Kohlenhydrate: Bausteine des Lebens
Denkt man an Kohlenhydrate, denkt man automatisch an das dicker werden. Kohlenhydrate haben landläufig einen äußerst schlechten Ruf. Gerade heute habe ich in einem Interview mit einer bekannten deutschen Schauspielerin gelesen, sie wisse gar nicht warum, sie so schlank sei, schließlich esse sie ja ganz normal Kohlenhydrate. Dass Kohlenhydrate für unser Leben und vor allem ÜBERleben nicht nur wichtig, sondern lebensnotwendig sind, spielt in unserer Wahrnehmung keine Rolle. Warum eilt ihnen dann so ein schlechter Ruf voraus? Warum verbinden wir mit der Aufnahme von Kohlenhydraten lediglich eine Gewichtszunahme? Und spielen diese Dinge auch bei unseren Haustieren eine Rolle?
Wenden wir uns also der Klärung folgender Fragen zu:
- Machen Kohlenhydrate dick?
- Sind Kohlenhydrate nichts anderes als Zucker?
- Und wofür braucht der Körper eigentlich Kohlenhydrate?
KOHLENHYDRATE IN DER DEFINITION
Laut Empfehlung der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) soll unsere Nahrung jeden Tag aus mind. 50 Prozent Kohlenhydraten bestehen. Der Rest aus Proteinen und Fetten. In der Fachsprache heißen Kohlenhydrate Saccharide. Man unterscheidet dabei zwischen Mono- (Einfach-), Di- (Zweifach-), Oligo- (Mehrfach-) und Polysacchariden (Vielfachzucker). Unter dem Mikroskop lässt sich erkennen, dass es Kohlenhydrate gibt, die langkettig sind, während kurze Zuckerketten nur aus einem einzigen Zuckermolekül bestehen. Polysaccharide kennen wir als Stärke, wie sie beispielsweise entsteht, wenn wir eine Kartoffel aufschneiden und liegen lassen. Die weiße Schicht, die sich nach einiger Zeit bildet, ist Stärke. Würde man sie extrahieren und zu Pulver verarbeiten, könnte man sie u. a. auch als Speisestärke zum Bereiten von Saucen oder Teigwaren benutzen.
Die einzelnen Namen der Einfachzucker haben ihren Weg in unseren Sprachgebrauch ebenfalls gefunden und sind uns daher mehr oder weniger alle bekannt. Es sind
- Glukose (Traubenzucker),
- Fruktose (Fruchtzucker) und
- Galaktose (Schleimzucker).
Kennt man diese drei Zuckerarten, so kennt man die Quintessenz der Energiezufuhr im Körper. Ziel der Verdauung ist es, alle Mehrfachzucker, die über den Tag verteilt aufgenommen werden, in ihre Grundbausteine aufzuspalten und daraus Energie zu gewinnen. Nahrungskohlenhydrate werden überwiegend zu Glukose abgebaut, mit deren Hilfe dann wiederum andere Zuckerarten in den einzelnen Zellen aufgebaut werden. Bei Zweifachzuckern (Disacchariden) handelt es sich um Saccharose (Rohrzucker), Laktose (Milchzucker) und Maltose (Malzzucker). Laktose ist den meisten Menschen spätestens seit Bekanntwerden der Laktoseintoleranz geläufig.
