Mythos Maikatzen: Was ist wirklich dran?
Im Mai werden wieder jede Menge Katzenbabys geboren. Und erstaunlicherweise ist die Nachfrage nach Maikatzen viel größer als nach Herbstkatzen, die im September das Licht der Welt erblicken. Der Hintergrund ist ein Mythos, der besagt, dass Maikätzchen widerstandsfähiger und robuster sind als Herbstkätzchen. Aber was ist dran am Mythos der Maikatzen?
Alt, aber beständig
Ihren Ursprung haben Mythen oft in der Antike. Katzen wurden damals den Mondgöttinnen zugeordnet, die Freiheit, Fruchtbarkeit, Energie und Unterwelt symbolisierten. Berichten der klassischen Mythologie zufolge flohen die Götter Griechenlands vom Olymp vor dem Ungeheuer Typhon nach Ägypten. Um zu verhindern, dass Typhon ihnen folgte, verwandelten sie sich in Tiere. Diana, die Göttin der Jagd, und Hekate, die Göttin der Unterwelt, nahmen dabei die Gestalt von Katzen an. In der römischen Mythologie entstand daraus die dreigestaltige Mondgöttin, zusammengesetzt aus Luna (am Himmel), Diana (auf der Erde) und Hekate (in der Unterwelt), die immer dann zur Katze wurde, wenn sie sich mit ihrem Bruder Luzifer vereinigen wollte. Später griff das Christentum die Mythen von Göttinnen und Katzen auf und erklärte sie zu Dämonen und Hexen.
In Anlehnung daran erklärten die Christen den Monat Mai zum „bösen Monat“, weil im Mai viele heidnische Fruchtbarkeitsrituale abgehalten worden waren. Dadurch wurden auch im Mai geborene Katzen als Heidenkatzen angesehen und getötet.
Erst nachdem im 13. Jahrhundert die Pest ausgebrochen war und die Menschen Ratten als Überträger für die Krankheit verantwortlich gemacht hatten, kehrte die positive Bedeutung der Katzen ins Bewusstsein der Menschen zurück. Und heute sind es gerade die im Mai geborenen Katzen, denen besonders positive Attribute zugeordnet werden.
Hartnäckig weitergegeben
Es gibt verschiede Überlieferungen, die sich in ihrem Kern zwar unterscheiden, aber dennoch alle den „Mythos der Maikatzen“ am Leben erhalten.
Die Grundlage einer dieser Überlieferungen ist eine alte Bauernweisheit. Diese besagt, dass früher im Herbst geborene Katzenkinder den schnell nahenden Winter nicht überlebten. Deshalb bevorzugten die Bauern Frühjahrswürfe, weil diese im Sommer Mäuse fangen und bis zum Winter so gut entwickelt waren, dass sie die kalte Jahreszeit problemlos überstehen konnten.
Eine andere Überlieferung geht auf die Mutterkatzenhypothese zurück. Diese besagt, dass eine im Winter trächtige Mutterkatze, die den Winter übersteht und im Mai bei Geburt der Katzenkinder noch genügend Fettreserven mitbringt, um ihre Welpen optimal zu versorgen, eine ausgesprochen robuste und widerstandsfähige Katze ist. Diese Eigenschaft gibt sie an ihre Welpen weiter.
Gute Ernährung statt warme Jahreszeit
Die alte Bauernweisheit scheint nicht unbegründet zu sein. Tatsächlich ist es für Bauern auch heutzutage noch wichtig, Katzen auf dem Hof zu halten, um Mäuse während der Kornernte fernzuhalten. Dass sich hierfür im Frühjahr geborene Katzen besser eignen, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Kornernte im Herbst erfolgt. Ein Katzenkind muss also bis zum Herbst schon genügend entwickelt sein und Kraft besitzen, um Mäuse fangen zu können. Da im Herbst geborene Katzen bei Beginn der Kornernte noch von der Mutter abhängig und unselbstständig sind, sind sie für den Bauern unbrauchbar. Leider führt dies auch heutzutage noch dazu, dass viele Bauern ihre im Herbst geborenen Katzenkinder nach der Geburt einfach töten. Insgesamt muss diese Überlieferung aber kritisch betrachtet werden, denn Bauernhofkatzen leben wild in freier Natur und haben meist nur wenig Bezug zum Menschen. Wenn wir aber allgemein von Katzen sprechen und darüber nachdenken, ein Katzenbaby zu adoptieren, sprechen wir von Hauskatzen. Bei Hauskatzen spielt die Jahreszeit keine ausschlaggebende Rolle, weil sie es sowohl im Sommer als auch im Winter warm haben. Freigänger- Katzen können jederzeit ins warme Haus zurückkehren und auch am Futterangebot mangelt es zu keiner Jahreszeit, da der Mensch als „Dosenöffner“ jeden Tag für einen reichlich gefüllten Futternapf sorgt. Eine einleuchtende Begründung, warum im Frühjahr geborene Katzen einen Vorteil gegenüber im Herbst geborenen Katzen hätten, ist also nicht gegeben.
Die Überlieferung à la Mutterkatzenhypothese steht im Widerspruch zu allen heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Demnach ist der Mythos der Maikatzen auch nur als Mythos zu werten. Denn da Hauskatzen heute in einer warmen Umgebung leben, vom Menschen versorgt, regelmäßig geimpft und tierärztlich untersucht werden, spielt es keine Rolle, ob Katzenkinder im Frühjahr oder im Herbst geboren werden. Gut gepflegte und umsorgte Katzenmütter geben mit der Muttermilch ihre Immunabwehr an die Katzenbabys weiter und nach dem Absetzen durch die Katzenmutter, ab der 8. Lebenswoche, werden die Katzenbabys von ihren Besitzern rundum versorgt. Somit hat gute Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Katzenkinder nichts mit der Jahreszeit zu tun, sondern mit guter Versorgung und ausgewogener Ernährung.
DR. ISA FOLTIN
TIERÄRZTIN
RADIOLOGIN
DIPLOM-JOURNALISTIN
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