Du bist, was du isst! - Genom-Editierung versus Tierwohl
von THP Monika Heike Schmalstieg
Werden das sperrige Thema Ferkelkastration und die Frage, wie sich die Arbeit der Landwirte erleichtern ließe, zur Diskussion gestellt, fällt es den meisten Menschen schwer, unbefangen zu bleiben, geht es hierbei doch um einen weiteren Schritt hin zur industriellen Fleischproduktion. Das ist eine Entwicklung, die seit vielen Jahren anhält und an der wir Verbraucher nicht ganz unschuldig sind. Denn leider wollen bisher nur wenige Endverbraucher für Fleisch aus artgerechter Tierhaltung einen angemessenen Preis bezahlen, wie eine Untersuchung der Hochschule Osnabrück zur Kaufbereitschaft von Tierwohlprodukten in Supermärkten aus dem Jahr 2019 ergab. Von den 60 Millionen Schweinen, die in Deutschland jedes Jahr geschlachtet werden, stammt nur etwa jedes hundertste aus biologisch artgerechter Haltung.
PROBLEM FERKELKASTRATION
Der Großteil der Ferkel in Deutschland wird chirurgisch kastriert. Der Grund: Das Fleisch männlicher Schweine kann einen sehr unangenehmen Geruch und Geschmack entwickeln und gilt dann als schwer bis gar nicht mehr verkäuflich.
Die Kastration wurde bisher bei unter 8 Tage alten Ferkeln ohne Betäubung durchgeführt. Mit der Änderung des Tierschutzgesetzes im Jahr 2013 wurde dieses Vorgehen verboten. Das Verbot trat zum 01. Januar 2021 in Kraft. Für den Landwirt stellt sich nun die Frage, wie er das Tierschutzgesetz in der aktuellen Fassung umsetzt. Für den Schweinehalter gibt es drei Alternativen:
- Die chirurgische Kastration unter Narkose.
- Die Ebermast: Bei diesem aufwendigen Verfahren erfolgt keine chirurgische Kastration am Tier. Es besteht ein relativ geringes Risiko, dass das Fleisch einen Ebergeruch annimmt, jedoch muss am Schlachthof eine Qualitätskontrolle erfolgen.
- Die Immunokastration: Hier wird das männliche Mastschwein zweimal geimpft. Durch die zeitlich begrenzte Unterdrückung der Hodenfunktion wird ein möglicher Ebergeruch verhindert.
GENOM-EDITIERUNG
Der Mensch will mal wieder Schöpfer spielen, indem er in das Genom der Schweine eingreift, um über diesen Weg die Ferkelkastration zu vermeiden. Am Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) im niedersächsischen Mariensee ist es Wissenschaftlern gelungen, Schweine derart genetisch zu modifizieren, dass sie trotz männlichem Chromosomensatz weibliche Geschlechtsmerkmale ausbilden. Die umstrittene Ferkelkastration könnte damit in Zukunft vollständig wegfallen.
Das Verfahren der GenomEditierung, an dem am FLI zum reinen Erkenntnisgewinn geforscht wird, könnte in Zukunft eine Alternative der Ferkelkastration darstellen.
Den Forschern ist es gelungen, eine bestimmte Region des Y-Chromosoms auszuschalten, sodass unkastrierte Eber den unangenehmen Ebergeruch des Fleisches nicht ausbilden können, da sie innere und äußere Geschlechtsmerkmale entwickeln. In der Praxis wird das Verfahren EU-weit aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2018 bislang noch nicht angewendet, da darin festgesetzt ist, dass genomeditierte Organismen gentechnisch veränderten Organismen gleichen.
VERBRAUCHER BESTIMMEN DEN WEG
Die Frage, wohin sich die Landwirtschaft entwickeln wird, bestimmt der Verbraucher. Er muss sich im Klaren darüber werden, ob es erforderlich und gesund ist, jeden Tag Fleisch und Fleischprodukte von Tieren zu verzehren, die aus technisierter Tierhaltung stammen und zu Billigpreisen über den Ladentisch wandern, und ob es gesund und notwendig ist, Schweine zu essen, die keine Schweine mehr sind. Die Zukunft würde ein Einheitsschwein als nicht fortpflanzbares Individuum hervorbringen, das geschlechtslos mit verkümmerten Geschlechtsteilen und einem völlig unnormalen Hormonhaushalt geboren wird.
DU BIST, WAS DU ISST!
Wie viel Fleisch ist gesund? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, Fleisch in Maßen zu sich zu nehmen: Für einen erwachsenen Menschen sind das nicht mehr als 300 – 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. Verbraucher sollten mehr auf Klasse als auf Masse setzen. Gesunde Ernährung ist auch ohne bzw. mit deutlich reduziertem Fleischkonsum möglich. Der Handel setzt seit Jahren verstärkt auf biologisch erzeugte Lebensmittel. Doch beim Verbraucher scheint dieser Trend noch nicht vollends angekommen zu sein. Rewe, Penny, Lidl, Kaufland, Aldi und Netto verkaufen seit 2018 Fleisch, bei dem Kunden in einem vierstufigen System nachvollziehen können, wie die Tiere gehalten wurden: Von einfacher Stallhaltung in Stufe eins über „Stallhaltung plus“ in Stufe zwei (10 Prozent mehr Platz und Beschäftigungsmaterial im Stall), noch mehr Platz und Kontakt zu Frischluft in Stufe drei bis hin zur Bio-Haltung in Premiumstufe vier. Doch die grundsätzliche Bereitschaft des Verbrauchers. mehr Geld für hochwertiges Fleisch auszugeben, scheint bislang nur bedingt ausgeprägt zu sein, wie die Untersuchung der Hochschule Osnabrück ergab. Es wird aber dringend Zeit, dass sich das Denken der Verbraucher ändert, sonst müssen wir alle möglicherweise in Zukunft gentechnisch modifizierte Schweine akzeptieren.
Die aktuelle Haltung vieler zum Thema Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit ist nicht mehr zeitgemäß – Umdenken ist angesagt! Gleichzeitig muss das Angebot an hochwertigen Lebensmitteln erhöht werden, um den Bedarf des Verbrauchers zu decken. Die Lösung kann und darf keine GenomEditierung sein, und das gilt nicht nur für das uns sehr menschenähnliche Lebewesen Schwein, sondern für alle Tierarten oder den daraus entstehenden Produkten!
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