DIE REISE DER KOHLENHYDRATE DURCH DEN KÖRPER
Was geschieht nun im Körper, wenn Kohlenhydrate mit der Nahrung aufgenommen werden? Viele von uns kennen aus dem Biologieunterricht der Schule noch das Beispiel mit dem Brot. Nimmt man ein Stück Brot in den Mund und kaut es sehr lange, so schmeckt es irgendwann süß. Was dabei geschieht, ist, dass während des Kauvorgangs in unserem Speichel das Enzym alpha-Amylase freigesetzt wird, das die Zuckerketten im kohlenhydratreichen Brot in ihre Einzelbestandteile spaltet, also in Glukose. Dieses Aufspalten oder auch Auseinanderschneiden geschieht mit Hilfe von Enzymen und dafür hat jeder Zucker sein eigenes! Ich stelle mir an dieser Stelle immer kleine Scheren vor, die alle ihren eigenen Namen haben. Zum Glück haben es uns die Wissenschaftler bei der Namensgebung leicht gemacht und an den jeweiligen Zucker einfach eine „-ase“ angehängt. Das passende Spaltwerkzeug für die Laktose heißt demnach Laktase und für Maltose Maltase. Die Endung „-ase“ sagt also aus: Achtung, das ist ein Spalt- bzw. Schneidewerkzeug für Kohlenhydrate! Durch die Speiseröhre und den Magen geht es nun weiter in Richtung Dünndarm. Hier greift ein weiteres, sehr wichtiges Verdauungsorgan ein: die Bauchspeicheldrüse, das Pankreas. Sollten bis dahin über den Mundspeichel noch nicht alle Zuckerketten in ihre Einzelbestandteile aufgespaltet worden sein, etwa weil nicht ausreichend lange gekaut wurde – was bei Hunden und Katzen eigentlich immer der Fall ist – so tritt die Pankreasamylase, das Enzym der Bauchspeicheldrüse, in Aktion. Die Endprodukte dieser enzymatischen Aufspaltung sind dann wieder Einfachzucker, also Glukose, Fruktose und Galaktose. Diese drei werden nun über das Darmlumen ins Blut abgegeben und zur Leber transportiert, in der Fruktose und Galaktose zu Glukose, dem „eigentlichen Zucker“, umgewandelt werden.
DER SINN DER KOHLENHYDRATE
In der Leber beginnen die wirklich wichtigen Aufgaben der Kohlenhydrate. Denn von hier aus wird die Glukose im Körper verteilt. Beinahe jede Körperzelle benötigt Glukose, und zwar als Energielieferant! Glukose ist sozusagen Lebensenergie.
Sie treibt in den Mitochondrien der einzelnen Zellen die ATP-Bildung an, d. h. sie setzt im übertragenen Sinne Energie für das Körperkraftwerk frei. Besonders Gehirnzellen und rote Blutkörperchen (Erythrozyten) sind auf Glukose angewiesen. Werden mit der Nahrung zu wenige Kohlenhydrate aufgenommen, bekommt das Gehirn zu wenig Energie – und das kennen wir alle. Ein voller Bauch studiert nicht gern, ein leerer aber auch nicht. Unseren Haustieren geht es da ähnlich! Die Glukose wird aber von der Leber aus nicht nur im Körper verteilt, sondern auch in Glykogen umgewandelt und gespeichert. Da der Glykogen-Speicher der Leber jedoch nicht besonders groß ist, werden zwei Drittel davon in die Muskulatur transportiert und dort geparkt. Kommt der Körper in eine Notlage, setzt die Leber das Glykogen wieder frei und wandelt es in Glukose um, um dem Körper die benötigte Energie zur Verfügung zu stellen.
So wird ein Tag ohne Nahrungsaufnahme nicht gleich zum Problem. Werden zu viele Kohlenhydrate aufgenommen, speichert der Körper sie als Fette. Daher der Glaube, zu viel kohlenhydratreiche Nahrungsmittel machen dick. Doch ganz so ist es nicht. Denn grundsätzlich wird JEDER Energie liefernde Stoff, der zu viel aufgenommen wird, im Körper zu Fett umgewandelt. Und der Fettspeicher des Körpers, egal ob von Mensch oder Tier, ist unbegrenzt.
Was das Dickerwerden angeht, hängt das primär mit den Fetten selbst und einem ungesunden Bewegungsmangel zusammen und nur sekundär mit einem Überschuss an Kohlenhydraten. Kohlenhydrate müssen vor ihrer Speicherung nämlich erst verstoffwechselt (metabolisiert) werden und verlieren dabei bis zu 30 Prozent ihrer Energie. Beim Menschen hat sich der Kohlenhydratverzehr im Laufe der Jahre verringert. Dafür hat sich die Aufnahme von isolierten Zuckermolekülen, der Saccharose, erhöht. Das ist sicherlich begründet in der großen Anzahl an Fertiggerichten, die wir heutzutage gerne essen. Nicht zu vergessen unsere Liebe zu stark gezuckerten Softdrinks oder dem kalorienreichen Feierabendbier! Aber das Probelm haben unsere Tiere Gott sei Dank nicht.
