TÜV für den Seniorhund - Vorsorge ist wichtig
Warum der jährliche Gesundheitscheck so wichtig ist
„Der ist aber alt geworden“, wunderte sich kürzlich eine Freundin über meinen Jack-Russel-Mix Bodo. Ich erschrak. Bodo ist noch nicht einmal 8 Jahre alt. Doch als ich frühere Fotos zum Vergleich heranzog, musste ich ihr zustimmen. Bodos Schnauze wird tatsächlich ziemlich grau. Das war mir nur noch nicht aufgefallen.
Was ich mit dieser kleinen Anekdote sagen will: Bei Menschen und Tieren, die tagtäglich bei uns sind, übersehen wir häufig Veränderungen – und damit auch das Altwerden. Es sind diese langsamen Entwicklungen, die wir kaum wahrnehmen, weil sie so undramatisch sind. Der Hund wird ruhiger, langsamer, er schläft länger und läuft nicht mehr gerne. „Er ist eben nicht mehr der Jüngste“, sagt man dann. Aber diese Aussage und das bedauernde Achselzucken können dazu führen, dass Schmerzen oder organische Erkrankungen nicht oder zu spät entdeckt werden. Dass unser geliebtes Tier Leiden ertragen muss – weil niemand sieht, dass es leidet.
Vorsorge ist wichtig
Für uns Menschen gibt es eine ganze Reihe an Vorsorgeuntersuchungen, von denen die meisten ab einem bestimmten Alter empfohlen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Tumore. Die Anfälligkeit für Krebserkrankungen nimmt mit dem Lebensalter zu. Überhaupt schwächelt das Immunsystem mit den Jahren, die Immunoseneszenz ist bekannt bei Menschen wie auch bei Tieren. Ähnlich verhält es sich bei Organinsuffizienzen oder Problemen des Bewegungsapparates.
Allerdings ist das Gebiet der Geriatrie für unsere Haustiere eine recht junge Thematik. Ihre Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegen, manche meinen sogar, sie habe sich verdoppelt. 20-jährige Katzen oder 17-jährige Hunde sind keine Seltenheit mehr. Doch mit dem Al ter kommen die Gebrechen. Entsprechend hat sich in den Kleintierpraxen die Zahl der Patienten im Seniorenalter immens vergrößert.
Trotzdem ist die Idee von Vorsorgeuntersuchungen noch lange nicht bei allen Haltern von Seniorhunden angekommen. „Natürlich gehe ich zum Tierarzt, wenn mein Hund etwas hat“, lautet eine typische Aussage. Aber wenn gar nicht auffällt, dass er kränkelt? Manche Altersleiden entwickeln sich unauffällig, in so kleinen Schritten, dass man erste, sogar ernste Anzeichen übersieht.
Deswegen ist der regelmäßige Seniorcheck, der „OldieTÜV“, für jedes Tier in der zweiten Lebenshälfte sinnvoll. Nur dadurch können gesundheitliche Probleme so früh entdeckt werden, dass das Schlimmste meist verhindert werden kann. Mit einer frühzeitigen Vorsorgeuntersuchung kann bei sich chronisch entwickelnden Erkrankungen oft noch die Bremse gezogen und der Zustand stabilisiert oder wenigstens das weitere Fortschreiten verlangsamt werden. Mit Beginn des letzten Lebensdrittels empfehle ich sogar halbjährige Gesundheitschecks.
Eine geriatrische Untersuchung besteht aus verschiedenen Teilen
- Anamnese: Der Tierarzt oder Tierheilpraktiker befragt den Besitzer zum Befinden des Tieres. Dabei geht es vor allem um neue Entwicklungen. Hat sich am Verhalten etwas geändert? Sind Hunger oder Durst stärker oder schwächer geworden? Bewegt sich das Tier nur noch ungern, ist es häufig müde, schläft es mehr als vor einigen Monaten?
- Wichtig ist, dass der Therapeut den Hund in Bewegung begutachtet. Sein geschultes Auge entdeckt, was dem Tierhalter vielleicht noch nicht aufgefallen ist: Ein schwungloser Gang, der auf Verspannungen oder Blockaden hinweist, oder Taktfehler und Lahmheiten. Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung tastet er verdächtige Stellen sorgfältig ab.
- Weiter geht es mit der klinischen Untersuchung: Der Therapeut begutachtet das Gesamterscheinungsbild des Tieres, insbesondere Figur und Fell. Er tastet den Körper auf Schwellungen der Lymphknoten oder Auffälligkeiten wie Verhärtungen, Gewebezubildungen oder schmerzhafte Stellen ab. Augen und Ohren werden geprüft. Herzschlag, Puls und Atmung werden kontrolliert sowie mit Blick ins Maul die Farbe der Schleimhäute und der Zustand der Zähne.
