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Physiotherapie bei Kniescheibenverlagerung und Kreuzbandriss

THP 4 19 gross Page28 Image2ALTERNATIVE BEHANDLUNGEN BEI ORTHOPÄDISCHEN PROBLEMEN

Luxatio patellae (Kniescheibenverlagerung)

Unter einer Luxatio patellae versteht man das Verlagern der Kniescheibe aus der natürlichen Position heraus (aus dem Rollkamm des Oberschenkels) nach innen oder außen. Die Befunde bzw. Beschwerden der Patienten variieren stark und sind abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Die Kniescheibenverlagerung wird in 4 Grade eingeteilt. Die Beschwerden und klinischen Anzeichen bei Grad 1 sind am geringsten ausgeprägt. Die Kniescheibe befindet sich häufig in der normalen Position, und sollte es zum Herausspringen aus dem Rollkamm kommen (nach Manipulation), springt sie selbstständig zurück in die physiologische Position.

THP 4 19 gross Page28 Image1Im schwersten Fall, Grad 4, befindet sich die Kniescheibe permanent außerhalb des Rollkamms und kann nicht in die normale Position zurückverlagert werden. Ein typisches klinisches Bild für die ersten beiden Schweregrade zeigt sich im Hochziehen der erkrankten Gliedmaße bei Verlagerung der Kniescheibe für ein paar Schritte. Sobald eine physiologische Situation erreicht ist, dann belastet der Patient wieder völlig normal. Bei Grad-4-Luxationen, die häufig angeboren sind, ist der Patient nicht mehr in der Lage, das Kniegelenk vollständig zu strecken, sodass ein stark geduckter Gang auffällig ist. Je nach Situation wird Lahmheit in verschiedenen Schweregraden beobachtet. Nicht selten stellt sich ein Riss des vorderen Kreuzbandes als Sekundärkomplikation ein.

Ziel der Behandlung ist es, die Luxationstendenz zu minimieren bzw. zu verhindern, Stabilität im Kniegelenk und eine physiologische Achsenstellung der Hintergliedmaße zu erreichen. In der Regel gelingt dies nur durch operative Eingriffe (Vertiefung des Rollkamms, Verpflanzen der Schienbeingräte, Gelenkkapselplastik). Physiotherapie kann in der Rehabilitation Anwendung finden. Handelt es sich um einen Zufallsbefund (in der Regel Grad 1) und der Patient hat keine Beschwerden, kann mittels Physiotherapie Muskelaufbau und Stabilisierung des Kniegelenkes angestrebt werden.

ZIELE DER PHYSIOTHERAPIE NACH CHIRURGISCHEN EINGRIFFEN

  • Heilungsprozess fördern
  • Muskelkontrakturen vorbeugen
  • Frühzeitige Belastung der Gliedmaße anregen
  • Prophylaxe von Folgeschäden
  • Muskelaufbau

AKTIVE BEWEGUNGS- UND KOORDINATIONSÜBUNGEN ZUM MUSKELAUFBAU

  • Kurzes, häufiges und langsames Gehen an der kurzen Leine.
  • Laufen auf unterschiedlichem Untergrund (Wiese, Waldboden, Asphalt, Sand etc.). Üben auf Schaukelbrettern oder Trampolin.
  • Slalomlaufen oder kleine Achtertouren.
  • Vorsichtiges Bergauflaufen.
  • Sitz- und Stehübungen.
  • Training im Unterwasserlaufband (Ausnutzen des Auftriebs und des Wasserwiderstandes).

PASSIVE GELENKÜBUNGEN

  • Langsames Strecken und Beugen des Kniegelenkes (Anregung der Kniescheibe, in physiologischer Position durch den Rollkamm zu gleiten).
  • Mobilisierung der Kniescheibe und Bewahrung der Seitenstabilität.

MASSAGE UND DEHNUNGEN

  • Vor allem die Muskulatur der Hintergliedmaßen und des Rückens massieren, auch Vordergliedmaßen und Schultermuskulatur einbeziehen. Die Muskulatur mit Wärmepads oder Rotlicht vorwärmen.
  • Kneten der Rücken- und Hinterhandmuskulatur (besonders der Oberschenkelmuskulatur).
  • Zu Beginn und am Ende der Massagesitzung sollten Streichungen in wechselnder Intensität erfolgen.
  • Bei sehr spastischer Muskulatur können Schüttelungen, Elektrotherapie oder der Einsatz eines Matrix-Rhythmus-Therapie-Gerätes sinnvoll sein.

