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Kinderzimmer: Die Hummel

HUMMELKÖNIGIN HUBERTA

Autorin: Sophie Ferstl

Hallo! Ich heiße Huberta und bin eine Hummelkönigin. Seit Monaten sitze ich nun in meinem dunklen Winterquartier in der lockeren Erde und warte darauf, dass es wieder wärmer wird. Denn sobald es länger 2 Grad plus hat, kann ich endlich losfliegen und wieder die herrliche Natur genießen. Dass ich in der Kälte schon aktiv sein kann, hängt damit zusammen, dass durch die Vibration meiner Brustmuskulatur Wärme erzeugt wird und auch mein Pelz mich wärmt, sodass ich Kälte besser aushalte als z.B. Bienen.

Wollt ihr wissen, wie ich überhaupt in diese Lage gekommen bin? Meine Mutter, die die Hummelkönigin meines Volkes war, ist im März 2022 aus ihrem Winterquartier gekrochen und losgeflogen, um einen guten Platz für ihr künftiges Hummelvolk zu finden. Unsere Gattung gehört – wie die Bienen auch – zu den staatenbildenden Insekten, sodass wir nicht gerne allein leben, sondern lieber in Gemeinschaft. Du kannst dir sicher vorstellen, dass das viel schöner ist, denn du lebst ja auch mit deinen Eltern, Großeltern und Geschwistern zusammen. Auch wenn die manchmal nerven, wäre es ohne deine Familie bestimmt bald schon sehr langweilig.
Im März letzten Jahres erwachte meine Mutter aus dem Winterschlaf und machte sich auf den Weg. Erstmal war es wichtig, dass sie nach ihrem Kälteschlaf irgendwo Nektar und Pollen finden konnte, um sich zu stärken. Welch ein Glück, dass in der Nähe ein Strauch mit Weidenkätzchen stand, von dem sie den Pollen sammeln konnte, als ihre eigenen Fettreserven und der im Magen gespeicherte Nektar zur Neige gingen.

HUMMELNESTKUGEL AUS MOOS, MÄUSEHAAREN UND GRASHALMEN MIT EIERN

Dann ging es darum, möglichst schnell einen Nistplatz zu finden. Ob es sich dabei um ein verfilztes, abgestorbenes Graspolster, einen Steinhaufen oder ein altes Mäusenest handeln würde, war für meine Mutter nebensächlich. Hauptsache, der Nistplatz war geschützt. Nun ging es los damit, das Nest hummelgerecht einzurichten. Dafür fertigte meine Mutter, die Königin, zuerst eine Nestkugel aus Moss, Mäusehaaren, Grashalmen und was immer sie sonst an ihrem ausgewählten Platz fand. Abgedichtet wurde das Ganze mit Wachs und dann so dicht verwoben, dass auch die kalten Frühjahrsnächte ihr nichts anhaben konnten.
Dann war es Zeit, aus dem Wachs, das aus den Wachsdrüsen am Hinterleib meiner Mutter kam, Zellen zu bauen. Sie war dabei bei Weitem nicht so akkurat, wie ich es bei den Honigbienen und ihren Waben gesehen habe, die sehr ordentlich gebaut sind. Wichtig war für sie nur, dass es genug Zellen gibt, in die sie mehrere Eier ablegen konnte. Außerdem baute sie noch einen kleinen Topf, den sie mit Honig füllte. Als das gelungen war, setzte sie sich wie ein Vogel bei Bedarf zum Brüten auf die Eier, damit diese auch schön warm blieben. Gut, dass der Honigtopf gleich neben ihrem Kopf angebracht war, so brauchte meine Mutter nicht einmal zum Fressen aufzustehen. Das ist fast so, als hättest du ein Nutella-Glas neben deinem Bett und könntest einfach nachts davon naschen, wenn dich die Lust überkommt. Aber das würde deinen Zähnen vermutlich sehr schaden, deswegen ist es schon gut, dass es die leckere Schokocreme nur sonntags zum Frühstück gibt.

Nach einiger Zeit schlüpften die ersten Larven, die von der Königin mit Blütenstaub gefüttert wurden und schnell zu Arbeiterinnen heranwuchsen, nachdem sie sich wie Schmetterlinge verpuppten und anschließend das Bauen der Zellen für Eier und Nektar sowie das Füttern der Larven übernahmen. Übrigens gibt es in einem Hummelvolk unterschiedliche Aufgaben, die von bestimmten Familienmitgliedern übernommen werden. Die Hofdamen kümmern sich ausschließlich um die Königin, die Stockhummeln putzen die Waben und pflegen die Larven, und die Sammlerinnen sorgen dafür, dass Nektar- und Pollentöpfchen stets gut gefüllt sind.
Als der Sommer kam, wurden die Hofdamen rebellisch. Sie wollten nicht mehr, dass ihre Mutter, die Königin, weiter Eier legt, daher haben sie unsere Mutter vertrieben. Nun begannen sie selbst Eier zu legen, aus denen dann die Drohnen, die Männchen, schlüpften. Zur gleichen Zeit erblickten noch aus den letzten Eiern meiner Mutter Hummeln das Licht der Welt. Es waren lauter Jungköniginnen, und eine davon bin ich. Die anderen Jungköniginnen und ich wurden von den Drohnen begattet und wir mussten uns anschließend auf den Weg machen, ein Winterquartier zu suchen, denn au- ßer uns Jungköniginnen sterben alle anderen Mitglieder des Hummelvolkes noch bevor der Winter beginnt. Ich hatte Erfolg und fand einen Platz mit lockerer Erde, in den ich mich eingraben konnte.

Jetzt wisst ihr, wie ich in mein Erdloch geraten bin. Ich hoffe sehr, dass ich so viel Glück habe wie meine Mutter und im Frühjahr ausreichend Nahrung finde, um mein eigenes Volk zu gründen.
Übrigens freuen wir uns sehr, wenn ihr Menschen uns dabei helft. Wenn ihr eine von uns entdeckt, wie wir nach einem Kälteeinbruch im Frühjahr die Kräfte verlieren oder weil geschlossene Blüten uns keine Nahrung bieten, hilft es, wenn ihr einen halben Teelöffel Zucker in etwas warmem Wasser auflöst und den Löffel mit dieser Lösung vor uns hinstellt. Da wir einen Saugrüssel haben, können wir auf diese Weise schnell Energie tanken und schon kurz darauf weiterfliegen. Auch Pflanzen, die uns Hummeln als Nahrungsquelle dienen, könnt ihr in eurem Garten oder auf dem Balkon anpflanzen. Ganz besonders gern mögen wir Lavendel, Stockrosen und Mohn.

Um zuletzt mal Klarheit zu schaffen, ob wir Hummeln stechen oder nicht: Wir haben zwar einen Stachel. Aber nur, wenn du direkt auf mich trittst, steche ich sofort. Sonst steche ich damit wirklich nur in höchster Lebensgefahr und erst, wenn ich schon mal vorgewarnt habe. Mein Stich ist dabei nur für Menschen, die eine Allergie gegen Insektengift haben, gefährlich, ansonsten ist er allerhöchstens ein wenig unangenehm.
Ich hoffe sehr, dass du jetzt im Frühling mit einem ganz anderen Blick mich und die anderen „Gartenbomber“ beobachtest und dich freust, dass wir dir zeigen, dass es schon bald wieder warm wird.

Fotos: ©: I Annalisa – Adobe, Josepperianes–Adobe, © V. Bauer