- Nur wenige Milliliter Blut muss der Hund spenden, damit seine Organfunktionen überprüft werden können. Dazu sollte er vor der Blutentnahme 12 Stunden nichts gefressen haben. Zur geriatrischen Standardanalyse gehören die Leber- und Nierenwerte sowie Parameter, die den Zustand von Bauchspeichel- und Schilddrüse spiegeln. Das große Blutbild zeigt versteckte Infektionen oder Blutbildungsstörungen. Auch der Versorgungsstatus der wichtigsten Mineralstoffe wird gemessen.
- Schließlich sollte der Urin getestet werden. Der pHWert, das spezifische Gewicht und die Zusammensetzung können Aufschluss auf Harnwegs-, Stoffwechsel oder Nierenerkrankungen geben. Um eine Katheterisierung zu vermeiden, sollte der Tierhalter den Urin in einem sauberen Gefäß auffangen und mit in die Praxis bringen.
- Zeigen die Laboruntersuchungen leichte Auffälligkeiten, sind die Tests nach wenigen Wochen zu wiederholen.
- Bei auffälligen Befunden empfehlen sich weiterführende Untersuchungen wie Röntgen, Ultraschall oder Endoskopie.
Stumme Leider
Manch einer reagiert erstaunt, wenn der Behandler die Untersuchungsergebnisse erläutert. „Ich dachte, der ist eben schon älter und deswegen bewegt er sich nicht mehr so gerne“, heißt es dann vielleicht. Jeder Hundehalter sollte wissen, dass mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sein Vierbeiner eines der typischen Altersleiden entwickelt. Nieren- und Schilddrüsenunterfunktionen sind keine Seltenheit, können aber lange vom Körper kompensiert werden und fallen unter Umständen erst sehr spät auf. Auch Probleme mit dem Bewegungsapparat sind häufig. Je früher man Erkrankungen behandelt, desto größer ist die Chance, einen schweren Verlauf zu verhindern. In vielen Fällen reichen einfache Maßnahmen wie Physiotherapie, Futterumstellung oder gezielte Nahrungsergänzung, damit der Hund wieder mehr Leben entwickelt – weil er sich besser fühlt.
Hunde verstecken ihre Beschwerden sehr erfolgreich. Zudem gibt es in einigen Hund-Halter-Beziehungen Probleme mit der Kommunikation oder mit der Interpretation von Zeichen. „Keine Ahnung, warum mein Hund humpelt. Schmerzen hat er nicht“, habe ich schon mehr als einmal gehört. Ich frage dann schon mal provokant: „Hinkt er denn aus Langeweile?“ Eine Lahmheit kann natürlich auch mechanische Ursachen haben, ein verkürztes Bein etwa. Das ist aber sehr selten der Grund. Schont der Hund eine Gliedmaße, dann will er damit sicherlich Schmerzen vermeiden. Anders gesagt: Ein Hund läuft nicht durch die Gegend und klagt: „Ich habe Rücken“. Er mag bei einer falschen Bewegung kurz winseln oder aufschreien, aber Fakt ist: Die meisten Hunde leiden stumm, und das betrifft ganz besonders die chronisch Kranken.
Nicht jeder Besitzer ist gut darin, sein Tier zu „lesen“ und subtile Anzeichen zu erkennen. Gerade wenn sich Krankheiten langsam und schleichend entwickeln, ist ein Außenstehender eher empfänglich für alarmierende Signale. Deswegen ist es so wichtig, dass ein Praktiker – ob aus Schul- oder Komplementärmedizin – einen älter werdenden Hund regelmäßig untersucht.
Und wenn er beim jährlichen TÜV nichts findet? Dann kann man sich beruhigt zurücklehnen und sich seines offensichtlich gesunden vierbeinigen Oldies erfreuen und hat mal wieder den Beweis: Alter ist keine Krankheit!
ANNETTE DRAGUN
TIERHEILPRAKTIKERIN
TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE
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Buchtipp:
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So bleibt der Seniorhund gesund
Die Lebenserwartung unserer Haushunde steigt, damit ändern sich auch ihre Bedürfnisse. Nicht alle Grauschnauzen bleiben gesund: Arthrosen, Demenz und Organinsuffizienzen belasten Hund und Halter. Doch es gibt Möglichkeiten, diese Altersleiden zu vermeiden, zu vermindern oder hinauszuschieben. Das Buch zeigt vielfältige Wege, um Ihren Hund ins Alter und hindurch zu begleiten. Neben Tipps zur seniorengerechten Ernährung erklärt es die wichtigsten geriatrischen Erkrankungen und wie sie zu behandeln sind. Zudem gibt es viele Ratschläge zur Vorbeugung. Mit einfachen und effektiven Mitteln können Sie so für Ihren Hund die Weichen für viele weitere schöne gemeinsame Lebensjahre stellen.
Annette Dragun & Katja Wald, Books on Demand Verlag, 2019, ISBN 978-3750406070, 17,90 €
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