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Angststörung therapieren: Fallstudie Chica

Fotos: © Hlystov – FotoliaPatient Chihuahua-Mix-Hündin Chica ist 1 Jahr alt und stammt aus dem Tierschutz. Sie wurde wohl früher schwer misshandelt. Es ist nichts Genaues bekannt, sie hat aber eine große Narbe am Kopf. Der Vorbesitzer war nach Angaben des Tierschutzvereins Alkoholiker und neigte zu unbeherrschtem Verhalten. Chica ist sehr menschenscheu und ängstlich, hat aber Vertrauen zur Tierhalterin Frau M. gefasst und ist sehr auf sie fixiert. Chica rennt Frau M. auf Schritt und Tritt hinterher und lässt sie nicht aus den Augen. Sobald Frau M. aus dem Haus geht und Chica alleine bleiben muss, ist sie völlig aufgelöst und uriniert sogar in die Wohnung. Schon öfter hat Chica in Abwesenheit von Frau M. erbrochen. Auch die Anwesenheit des Ehemannes oder der Kinder von Frau M. kann Chica nicht beruhigen. Erst die Rückkehr von Frau M. normalisiert die Situation.

Insgesamt zeigt Chica Frau M. betreffend große Verlustängste. Vor allem bei fremden Männern ist sie sehr ängstlich, außerdem ist sie stark geräuschempfindlich und reagiert mit großer Schreckhaftigkeit. Frau M. berichtet, dass Chica immer noch nicht zuverlässig sauber ist. Bei Spaziergängen ist sie oft nicht dazu zu bewegen, Urin oder Kot abzusetzen, zuhause uriniert und kotet sie immer wieder in die Wohnung.
Bei Aufnahme der Anamnese erzählt Frau M., dass Chica mit 8 Monaten von ihrer Familie aufgenommen wurde. Chica war selbst durch die Zwillinge der Familie (8 Jahre alt) nie zum Spielen zu bewegen und wirkt deutlich älter als 1 Jahr.

Diagnose: Verlustängste und Stressinkontinenz nach traumatischer Erfahrung

Therapeutisch soll zukünftig, wenn Chica alleine bzw. ohne Frau M. bleiben muss, die Transportbox als Sicherheit gebende „Ersatzhöhle“ angeboten werden.

Zusätzlich werden folgende Trainingsschritte besprochen:

  1. Futter gibt es ab sofort nur noch in der Box.
  2. Alle bequemen Schlafplätze werden weggeräumt, eine weiche Decke findet Chica nur noch in der Box.
  3. Täglich mehrmals Leckerlis in der Box geben.
  4. Die Tür zur Transportbox wird in Anwesenheit von Frau M. kurz geschlossen, nach einer Minute dann wieder geöffnet, Frau M. bleibt aber im Raum.
  5. Die Tür zur Transportbox wird bei Anwesenheit von Frau M. oder einer anderen Bezugsperson für längere Zeit geschlossen.
  6. Der Raum wird bei geschlossener Box von Frau M. kurz verlassen.
  7. Die Zeiträume, in denen der Raum von Frau M. verlassen wird, werden immer weiter ausgedehnt.

Wichtig ist, dass der Aufenthalt in der Box von Chica nicht als Strafe empfunden wird. Beim Verlassen der Wohnung darf Frau M. sich nicht von Chica verabschieden und sie bei Rückkehr erst begrüßen, wenn sie sich beruhigt hat. Auch sollte die Begrüßung nicht zu überschwänglich sein. Nur so lernt Chica, dass die Situation des Alleinebleibens nichts Besonderes und auch nichts Beängstigendes ist. Vor dem Alleinebleiben soll Chica möglichst geistig und körperlich ausgelastet werden, am besten bis zur Erschöpfung (Spaziergang, Spielen etc.).
Der Vorteil dieser Methode ist, dass die Box nicht mit Urin und Kot beschmutzt wird, wenn Chica sie als Ruheplatz akzeptiert.