THP 4 19 gross Page29 Image1Kreuzbandriss

Am häufigsten reißt das vordere Kreuzband beim Hund, auch bei der Katze. Im Gegensatz zum Menschen, bei dem Kreuzbandrisse in der Regel traumatisch entstehen, gehört der Kreuzbandriss des Hundes zum größten Teil in den Komplex der degenerativen Gelenkerkrankungen. Dies ist auf die Statik der Hunde zurückzuführen. Als Zehenspitzengänger befindet sich das Kniegelenk immer in leicht gewinkelter Position. Wenn in der Bewegung das Körpergewicht als Last übernommen werden muss, erfährt das Schienbein eine Vorschubkraft gegen den Oberschenkel. Dieser Vorschub wird durch das gerade Kniescheibenband und die Kreuzbänder abgefangen.

THP 4 19 gross Page30 Image1So kann es zum faserweisen, allmählichen Zerreißen der Bandfasern kommen, unterstützt durch Degenerationserscheinungen des elastischen Bindegewebes sowie der sich bildenden Entzündungsstoffe bei beginnend instabilen Gelenken. Patienten mit Kreuzbandrissen sind meist mittel- bis hochgradig lahm, sitzen mit nicht vollständig abgewinkeltem Kniegelenk und belassen das Kniegelenk in der Belastungsphase in gebeugter Stellung. Bei der Untersuchung fällt ein vermehrt gefülltes Kniegelenk auf. Bei der passiven Streckung zeigen die Patienten Schmerzen, eine Instabilität (Schubladenphänomen) kann ausgelöst werden.

Da unser Haustier nicht wie wir Menschen das Kniegelenk muskulär stabilisieren kann, führt eine rein konservative Behandlung mit der Gabe von Schmerzmitteln und Physiotherapie oft nicht zum gewünschten Erfolg. Je länger das Kniegelenk instabil bleibt, umso schwerwiegender sind die Arthrosen, die sich bilden. Daher ist, auch bei kleinen Hunden oder Katzen, eine chirurgische Versorgung anzuraten. Dafür gibt es verschiedene Methoden wie z.B. extra- oder intrakapsuläre Stabilisationstechniken sowie Umstellungsosteotomien, die den Patienten in die Lage versetzen sollen, das Kniegelenk muskulär zu stabilisieren. Auch hier greift die Physiotherapie meist postoperativ in der Rehabilitationsphase und sollte so früh wie möglich begonnen werden.

ZIELE DER PHYSIOTHERAPIE

  • Schmerzlinderung
  • Muskelaufbau
  • Konditionstraining
  • Verhinderung von Kontrakturen
  • Wiederherstellen der Gelenkbeweglichkeit

PHYSIOTHERAPEUTISCHE BEHANDLUNGSMÖGLICHKEITEN

  • Unmittelbar nach der Operation Behandlung mit Kälte (Gelenk kühlen, aber nicht im unmittelbaren Implantatbereich).
  • Ab ca. einer Woche postoperativ Wärme, vor allem vor Gelenkübungen, Massagen, Dehnungen oder aktiven Bewegungsübungen.
  • Therapeutischer Ultraschall zur Erwärmung der tiefer gelegenen Muskelschichten.
  • Passive Bewegungsübungen (vor allem Streckung und Beugung des Kniegelenkes).
  • Dehnung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur.
  • Massage der Hintergliedmaßen und der Rückenmuskulatur.
  • Mobilisierung der Kniescheibe.
  • Hydrotherapie: ein- bis dreimal wöchentlich sollte ein Training im Unterwasserlaufband erfolgen.
  • Magnetfeldtherapie.
  • Aktive Bewegungsübungen (mehrmals täglich kurze, aber sehr langsame Spaziergänge an der Leine, Sitz- und Stehübungen, Gehen in Kreisen oder Achtertouren, leicht bergauf gehen, auf tiefen Untergrund gehen, Cavalettiübungen).

DR. INES HOLZ DR. INES HOLZ

FACHTIERÄRZTIN FÜR KLEINTIERE MIT ZUSATZBEZEICHNUNG PHYSIKALISCHE THERAPIE UND  REHABILITATION
KLEINTIERARZTPRAXIS IN  MÜNCHEN-BOGENHAUSEN

TÄTIGKEITSSCHWERPUNKTE

  • Allgemeine Kleintierheilkunde
  • Physiotherapie

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