dem restlichen Immunsystem des Körpers, das sich auch in anderen Häuten, Schleimhäuten und den restlichen Oberflächen des Organismus befindet. Außerdem ist die Darmschleimhaut direkt assoziiert mit den anderen Häuten und Schleimhäuten, und schon allein aufgrund ihrer Größe von zentraler Bedeutung. Belastungen im Darm können nicht nur über eine mögliche Stoffaufnahme in den Körper Auswirkungen auf alle anderen Körperbereiche haben, sondern auch über die miteinander kommunizierenden Immunzellen.

Wenn der Darm verklebt und verschmutzt ist, z. B. durch eine längerfristig unsachgemäße Fütterung, muss das Immunsystem permanent gegen diese Verschmutzungen ankämpfen. Auf Dauer kann diese Belastung zu Überreaktionen des Immunsystems im Darm führen und somit auch zu Überreaktionen von Immunzellen in anderen Körperregionen, meist im Bereich der Oberflächen wie der Haut, der Bronchialschleimhaut oder der Nasenschleimhaut. Diese Verklebungen und Verschmutzungen entstehen z. B. durch eine Fehlernährung des Pferdes mit zu viel Getreidestärke bzw. Klebereiweiß (aus Weizen- und Dinkelanteilen im Futter), durch zu viel Zucker und Melasse und oft im Fertigfutter befindliche synthetische Stoffe wie künstliche Farb-, Duft-, Geschmacks- und Konservierungsstoffe. Bei der Verdauung all dieser Stoffe entsteht eine Vielzahl freier Radikale, die Reizungen und später Entzündungen an den Darmschleimhäuten hervorrufen können. Diese können zu dauerhaft überreagierenden Immunzellen in den Darmschleimhäuten führen. In der Folge kann das Immunsystem auch an anderen Stellen, z. B. gegen Heustaub oder Kriebelmückenspeichel, nicht mehr adäquat ankämpfen und die Allergie entsteht.

Veränderte Darmflora

In hohem Maße mitverantwortlich für eine Überreaktion des Immunsystems kann ebenso eine Fehlbesiedelung der Darmflora sein, also das Vorhandensein von (potenziell) pathogenen Keimen in relevanten Mengen im Darm. Eine solche Dysbiose (mengenmäßiges Missverhältnis von gesunden zu krankmachenden Keimen im Darm) kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Etwa durch eine oder mehrere vorangegangene Behandlungen mit Antibiotika, auch wenn diese viele Monate zurückliegen. So kann eine mehr oder weniger massive Pilzbesiedelung der Darmflora entstehen. Aber auch eine Magenschleimhautproblematik kann der Auslöser für Milieuveränderungen im Dickdarm sein (es wird saurer), da sich säureliebende Pilze oder Bakterien dann im Übermaß ansiedeln. Zu viel Getreidestärke, Zucker und Kraftfutter können ebenfalls zu einer Übersäuerung des Magen-Darm-Traktes mit der Folge einer Dysbiose führen.
Allen Fällen gemeinsam ist, dass neben den vorhandenen pathologischen Keimen zu wenige normale, gesunde Darmbakterien die Darmflora besiedeln, sodass es schließlich zu Problemen mit der Verdauung kommen kann. Das heißt, dass die Verdauung nicht mehr einwandfrei vonstattengeht, da der Futterbrei nicht vollständig verdaut werden kann. Es kommt zu Fehlgärungen des Futters (dabei entsteht Säure) und/oder zu Fäulnisprozessen (dabei entsteht Ammoniak). Durch die Säure werden die Darmschleimhäute mehr oder weniger großflächig gereizt und später kommen Entzündungen hinzu. Durch den entstehenden Ammoniak werden einerseits die Schleimhäute gereizt, andererseits aber auch die Leber und der gesamte Stoffwechsel belastet, da solche Substanzen nicht nur im Darm verbleiben, sondern durch die Darmschleimhäute resorbiert und mit dem Blut zur Leber transportiert werden.
Es ist mitunter möglich, dass die Keime, die im Darm in diesen Mengen vertreten sind oder dort nicht hingehören, Stoffwechselprodukte entwickeln, die für das Pferd giftig sind. Man denke hier z. B. an Schimmelpilze, verabreicht mit qualitativ minderwertigem Raufutter. Die Pilze siedeln sich im Darm an und produzieren Mykotoxine. Das Pferd hat nun eine massive Giftfabrik im Darm, die es mit Toxinen überschwemmen kann. Solche Pferde haben ausgeprägte gesundheitliche Probleme, sind meist schlapp, haben trotz aller Gegenmaßnahmen dauerhaft oder wiederkehrend sehr schlechte Leber- und hohe Entzündungswerte sowie oft diverse Darm-, Lungen- und Hauterkrankungen. In der Regel funktioniert bei diesen Pferden die Futterverwertung nicht mehr optimal, sodass sie eine schlechte Bemuskelung zeigen, entsprechend schmal wirken und auch nicht zunehmen. Oft liegen zusätzlich Futtermittelunverträglichkeiten vor, da ein Pferd mit einer Dysbiose viele Futterbestandteile nicht mehr wirklich verdauen kann, was wiederum die Menge an Fäulnisprozessen im Darm mit allen oben erwähnten Folgen erhöht.