Außerdem wird trainiert, dass Chica Frau M. in deren Anwesenheit zuhause nicht mehr auf Schritt und Tritt folgt:

  1. Konsequentes Üben von „Platz“ und „Bleib“.
  2. Chica darf Frau M. in der Wohnung nicht mehr überallhin folgen, sondern wird ruhig, aber bestimmt zu ihrem Platz zurückgebracht. Bleibt sie für kurze Zeit an ihrem Platz, wird sie freundlich, aber nicht überschwänglich gelobt. Das Zimmer wird von Frau M. dabei nicht verlassen.
  3. Gleiche Übung, wobei das Zimmer von Frau M. kurz (für ca. 1 Minute) verlassen wird.
  4. Zeit der Übung immer weiter ausdehnen.
  5. 2 bis 3 x täglich Schuhe und Jacke anziehen, Schlüssel in die Hand nehmen, das Haus aber nicht verlassen. Chica dabei nicht beachten. Wenn sie sich entspannt, wieder ausziehen und normaler Tätigkeit nachgehen.
  6. Weitere Schritte: Wenn Chica bei Schritt 5 keine Anzeichen von Unruhe mehr zeigt, das Zimmer kurz verlassen und die Abwesenheitszeiten immer weiter ausdehnen.

Um Chica die Unsauberkeit abzugewöhnen, werden folgende Übungen empfohlen:

  1. Schlüsselwort beim Hinhocken von Chica benutzen, z. B. „Prima“, „Jawoll“ oder „Pipi“ – frei wählbar. Das Wort soll aber nur im Zusammenhang mit dem Urinieren und Koten verwendet werden.
  2. Nach dem Schlüsselwort bei erfolgreichem Urin- oder Kotabsatz immer loben.
  3. Bei Urin- oder Kotabsatz an unerwünschten Stellen ein scharfes „Nein“ einsetzen (nur sinnvoll im direkten zeitlichen Zusammenhang).
  4. Sofort nach dem Tadel an den Ort führen, wo Chica Urin oder Kot hätte absetzen sollen.
  5. Niemals unverrichteter Dinge umkehren.
  6. Nicht sofort den Heimweg antreten, wenn Chica Kot oder Urin abgesetzt hat. Chica soll nicht das Gefühl bekommen, dass dies das Ende des geliebten Spaziergangs bedeutet.
  7. Schlüsselwort gezielt zeitlich und örtlich einsetzen.
  8. Regelmäßige Ausgehzeiten einführen – auf diese Weise werden Blase und Darm des Hundes trainiert.
  9. Bei „Unfällen“ nicht schimpfen, kommentarlos Flecken in Abwesenheit von Chica beseitigen.

Wichtig bei allen Übungsschritten: Immer mit Erfolgserlebnis aufhören, bei starker Unruhe einen Schritt zurückgehen.

Foto: © Gtte – FotoliaHomöopathische Unterstützung

Als homöopathische Unterstützung der Stressinkontinenz erhält Chica 2 x täglich Pulsatilla D12 über 1 Woche, dann will mir Frau M. Bescheid geben, ob eine Besserung eingetreten ist. Außerdem wird das Training zum Alleinebleiben mit einer Bach-Blütenmischung aus Mimulus, Honeysuckle, Aspen, Cerato und Cherry Plum unterstützt.

Fazit

Nach 14 Tagen meldet sich Frau M. telefonisch bei mir. Sie hat fleißig mit Chica trainiert und berichtet begeistert von ihren Erfolgen. Mittlerweile nimmt Chica die Box sehr gern als Rückzugsort an, geht auch oft ohne Aufforderung hinein und schläft ganz entspannt ein. Chica folgt Frau M. zwar immer noch durch die Wohnung, wenn Frau M. dies nicht korrigiert, lässt sich aber auch auf die Decke oder in die Box ablegen und bleibt dort auch, beobachtet aber Frau M. weiterhin, solange sie im Blickfeld ist.
Frau M. kann mittlerweile auch das Haus für ca. 1 Stunde verlassen und es gab bisher nur eine Situation, in der Chica wieder in die Wohnung uriniert hat.
Insgesamt ist Frau M. sehr glücklich über die Fortschritte und will weiterhin täglich mit Chica trainieren.

ANDREA ISELE ANDREA ISELE
TIERHEILPRAKTIKERIN UND TIERPSYCHOLOGIN MIT EIGENER PRAXIS IN GOTTMADINGEN

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