Isolierte Zucker haben leider die Eigenschaft, dass sie meistens in Lebensmitteln vorkommen, die einen geringen Anteil an Ballaststoffen und einen höheren Anteil an Fetten aufweisen. Auch ein Indiz dafür, dass uns eher die Fette fett machen und weniger die Kohlenhydrate.
NOCH EIN WORT ZU BALLASTSTOFFEN
Diese sind Bestandteile pflanzlicher Lebensmittel und gehören zum größten Teil ebenfalls zu den Kohlenhydraten, können aber vom Körper nur zum Teil abgebaut werden. Ein typischer Ballaststoff ist die Zellulose, deren Grundbaustein wiederum Glukose ist. Man unterscheidet bei Ballaststoffen zwischen wasserlöslichen und wasserunlöslichen Stoffen. Erstere sind Quell-, letztere Füllstoffe. Sie haben keine besonderen biochemischen, dafür aber physikalische Funktionen. Wasserlösliche Ballaststoffe binden z. B. große Mengen Wasser und quellen auf. Das macht den Speisebrei zähflüssiger, sodass er langsamer aus dem Magen in den Dünndarm abgegeben werden kann. Der Körper ist also länger beschäftigt und signalisiert keinen Hunger. Im Dünndarm nimmt aufgrund des Quellens der Druck auf die Darmwand zu, sodass der Speisebrei auch diesen nur sehr langsam passieren kann. Dadurch können die Nährstoffe sehr sorgfältig aufgespaltet und anschließend vom Blut aufgenommen werden. Die Nahrung wird dadurch für den Organismus wertvoller.
Wasserunlösliche Ballaststoffe (Füllstoffe) vergrößern das Kotgewicht im Dickdarm, sodass die unbrauchbaren Reste der Nahrung schneller ausgeschieden werden. Der Körper wird somit schneller erleichtert.
Stellenweise sind Ballaststoffe sehr faserreich, sodass die Nahrung länger gekaut werden muss, was wiederum den Speichelfluss erhöht. Dadurch hat die alpha-Amylase des Speichels mehr Zeit, sich mit der Speise im Mund befassen zu können. Auch die Zähne werden länger vom Speichel umspült, was sich positiv auf die Zahngesundheit auswirkt. Last but not least bedeutet längeres Kauen aber auch, dass bis zur Sättigung weniger Nahrungsenergie, also Kalorien, aufgenommen werden. Ein Sättigungsgefühl stellt sich erst während des Essens ein. Je länger gekaut wird, desto weniger wird in gleicher Zeit gegessen. Das Volumen der Nahrung im Magen ist durch die quellende Wirkung der Ballaststoffe größer, sodass das angenehme Gefühl des Sattseins länger anhält.
AUF DIE MISCHUNG KOMMT ES AN
Eine kohlenhydratreiche Nahrung macht also nicht immer dick. Kohlenhydratreiche Nahrung bedeutet vielmehr, dass dem Körper die nötige Lebensenergie dauerhaft zur Verfügung gestellt und ihm so ermöglicht wird, so wichtige Dinge wie die Verdauung zu regulieren. Bei Hunden muss jedoch beachtet werden, dass energiereiches, also stark kohlenhydrathaltiges Futter gerade bei Welpen großwüchsiger Rassen zu Problemen führen kann. Zu viel Energie kann Wachstumsschübe auslösen, die sich negativ auf die Gelenkentwicklung auswirken.
Gerade die Ellenbogendysplasie und Erkrankungen des Schultergelenkes lassen sich oft auf zu energiereiche Nahrung in der Wachstumsphase zurückführen. Bei Welpen steht also nicht das Dickerwerden im Fokus der Nahrungszusammensetzung, sondern ein gleichmäßiges Wachstum.
Kristin Meyer
Schauspielerin und Ganzheitliche Ernährungsberaterin in Berlin
Selbstständig
Tätigkeitsschwerpunkte: Rheumatoide Arthritis und Ernährung, der Mensch im Zusammenklang von persönlichen, ernährungsbedingten Bedürfnissen und Nachhaltigkeit, spezifische Ernährungsformen für künstlerische Berufsgruppen
Soziales Engagement für das St. Moses
Children´s Care Centre in Uganda
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