Sekundärer Vitaminmangel

Pferde mit Dysbiose können auch mit Vitaminen unterversorgt sein, die normalerweise von einer gesunden Dickdarmflora produziert werden. Ist die Darmflora gestört, kann die Vitaminsynthese verringert sein. Eine sehr effektive Möglichkeit, diese Folgeerkrankungen ursächlich in den Griff zu bekommen, ist eine Darmsanierung: Die Darmflora muss wieder normalisiert werden. Das ist nicht immer einfach, manchmal sogar fast unmöglich, je nachdem, welche Keime die Darmflora besiedeln. Manchmal braucht man auch mehrere Anläufe mit verschiedenen Vorgehensweisen, um das Problem zu beheben. Das Wesentliche dabei ist, das Futter umzustellen. Es ist immens wichtig, sowohl gänzlich auf Getreidestärke als auch auf jeglichen zugesetzten Zucker zu verzichten, also auf alle Getreidesorten außer Reis, sowie auf Melasse und weitestgehend auch auf andere Zuckerquellen wie z. B. Karotten und Rote Beete. Dies ist der erste entscheidende Schritt, um die Vermehrungsraten der Problemkeime einzudämmen, da diese sich von Zucker und Getreidestärke ernähren.

Keim-Elimination

Um Problemkeime gänzlich zu eliminieren, gibt es mehrere Möglichkeiten, die individuell mit dem Pferdebesitzer er- örtert werden sollten. Immer hilfreich ist der Einsatz von Lebendbakterien (Milchsäurebakterien, Lebendhefen), um die Anzahl der gesunden Darmkeime zu erhöhen. Das ist aber lediglich als flankierende Maßnahme zu sehen, da damit die Problemkeime nicht verschwinden.
Beim Allergiker kann es zusätzlich hilfreich sein, statt Kortison im akuten Schub eine Autonosode zu geben. Diese Homöopathika werden aus körpereigenem Material des kranken Organismus (Kot, Urin, Blut) hergestellt. Es gibt einige Labore in Deutschland, die diese Möglichkeit anbieten. Autonosoden können schnell und nebenwirkungsfrei den akuten allergischen Schub eindämmen.
Eine Darmsanierung ist eine längerfristige Angelegenheit, die mitunter ein halbes Jahr in Anspruch nehmen kann. Sie ist immer individuell auf das jeweilige Pferd abzustimmen. Darüber hinaus ist es meist zusätzlich notwendig, die vom Darm in den Organismus gelangten und dort sich abgelagerten Giftstoffe auszuleiten. Auch dies ist je nach Fall unterschiedlich handzuhaben.

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